Jahrelang waren superreiche Russen für die Schweizer Banken ein einträgliches Geschäft. Doch die Sanktionen gegen die Putin-Profiteure haben auch an den Bankenmeilen in Zürich und Genf Hektik ausgelöst. Die meisten Banken fassen Vermögende mit russischen Verbindungen inzwischen nur noch mit spitzen Fingern an.

Der finanzielle Schaden ist verkraftbar. Viel schwerer wiegt der Schaden für die Reputation: Mit der Forderung, die Vermögen der Kriegsverursacher einzufrieren, rief der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski kürzlich die Rolle des Landes als Hort von schmutzigem Geld in Erinnerung – ein Bild, das die Schweiz eigentlich vergessen machen wollte.

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Die Schweiz steht bei vermögenden Russen hoch im Kurs. Sie schätzen die Diskretion, die hohe Lebensqualität und das geschäftsfreundliche Umfeld. Auf 150 bis 200 Milliarden Franken schätzt die Schweizerische Bankiervereinigung die Vermögen von im Ausland lebenden Russen in der Schweiz.

Damit liegt ein beträchtlicher Teil der russischen Vermögen auf Schweizer Konten: Der Boston Consulting Group zufolge beliefen sich die investierbaren Vermögen der superreichen Russen Ende 2020 auf insgesamt rund 500 Milliarden Dollar. 

Fluchtburg Schweiz

Dementsprechend erstaunt nicht: In den Tagen nach Kriegsbeginn war die Schweiz eine der beliebtesten Destinationen für russische Privatjets. 13 der Maschinen, die von Moskauer Startbahnen abhoben, steuerten gemäss der Branchenanalysefirma Wingx Genf an, 9 Zürich.

«Als Putin in der Ukraine einmarschierte, sind mehrere Oligarchen in die Schweiz geflogen und sind dann zu den Banken nach Zürich gefahren», sagt ein Insider zu Reuters. «Sie diskutierten Lösungen, wie man Vermögen verschieben könne.»

Bisher versuchte die Schweiz, es sich mit Russland und seinen Reichen nicht zu verscherzen. Nach der Annexion der Krim verzichtete das Land auf Sanktionen gegen Russland und ergriff lediglich Massnahmen, um die Umgehung der EU-Einschränkungen zu verhindern.

Nach Beginn der Ukraine-Invasion hat die Regierung erneut gezögert und erst auf Druck der Bevölkerung und des Auslands den Kurs geändert. Inzwischen zieht die Schweiz bei den Massnahmen der EU schrittweise nach. Fast 6 Milliarden Franken an Vermögen sind bereits den Behörden gemeldet und gesperrt. Tatsächlich gesperrt sind wahrscheinlich nochmals deutlich mehr.

Banken hielten sich an die Regeln

Bei den Banken herrscht Hochbetrieb. Die Spirale dreht sich weiter, jeden Tag verschärft der Westen die Sanktionen. Die Banken wollen keinen Reputationsschaden riskieren. Das bedeutet viel Arbeit für die Compliance-Abteilungen: «Viele Oligarchen halten das Hauptvermögen nicht unter eigenem Namen, sondern verschachtelt und über Stiftungen, Treuhänder oder Strohmänner», erklärt Steuerexperte Thomas Koblenzer gegenüber Reuters.

Ein bedeutender Teil der russischen Vermögen stamme zwar gar nicht von Sanktionierten. Aber auch bei den übrigen Kunden seien die Geldhäuser auf der Hut. «Im Prinzip ist jeder Russe, jede Person mit russischem Pass, in Grossbritannien, der EU und der Schweiz halb sanktioniert», erklärte UBS-Chef Ralph Hamers kürzlich.

Ein Privatbanker erklärte, in seinem Institut werde jeder Stein umgedreht, um sicherzustellen, dass niemand durch die Maschen schlüpfe. Die Credit Suisse beantragte kürzlich eine amtliche Bewilligung, um zwanzig Compliance-Mitarbeitende auch nachts und an Feiertagen an der Umsetzung der Russland-Sanktionen arbeiten zu lassen. Auch viele andere Schweizer Institute wie Julius Bär oder Vontobel haben russische Kunden.

Mit einem Fuss im Gefängnis

Dieser Eifer war aber nicht bei allen Banken schon immer so gross, auch in anderen europäischen Ländern nicht. Mit dem Beginn des Krieges hätten Überweisungen über eine aufwendige und praktisch händische Alternative zum Zahlungssystem Swift stark angezogen, erklärt Steuerexperte Koblenzer.

«Ich gehe davon aus, dass vermögende Russen auf diesem Weg Geld von europäischen Banken etwa auf asiatische Banken transferiert oder zu transferieren versucht haben, um Cash-Bestände in Sicherheit zu bringen.» Inzwischen hätten einige asiatischen Banken mit Blick auf die Sanktionen oder eine mögliche Umgehung der Sanktionen diese Zuflüsse gestoppt.

Das Zeitfenster zwischen der Einführung der EU-Sanktionen und dem Nachvollzug der Schweiz versuchten reiche Russen und ihre Finanzberater zu nutzen, um ein Teil ihres Vermögens ins Trockene zu bringen. Das beobachtete etwa Thomas Borer, der früher den Oligarchen Viktor Vekselberg beriet. «Kurz vor der Einführung der Sanktionen in der Schweiz hatte ich Anfragen von Banken, wie sie mit russischen Kunden umgehen sollten.»

Die Banken hätten überlegt, wie sie ihren Kunden helfen können, Assets zu verkaufen. Er habe den Banken abgeraten, bei solchen Transfers mitzuwirken. Mehr als ein paar Uhren an der Bahnhofstrasse zu kaufen oder ein Bild in einer Galerie sei wohl kaum mehr möglich – selbst wenn die Kreditkarte noch funktionierte, erklärte der frühere Schweizer Botschafter in Berlin.

Der Korruptionsexperte Mark Pieth hält die Schweizer Behörden für zu zögerlich. Er kenne mindestens einen Fall, in dem ein russischer Oligarch eine Woche Zeit gehabt habe, seine Firmenbeteiligungen zu verkaufen, bevor er auf die Schweizer Sanktionsliste gesetzt wurde. «Entweder ist es eine Form von Inkompetenz oder man wollte diese russischen Interessen ziehen lassen», so Pieth.

(reuters/tdr)