Marie Goegg-Pouchoulins Leben war geprägt von radikal-demokratischem Handeln. Nach einer gescheiterten Ehe kehrte sie mit ihrem Sohn zurück in ihr Elternhaus in Genf, wo sie ihren zweiten Ehemann Amand Goegg kennenlernte. Der badische Revolutionär wurde von ihren Eltern beherbergt, weil er nach der Niederlage in der Märzrevolution 1949 in die Schweiz flüchten musste.

Er ebnete Marie Goegg-Pouchoulin den Weg in die Politik. Das war im 19. Jahrhundert keine Besonderheit, denn allein hätte eine Frau nur sehr schwer eine Stimme erhalten. Goegg-Pouchoulin nutzte diese Möglichkeit und erhob ihre Stimme mit Nachdruck.

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Nachdem sie mit ihrem Mann drei Jahre lang in Grossbritannien gelebt und weitere zwei Söhne geboren hatte, liess sich die Familie nach Stationen in Offenburg und Biel im Jahr 1860 wieder in Genf nieder. Ihr Mann präsidierte die Internationale Liga für Frieden und Freiheit, sie war in deren Zentralkomitee tätig. In der Vereinszeitung «Les Etats-Unis d’Europe» publizierte Marie Goegg-Pouchoulin ihren ersten feministischen Aufruf zur Bildung von Frauenkomitees.

Zwar meldeten sich nur wenige Frauen aus der Oberschicht, doch noch im selben Jahr gründete sie die von ihr geführte Association internationale des femmes (AIF). Die AIF gilt als erste Frauenrechtsorganisation der Schweiz und erreichte zwei Vorstösse im Nationalrat. Darin forderte sie die Totalrevision der Bundesverfassung und eine eidgenössische Vereinheitlichung des Privatrechts zugunsten der Frauen.

Ihrer Gefolgschaft zu radikal

Goegg-Pouchoulin präsidierte die AIF, bis sie im Jahr 1872 die Organisation verliess respektive auflösen musste. Der Grund: Nur wenige Frauen fühlten sich damals von ihrem radikalen Kurs angesprochen. Die Genferin galt trotz ihrer geringen Schulbildung als sehr belesen. In jungen Jahren hatte sie sich autodidaktisch Wissen in Literatur und Geschichte angeeignet. Später lernte sie Deutsch und Englisch, was dazu beitrug, dass sie sich von den britischen Genossinnen inspirieren liess. Die Suffragetten, wie sie umgangssprachlich genannt wurden, waren Ende des 19. Jahrhunderts vor allem durch ihre drastischen Protestaktionen bekannt geworden.

Sie demolierten städtische Einrichtungen und hungerten tagelang. Mit ihren Demonstrationen forderten sie die rechtliche Gleichstellung von Frauen und Männern – insbesondere das Frauenstimmrecht. Nach der Auflösung der AIF blieb Goegg-Pouchoulin nicht untätig. Zusammen mit der Bernerin Julie von May gründete sie aus den Überbleibseln der Organisation den Verein Solidarité. Hier konnte Goegg-Pouchoulin ihr radikales emanzipatorisches Programm fortsetzen, das in der AIF keine Zustimmung mehr fand. Schwerpunkt der Solidarité war die Durchsetzung der zivilrechtlichen Gleichstellung der Schweizerinnen.

Mut also, ihr Gründe­rinnen von Komitees, ihr für alles Gute begeisterten Frauen! Schreckt nicht zurück vor der Schwierigkeit des Unternehmens und der Kargheit eurer Mittel!

Marie Goegg-Pouchoulin, Schweizer Frauenrechtlerin (1826–1899)

Einen ersten Durchbruch erzielten Goegg-Pouchoulin und von May mit der Zulassung von Frauen an der Universität Genf sowie mit der Abschaffung der Geschlechtsvormundschaft für ledige und verwitwete Frauen im Kanton Waadt. 1880 musste Goegg-Pouchoulin wegen mangelnder Gefolgschaft die Solidarité und das namensgebende Publikationsmedium auflösen.

Ihr Weg führte sie weiter in den Administrativrat der Fédération abolitionniste internationale und zum Vizepräsidium der 1891 gegründeten Union des femmes de Genève. Ihr Handeln in diesen beiden Reihen beeinflusste massgeblich die Gründung der Fraueninternationale europaweit, die 2007 ihr hundertjähriges Bestehen feierte, und zementierte so ihre Figur als Aushängeschild der frühen Schweizer Frauenbewegung.

Goegg Pouchoulin verstarb drei Jahre nachdem sie im Alter von 70 Jahren am ersten Schweizer Frauenkongress im Jahr 1896 teilgenommen hatte.

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Olivia Ruffiner
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