Auf mehr als 25'000 Quadratmetern hat der Künstler Denis Meyers in Brüssel ein gigantisches Werk geschaffen. Besucher sind begeistert. Doch bald wird es zerstört.

Porträts bekannter und unbekannter Personen, Wortketten und Totenköpfe auf mehr als 25'000 Quadratmetern - das ist das Projekt «Remember Souvenir» des Künstlers Denis Meyers in Brüssel. «Titanisch», «pharaonisch», «gigantisch», «einzigartig» und «verrückt» lauten die Adjektive, mit denen sein Werk in den belgischen Medien gerühmt wurde.

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Zum Hauptstadtevent geworden

Was vor neun Monaten mit einer persönlichen Krise des Künstlers begann, ist zu einem Hauptstadtevent geworden. Führungen durch den Riesenbau, den der 36-Jährige mit seiner Malerei überzogen hat, sind nahezu ausverkauft. Doch bald wird das Kunstwerk der Vergangenheit angehören.

Denn Meyers hat seine Porträts auf die Wände, Decken, Türen und Fenster des ehemaligen Hauptsitzes der internationalen Chemiegruppe Solvay gesprüht, der seit Jahren leer steht. Bald sollen dort Wohnungen gebaut werden.

Der Bau hätte schon am 15. Mai zerstört werden sollen, doch der Erfolg von «Remember Souvenir» ist so gross, dass man den Abriss verschoben hat. Nun soll das vergängliche Museum am 21. Juli verschwinden.

Vom Erfolg überrollt

«Allein zur Eröffnung am 22. April sind rund 2000 Gäste gekommen», erinnert sich Meyers' Freund Olivier Jacqmain. Seitdem arbeitet der 41-Jährige rund um die Uhr. Mit dem Erfolg habe keiner gerechnet. Mittlerweile griff man auf einen Verein zurück, der Führungen zur Entdeckung des kulturellen Erbes von Brüssel organisiert.

Denn «Remember Souvenir» kann nicht im Alleingang besichtigt werden. «Wir begleiten die Besucher aus Sicherheitsgründen, aber auch, damit sie sich nicht verlaufen», erzählt Olivier. Tatsächlich gleicht das rund 50'000 Quadratmeter grosse Gebäude im renommierten Stadtviertel Ixelles einem Labyrinth aus Räumen und Gängen.

Bei der Finissage werden die Werke abgehängt, die verkauft worden sind, etwa auf Türen und Heizungsverkleidungen. Sie kosten je nach Grösse bis zu 4000 Euro. Ein willkommener Zustupf für den Künstler, der im vergangenen September ohne finanzielle Hilfe zu sprühen begann.

Eine Art Katharsis

Mit einer Grubenlampe auf der Stirn und einer Wollmütze auf dem Kopf hat Meyers monatelang unter schwierigen Bedingungen gearbeitet. Seine Malereien sind alle in Schwarzweiss. Den Keller nennt der 36-Jährige auch «Katakomben». Hier habe er gemalt, wenn er sich besonders schlecht gefühlt habe. Deshalb seien die Wände nur mit Totenköpfen bedeckt.

Mehr als 1800 Spraydosen hat Meyers für seine Malereien und schemenhaften Porträts benutzt, die er aus seinen rund 150 Notizbüchern übernommen hat. Seit 20 Jahren zeichnet er Gesichter unbekannter Personen, denen er irgendwann einmal begegnet ist.

Ihnen, vor allem aber seiner Frau und seinen beiden Kindern, ist das Werk gewidmet, das eine Art Katharsis ist. Er habe so versucht, die Trennung von seiner Frau zu verarbeiten, wie sein Freund Olivier Jacqmain erklärt. Neben den Bildnissen hat er die Wände mit Satzfragmenten und Verben bedeckt, darunter «hassen», «lieben», «glauben» und «wagen».

Der im wallonischen Tournai geborene Künstler ist gelernter Typograf. Seit seinem gigantischen Vorhaben, zu dem er zuvor die Genehmigung der Besitzer des Gebäudes eingeholt hatte, ist Meyers jedoch ein Star. Erste Anfragen, auch im Ausland leerstehende Gebäude in vergängliche Museen zu verwandeln, sind schon da.

(sda/ccr)

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