Wer kennt es nicht: Beim Aufräumen findet man einen Gutschein, den man vor Jahren geschenkt bekommen hat und der natürlich längst abgelaufen ist. Trotz zahlreichen Nachfragen lässt der Aussteller nicht mit sich reden.

Doch ob es zulässig ist, die Einlösbarkeit von Gutscheinen abweichend von den gesetzlichen Verjährungsfristen (normalerweise zehn oder zumindest fünf Jahre) zu kürzen, wie es in der Praxis üblich ist, ist ein unter Juristen und Juristinnen kontrovers diskutiertes Thema. Gerichtsentscheide gibt es kaum, dafür umso mehr Lehrmeinungen.

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Christian Lenz und Pascal Caduff sind Rechtsanwälte bei Lenz & Caduff Rechtsanwälte in Zürich und Mitglied bei GetYourLawyer. Sie sind auf Handels-, Gesellschafts-, Immobilien-, Arbeits- und Vertragsrecht spezialisiert. 

In der Vergangenheit haben sich Personen mit «abgelaufenen» Gutscheinen oft auf die Kulanz der Ausstellenden verlassen müssen. Wenn es nach dem Richteramt Thal-Gäu (Urteil TGZRP.2019.549 vom 28. Mai 2020) geht, ist dies in Zukunft nicht mehr notwendig.

Das erstinstanzliche Gericht verkündete für Beschenkte gute Nachrichten: Selbst wenn Gutscheine mit einem «Ablaufdatum» versehen sind, ist dieses nicht verbindlich, sofern der Gutschein nicht mindestens fünf beziehungsweise zehn Jahre einlösbar war.

Fünf, allenfalls zehn Jahre

Im vorliegenden Fall führte dies dazu, dass ein für zwei Jahre «gültiger» Fahrschein für eine Heissluftballonfahrt auch nach Ablauf der zwei Jahre noch eingelöst werden konnte beziehungsweise der Kaufpreis für den Fahrschein zurückerstattet werden musste.

Somit sind Gutscheine, je nach Verwendungszweck mindestens fünf, allenfalls sogar ganze zehn Jahre ab Ausstelldatum einlösbar.

Dies bedeutet: Abgelaufene Gutscheine müssen nicht entsorgt werden. Vielmehr muss geprüft werden, ob die gesetzliche Verjährungsfrist allenfalls noch läuft. Ist das der Fall und existieren die Austeller der Gutscheine noch, so müssen diese die Einlösung des Gutscheins akzeptieren. Unabhängig davon, ob sie von einer kürzeren Laufdauer ausgingen und die Gutscheine deshalb buchhalterisch längst abgeschrieben sind.

«Sicher ist nur eines: Dies wird nicht das letzte Urteil betreffend Ablaufdatum von Gutscheinen gewesen sein.»

Obwohl nun ein erstinstanzliches Urteil hinsichtlich «Ablaufdatum» von Gutscheinen vorliegt, besteht bis zu einem höchstrichterlichen Entscheid nach wie vor eine gewisse Unsicherheit. Sicher ist nur eines: Dies wird nicht das letzte Urteil betreffend Ablaufdatum von Gutscheinen gewesen sein.

Es bleibt zu hoffen, dass sich sowohl die Austellenden, die oft aus aktuell gebeutelten Branchen kommen (zum Beispiel der Gastronomie), und die Einlösenden auch in Zukunft auf pragmatische Lösungen ausserhalb der Gerichtssäle einigen können. Denn gerade bei Gutscheinen mit verhältnismässig geringem Wert lohnt sich das Prozessieren in vielen Fällen nicht.

Im erwähnten Fall lag der Gutscheinwert bei 780 Franken, die – von der klagenden Partei vorzuschiessenden und der unterliegenden Partei zu bezahlenden – Gerichtskosten allein bei 700 Franken. Kämen noch allfällige Anwaltskosten hinzu, gäbe es bei einem solchen Rechtsstreit finanziell gesehen praktisch nur Verlierer.