Glückliches Hochdorf! Seit knapp zwei Jahren besitzt der Hauptort des Luzerner Seetals eine fabelhafte kulinarische Adresse. Im Kulturzentrum Braui auf dem Gelände der alten Bierbrauerei beweisen Uschi Frapolli und ihr kochender Partner Werner Tobler, dass sich all diejenigen auch in struben Zeiten eine grosse Fangemeinde aufbauen können, die mit Herzblut, Flexibilität und harter Arbeit wirten.

Die «Braui» ist kein Gourmettempel. Dazu würde sich schon der elegante Bau der Luzerner Architekten Lüthi/Schmid nicht eignen. Unpassend wäre dann auch das Credo der Gastgeber: Ihr Haus soll eine Beiz für alle sein, für die Dorfbewohner, die Vereine, die umliegenden Industriebetriebe. Schwellenangst soll niemand befallen, auch nicht jene, die von Toblers Ruf als begnadeter Koch gehört haben.

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Der gebürtige Thurgauer Werner Tobler, seit Jahren in der Innerschweiz sesshaft, ist ein aufgeweckter, handwerklich virtuoser Mann von schneller Auffassungsgabe und sprudelnder Fantasie. Er kennt die klassische Haute Cuisine so gut wie die regionale Küche. Er weiss um die neusten Trends, ohne diesen blind zu verfallen. Vor der «Braui»-Zeit arbeitete er als Privatkoch und verlor als Coach in befreundeten Betrieben nie den Bezug zur Praxis.

Seine gesellige, unbefangene, schlagfertige Art erleichtert ihm den Kontakt mit den Gästen. Einem «Braui»-Novizen ist folgende Annäherung zu empfehlen: Zunächst bestellt er oder sie einen Tisch in der Brasserie. Da wird für 45 Franken ein Viergänger serviert: marktfrisch und mit Produkten aus der Umgebung schnörkellos gekocht – Tobler pflegt den Kontakt mit den einheimischen Fleisch- und Gemüseerzeugern und legt Wert auf natürliche, wenn immer möglich auf biologische Produkte. Immer wieder gibt es da ein aus der Mode gekommenes, manchmal verblüffend einfaches Gericht wieder zu entdecken, oder es wird einem Klassiker die Ehre erwiesen. Ein Leichtes ist es, dazu die passenden Weine glasweise auf der Offenweinkarte zu finden.

Bei einem zweiten Besuch fühlt man sich bereits einem inneren Kreis zugehörig und nimmt im Gourmetstübli Platz. Hier erfahren die nunmehr Eingeweihten Toblers ungekünstelte Interpretation der grossen Küche. Mit saison- und angebotsabhängigen Frischprodukten läuft er dort zur Hochform auf. Die viel Sachverstand demonstrierende Weinkarte lässt keine Wünsche offen. Sie ist auch erfreulich günstig kalkuliert.

Als «Braui»-Intimus darf sich aber erst wirklich bezeichnen, wer das Glück hat, einen Stuhl am komfortablen Küchentisch aus Kirschbaumholz zu ergattern. Nun beobachtet man die Köche Gregor, Marco und Pascal, die Stiftin Fränzi und den Maestro himself bei der Arbeit. Das Menu ist da bloss eine Richtungsangabe. Auf die Entenleberterrine mit schwarzem Pfeffer auf Kartoffelsalat mit Trüffelvinaigrette, ein Gericht von perfekter Harmonie, folgt – ausser Programm, denn im Périgord ist Trüffelsaison! – ein im Töpfli gegartes flüssiges Ei auf einer Emmentaler-Fonduta mit Trüffeln. Oder vor den scharf angebratenen, lauwarmen Tunfisch auf Wurzelspinat an einer Olivenöl-Zitronen-Emulsion wird etwas Hummer in leckerer Vanillesauce dazwischengeschaltet: Tobler hat gerade frische Vanillestängel aus Tahiti erhalten.

Von vielfältiger Geschmackstiefe sind die Saucen, ein grosser Kessel mit Knochen und Gemüsen ist stets am Blubbern. Zum Nidwaldner Bio-Kalbsrücken mit Topfenpizokeln und Wirsing braucht man deshalb einen Saucenlöffel. Und stark verbessert haben sich die Desserts: Wunderbar gelungen ist das Vanillesoufflé, und der Valrhona-Schokoladenkuchen mit Mandelkrokant und Schoggisorbet schmilzt auf der Zunge schneller als die Gletscher in unseren Alpentälern.

Still und konzentriert wird gearbeitet. Die Köche servieren ihre Gerichte meistens selber und freuen sich sichtlich über Kontakt und Lob. Tobler gibt ab und zu einen Kochtipp oder gar ein Rezept preis. Oder er erkundigt sich nach der Güte der Weine und verrät hochkarätiges Weinwissen. Mit zunehmender Speisefolge wird er gelöster und aufgeräumter und entlässt den einstigen Zögling schliesslich als diplomierten «Braui»-Gänger.

Restaurant Braui

Werner Tobler und Uschi Frapolli, 6280 Hochdorf, Tel. 041 910 16 66, www.restaurantbraui.ch, Menu Fr. 45.– (Brasserie) bis Fr. 106.– (Gourmetstübli), 14 «Gault Millau»-Punkte, samstagmittags, sonntags und montags geschlossen.

Martin Kilchmann ist Weinspezialist und testet für BILANZ regelmässig die guten Restaurants des Landes