Die Wahrheit steckt in sechs Zentimetern Buchdicke: «Fünfter Schweizerischer Ernährungsbericht, 2005» heisst der Schocker, der auf 1060 Seiten die Ernährungsgewohnheiten der Schweizer preisgibt. Fazit: In den letzten zehn Jahren hat sich in puncto Ernährungsbewusstsein hierzulande wenig verändert – und das mit nachhaltigen Folgen, denn 38 Prozent der Schweizer sind zu dick. Noch immer wissen zu wenige, wie man sich richtig und gesund ernährt. Das hat physische Folgen, die sich mit zunehmendem Alter einstellen: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes. Deswegen steht für Peter E. Ballmer, Chefarzt der Medizinischen Klinik am Kantonsspital Winterthur, eine ausgewogene, gesunde Ernährung an erster Stelle der Prävention. «Ich bin davon überzeugt», sagt der Mediziner, «dass eine richtige Ernährung das Wichtigste ist, um gesund alt zu werden.»

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Doch wie stellt man es an, mit richtiger Ernährung fit und leistungsfähig zu bleiben? «Eckpfeiler eines körperverträglichen Alltags sind die richtige Ernährung, genügend Bewegung und Stressabbau, neben einem moderaten Alkoholkonsum und natürlich dem Verzicht auf Zigaretten», so Ballmer. Gehört hat das jeder schon einmal – zum einen Ohr rein, zum anderen raus. Denn viele glauben, ein gesunder Lebenswandel sei mit dem beruflichen Alltag nicht kompatibel: Geschäftsessen, Steh-Apéros mit Alkoholkonsum, lange Flugzeiten und die Sandwichkultur bei Meetings machen ihnen und ihrer Gesundheit zu schaffen. «Es muss ein Umdenken stattfinden», sagt Ballmer.

So wie bei Georges Kern. Der 42-jährige CEO des Uhrenherstellers IWC hat in kürzester Zeit über zwölf Kilo abgespeckt, indem er seinen Lebenswandel drastisch änderte. «Früher», erinnert er sich, «hatte ich das Gefühl, ich müsste bei den Geschäftsessen von A bis Z mithalten.»

Er hat gelernt, ohne schlechtes Gewissen Nein zu sagen und auf bestimmte Dinge komplett zu verzichten. Beispielsweise auf fette Beilagen, Saucen und Desserts. Dafür isst er viel Fisch und Salat und verzichtet weitgehend auf Alkohol. Durch die leichtere Kost in Kombination mit Velotraining fühlt er sich nicht nur besser, sondern auch belastbarer und ausdauernder.

Tatsächlich orientiert sich Kern an einer Küche, die von Medizinern und Ernährungsberaterinnen gleichermassen propagiert wird. «Das Zauberwort für eine gesunde Ernährung heisst mediterrane Küche», sagt David Infanger, Facharzt für innere Medizin am Stoffwechselzentrum der Zürcher Privatklinik Hirslanden. Täglich ist er in seinem Beruf mit den Folgen falscher Ernährung konfrontiert. Zu ihm kommt, wer sich zu viele Pfunde angefuttert hat und lernen muss, wie man sich richtig und gesund ernährt. «Wir essen zu fett, zu süss, zu kohlehydratreich und bewegen uns dazu viel zu wenig», sagt Infanger. Eine ausgewogene Energiezufuhr bestehe zu 55 Prozent aus Kohlehydraten, wie sie in Kartoffeln und Getreideprodukten enthalten sind, zu 15 Prozent aus Eiweissen, etwa Fisch, Milch oder Fleischprodukten, der Rest darf aus Fett stammen.

