Der Weinkenner weiss die beiden Weinbaugebiete Chablis und Chablais auseinanderzuhalten. Gleichwohl hat der zusätzliche Buchstabe A im Wort schon oft zu Verwechslungen geführt. Doch im Gegensatz zum Chablis-Gebiet, der bekannten Weisswein-Appellation mit den nördlichsten Weinbergen des Burgunds (4300 Hektaren), ist die Waadtländer Appellation Chablais mit 592Hektaren ein Zwerg. Zudem kennt sie ausserhalb der Landesgrenzen kaum jemand. Auch verglichen mit der Côte (2007 Hektaren) und dem Lavaux (818 Hektaren), den beiden anderen Waadtländer Weinanbaugebieten am Genfersee, ist das Chablais die kleinste Appellation. Sie beginnt mit der am östlichen Ende des Lac Léman gelegenen Gemeinde Villeneuve, schliesst die auf der rechten Seite der Rhone gelegenen Dörfer Yvorne, Aigle und Ollon mit ein und endet bei Bex an der Kantonsgrenze zum Wallis.

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Im Chablais wachsen die Reben auf den nach Süden ausgerichteten Ausläufern der Voralpen. Wegen dieser Berggipfel fallen hier mehr Niederschläge als anderswo, aber gleichzeitig fördert im Herbst der Föhn die Reife später Spezialitäten. So sind Ollon und Bex vor allem für ihre Rotweine bekannt. Im Chablais ist der Chasselas – nicht zu Unrecht – der König der Rebsorten geblieben. Zu den wohl bekanntesten Chasselas-Weinen gehört der Aigle «Les Murailles» von Henri Badoux, der einst in den Speisewagen der SBB der Renner war und in der Deutschschweiz wegen der auf der Etikette abgebildeten Eidechse bis heute als «Eidechsli-Wy» bezeichnet wird. Mittlerweile bilden insbesondere die Chasselas-Weine von Yvorne, der Nachbargemeinde von Aigle, die Qualitätsspitze des Chablais. Dies hat eine jüngst durchgeführte Blinddegustation der wichtigsten Chasselas-Weine aus dem Chablais gezeigt

Mit einer Rebfläche von 160 Hektaren ist Yvorne die grösste Weinbaugemeinde des Waadtlandes. Im Zentrum steht klar der Chasselas, der von einem vorteilhaften Mikroklima und einem besonderen Terroir profitiert. Seinen zugleich nervigen, kräftigen und ausgeprägten mineralischen Charakter verdanken die Chasselas aus Yvorne den kalkhaltigen Böden und den Geröllaufschüttungen, Überbleibseln des Felssturzes des Massivs des Tour d’Aï, der am 4. März 1584 beinahe das ganze Dorf zerstörte und Dutzende von Menschen in den Tod riss. Doch genau diesem tragischen Unglück verdanken die Weine aus Yvorne ihren eigenständigen Charakter und ihr hohes Ansehen.

Wesentlich zu diesem Ansehen beigetragen hat die 1902 gegründete Genossenschaftskellerei Artisans Vignerons d’Yvorne (AVY), welcher heute rund 120 Mitglieder angehören. Sie verarbeitet die Traubenernte von 55 Hektaren, was einem guten Drittel der Rebfläche von Yvorne entspricht. Dabei steht der Chasselas mit nicht weniger als 85 Prozent der eingekellerten Trauben klar im Vordergrund. Yvorne «Tradition», «Chant des Resses» und der Grand Cru «Optimum» gehören zusammen mit dem Grand Cru des Anfang des 17. Jahrhunderts auf dem Geröllfeld des Bergsturzes erbauten Château Maison Blanche seit Jahren zu den besten und verlässlichsten Werten der Appellation. Auch die Weine der Top-Lage L’Ovaille von Caves Hammel («L’Ovaille 1584») und der Domaine de L’Ovaille, die sich mit der in diesem Frühjahr eingeführten prestigeträchtigen Bezeichnung Premier Grand Cru schmücken, begeistern mit ihren frisch-fruchtigen Aromen wie tiefgründig-mineralischen Noten.

Nicht fehlen in der Aufzählung der erstklassigen Yvorne-Chasselas dürfen ferner die Grands Crus «Clos de L’Ombren» der Cave de la Commune d’Yvorne, der «L’Yvorne» der Domaine de la Pierre Latine sowie der «Clos du Rocher» von Obrist.

Zwar ist das Chablais nicht Chablis, aber wer ausdrucksstarke und alterungsfähige Chasselas-Weine sucht, der wird in der Gemeinde Yvorne eine Reihe hervorragender, eigenständiger Kreszenzen entdecken, die zudem nur einen Bruchteil der eher hochpreisigen Chablis-Gewächse kosten und die als vorzügliche Essensbegleiter nicht nur im Sommer Trinkfreude bereiten.Rudolf Trefzer

Die Weine können direkt bei den Produzenten bestellt werden: www.avy.ch, www.maison-blanche.ch, www.hammel.ch, www.ovaille.ch, www.yvorne.ch, www.pierrelatine.ch, www.obrist.ch.