Wer schon mit Schulden in die Krise gestartet ist, landet schnell in einer Überschuldung. Gemäss Bundesamt für Statistik (BFS) lebten bereits 2017 mehr als vier von zehn Schweizern in einem Haushalt, der Schulden in irgendeiner Form hatte - Hypotheken für den eigenen Wohnsitz ausgeklammert. Dabei sind Zahlungsrückstände die häufigste Verschuldungsart in der Schweiz.

So konnten 18,9 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer 2017 mindestens einmal pro Jahr zum Beispiel ihre Steuerrechnung, die Krankenkassenprämie oder die Miete nicht begleichen. Und 14,6 Prozent der Haushalte hatte Schulden in Form von Auto-Leasingraten. Dahinter folgten Darlehen von der Familie oder von Freunden (10,3%) sowie Klein- oder Konsumkredite (9,0%).

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Autos auf Pump

In der Schweiz ist der Kauf eines Autos der wichtigste Grund, einen Konsumkredit aufzunehmen. Und die Covid-19-Pandemie hat die Nachfrage nach Autokrediten zuletzt in die Höhe getrieben. Die Menschen meiden den öffentlichen Verkehr und steigen auf individuelle Transportmittel um.

Nach Ende des «Lockdown» kletterte die Nachfrage nach einem Darlehen für den Autokauf Anfang Juni um satte 36 Prozent. Sie lag damit - nach einem Rückschlag im März - wieder über dem Vorkrisenniveau, erklärte jüngst Credaris, ein Partner des Online-Vergleichsdienstes Comparis.

Statt ein Auto zu kaufen, kann es auch geleast werden. Der Schweizerische Leasingverband (LSV) zählte per Ende 2019 Autoleasing-Verträge von Privatpersonen im Gesamtwert von fast 10 Milliarden Franken. Der durchschnittliche Betrag pro Auto lag bei 34'500 pro Auto.

Ausfallrisiko steigt

Während Experten in diesem Jahr mit einer deutlichen Konjunkturabschwächung und steigender Arbeitslosigkeit rechnen, prüft auch der Schweizerische Leasingverband die Tragfähigkeit seiner Schuldner bei Neuabschlüssen genau. Dennoch müsse «im derzeitigen Umfeld mit einem Anstieg der Insolvenzen gerechnet werden», räumte deren Sprecher ein.

Auch die Migros-Bank hat die Bedingungen für die Vergabe von Konsumentenkrediten verschärft, um «Überschuldungsfälle in der jetzigen Situation so weit wie möglich zu vermeiden». Dies betreffe insbesondere die Ablehnung von Kreditanträgen von Personen in Kurzarbeit.

Schuldenberater warnen

Vereine, die verschuldete Menschen unterstützen, sind alarmiert. «Viele Haushalte am Existenzminimum sind nun wohl in die Verschuldung gerutscht», sagte Agnes Würsch, Verantwortliche Prävention bei der Budget- und Schuldenberatung «Plusminus».

Die Hilfen des Bundes und der Kantone hätten zwar geholfen; sie seien aber nicht für alle hoch genug gewesen. "Wir erwarten in der nahen Zukunft noch mehr Menschen am Rande des Existenzminimums", erklärte Würsch.

Diese Sichtweise wird von der Schuldenberatung Schweiz geteilt. "Die Krise, die wir erleben, trifft Menschen mit niedrigen Einkommen besonders hart", warnte Generalsekretär Sébastien Mercier auf Anfrage von AWP. Die Krise könnte sich «in der Tat katastrophal auf die Überschuldung der Haushalte auswirken.»

Nicht zu lange warten

Gleichzeitig raten die Schuldenberater dazu, sich schneller Hilfe zu holen. «Die Nachfrage nach Unterstützung beim Schuldenabbau kommt nur allmählich herein», erklärte Mercier. Das sei aber ein grundsätzliches Problem: Drei Viertel der überschuldeten Haushalte suche erst nach drei Jahren der Beginn der Probleme einen Spezialisten auf.

(awp/tdr)