Die mediterrane Küche, die nicht mit der klassischen italienischen Küche verwechselt werden darf, bietet genau diese Vorteile. Sie ist arm an gesättigten Fettsäuren, wie sie teilweise in Fleisch oder Milchprodukten vorkommen, dafür reich an einfach ungesättigten Fettsäuren, die vor allem über Olivenöl aufgenommen werden. Das wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Gefässe aus. Hinzu kommen Omega-3-Fettsäuren, die beispielsweise im Rapsöl als Alphalinolensäure enthalten sind. Diese bremsen oder verhindern zusammen mit Antioxidanzien und Vitaminen Ablagerungen in den Arterien. Mindestens fünf Portionen an Obst oder Gemüse pro Tag werden daher empfohlen. Hinzu kommen komplexe Kohlehydrate, etwa aus Brot, Teigwaren oder Reis. Sie gelten als Energieträger. Doch das Beste kommt zum Schluss: Aufgrund der positiven Wirkung auf die Gefässe ist zum Essen ein Glas Rotwein pro Tag nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht!

Peter E. Ballmer ist von den gesundheitsfördernden Eigenschaften dieser Art von Essen so überzeugt, dass er sogar die Spitalküche am Kantonsspital in Winterthur hat umstellen lassen. Und er hat zusammen mit Erica Bänziger mit der Schweizerischen Herzstiftung ein Kochbuch herausgegeben. «Kochen für das Herz» heisst das Werk, in dem alles Wissenswerte über die mediterrane Küche zu finden ist, angereichert mit Rezepten.

Was aber ist zu tun, wenn man sich häufig ausser Haus ernähren muss? Was, wenn man über Stunden hinweg geistig rege bleiben sollte? «Am besten stellt man sich eine Schüssel mit Obst ins Büro», sagt David Infanger. Der Arzt empfiehlt eine feste Tagesplanung, um damit Kontrolle über das Essverhalten zu erlangen. Wichtig seien auch Zeitfenster, in denen eine vernünftige, ausgewogene Ernährung genossen werden kann. Langsam essen helfe dabei, schneller satt zu werden. Nur ja nie heisshungrig einen Hamburger oder eine Bratwurst am Stand an der Ecke verdrücken. Das im Fastfood enthaltene Fett ist schwer verdaulich. Statt neue Energie zu tanken, kämpft der Körper mit der Verdauung. Die Folge sind Müdigkeit und Schlappheit. Deswegen ist es sinnvoll, stets etwas Leichtes bei sich zu haben – Obst, Gemüse oder Knäckebrot –, um den Heisshunger erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Sinnvolles zu essen, empfiehlt sich auch für Vielflieger. Doch das ist gar nicht so einfach. «Es gibt Nüsschen zum Film, zu viel Brot und häufig einfach schlechtes Essen», sagt IWC-CEO Georges Kern, der häufig nach Asien fliegt. Seine Lösung: vor dem Flug zu Hause essen und im Flugzeug nur trinken. Doch was tun, wenn einen am Ankunftsort ein anstrengendes Meeting erwartet, für das man fit sein soll? Reto Wilhelm, Konzernleitungsmitglied bei Kuoni und dort verantwortlich für Kontinentaleuropa, Asien und das weltweite Destination Management, hat sich im Laufe der Jahre ein Programm erarbeitet, das es ihm ermöglicht, ausgeruht und fit am Zielort anzukommen. «Mein Körper ist mein Kapital», sagt der Manager.

Im Flugzeug isst er meist wenig und dann nur Leichtes wie Fisch, Geflügel und Salat oder Gemüse. Kein Dessert und keinen Kaffee, dafür viel Wasser. «Sonst habe ich einen Druck auf dem Magen und kann nicht gut schlafen», sagt der 45-Jährige. Er verhält sich damit nach ärztlicher Sicht genau richtig. «Leicht essen», sagt auch David Infanger. Er rät, den Zeitpunkt der Mahlzeiten nach hinten zu verschieben und so den Organismus an den Rhythmus des Ankunftsorts zu gewöhnen. «Das Frühstück im Flugzeug würde ich aber annehmen», sagt er, «damit bekommt der Körper einen Energieschub, den er am Ankunftsort braucht. Und trinken, so viel man kann, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen.»

Reto Wilhelm fühlt sich, seit er auf seine Ernährung achtet und viel Sport treibt, fitter als früher. Wie wichtig dies ist, kann der Triathlet in seinem beruflichen Umfeld beobachten: «Körperliche Fitness wird in Führungspositionen immer wichtiger.» Das beobachten auch die Ärzte. «Es sind nicht mehr wie früher die Führungskräfte, die mit ernährungsbedingten Krankheiten zu uns kommen», sagt David Infanger, «diese gehören einer sozialen Schicht an, die mehr und mehr körperbewusst lebt.» Je höher das Bildungsniveau, desto bewusster und gesünder der Lebensstil. Das hat Felix Gutzwiller, Direktor des Institutes für Sozial- und Präventivmedizin an der Universitätsklinik Zürich, ebenfalls beobachtet. «Früher», sagt er, «waren Herzinfarkte ein Phänomen der Oberschicht, jetzt lebt diese am gesündesten.»

Das zeigt, dass der bewusste Umgang mit Nahrung im Alltag positive gesundheitliche Konsequenzen hat. Doch der Schritt von der Theorie in die Praxis fällt nicht immer leicht – zu vielen fällt der Abschied von lieb gewordenen Gewohnheiten schwer. Noch immer, so zeigt die Auswertung der Schweizer Gesundheitsbefragung von 2002, gibt ein Drittel der Schweizer an, in der Ernährung auf nichts zu achten. Insofern muss weiterhin mit Nachdruck aufgeklärt werden – von Kindesbeinen an. «Der Mensch», sagt Peter Ballmer, «ist nun einmal nicht dafür designt, 24 Stunden am Tag zu essen!»

Mediterranes Vorbild

Als Paradebeispiel einer gesunden Ernährung für das Herz-Kreislauf-System und zur Vorbeugung von Krebs gilt die mediterrane Küche. Sie zeichnet sich aus durch:

– wenig gesättigte Fettsäuren (Milchprodukte, Fleisch, Kokos- oder Palmfett),

– reichlich einfach ungesättigte Fettsäuren (Olivenöl),

– viele Omega-3-Fettsäuren (Raps- und Fischöl),

– reichlich Früchte, Gemüse, Salat,

– reichlich Antioxidanzien (aus Obst, Gemüse und Kräutern),

– reichlich Getreideprodukte (Brot, Teigwaren, Reis etc.),

– Rotwein: Ein Glas täglich hat positive Auswirkungen auf die Blutgefässe.

Quelle: Peter E. Ballmer, Erica Bänziger: Kochen für das Herz. Edition Fona, Lenzburg 2006.

Sich gesund essen

– Achten Sie in angespannten Situationen auf eine fettarme Ernährung.

– Obst und Vollkornbrot als Zwischenmahlzeiten verhindern Leistungsabfall und Heisshungerattacken.

– Essen Sie kohlenhydratbetonte Mahlzeiten: Brot mit wenig Käse, nicht viel Käse mit Brot, Kartoffeln mit wenig Fleisch, nicht viel Fleisch mit Kartoffeln.

– Nehmen Sie täglich fünf Portionen Obst, Salat und Gemüse zu sich.

– Trinken Sie im Minimum 1,5 Liter Wasser, Tee oder verdünnte Fruchtsäfte am Tag.

– Kaffee ist kein Durstlöscher – trinken Sie zu einer Tasse Kaffee deshalb auch stets ein Glas Wasser.

– Mit Ölen und Fetten sparsam umgehen! Zwei Teelöffel pro Person pro Hauptmahlzeit sind genug.

– Essen Sie kleine Portionen Fleisch, Geflügel, Wurstwaren oder Fisch pro Tag. Schalten Sie fleischlose Tage ein.

– Nehmen Sie täglich zwei oder drei Portionen Milchprodukte zu sich.

– Achten Sie darauf, dass Sie stets Obst und Gemüse zu Hause und am Arbeitsplatz haben.

– Achten Sie beim Einkauf auf den Fettgehalt von Nahrungsmitteln.

Links zum Thema

Schweizerische Gesellschaft für Ernährung (SGE), www.sge-ssn.ch,
Schweizerischer Verband diplomierter Ernährungsberater, www.svde-asdd.ch