Wenige Tage vor der französischen Präsidentschaftswahl hat der links-liberale Kandidat Emmanuel Macron seine Favoritenrolle in einer hitzigen Redeschlacht gegen seine rechtsradikale Rivalin Marine Le Pen untermauert. Nach Meinung der Zuschauer entschied der unabhängige Kandidat das von Millionen Wählern verfolgte letzte TV-Duell am Mittwochabend für sich. Vor der Stichwahl am Sonntag überzogen sich beide mit Vorwürfen, den Franzosen weder in der Wirtschafts- noch in der Sicherheitspolitik Lösungen anzubieten. Le Pen nannte Macron einen «hämischen Banker», der für «wilde Globalisierung» stehe. Macron konterte, Le Pen spalte das Land und gehe damit radikalen Islamisten auf den Leim.

Wegen der hohen Zahl noch unentschlossener Wähler galt das TV-Duell als mitentscheidend für den Wahlausgang. Nach einer Umfrage des Instituts Elabe fanden 63 Prozent der Befragten Macron in der Fernsehdiskussion überzeugender als Le Pen. Auch in den Wahlumfragen lag er zuletzt mit etwa 60 Prozent vorn. Allerdings hatten Wahlforscher geschätzt, dass noch rund 15 Prozent der 47 Millionen Wahlberechtigten unentschieden sind.

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«Sie erzählen Unsinn»

Die zur besten Sendezeit übertragene TV-Debatte eröffnete Le Pen mit einem harten Angriff auf den Ex-Wirtschaftsminister, der früher für die Investmentbank Rothschild gearbeitet hatte. Sie warf ihm vor, in seiner Amtszeit unter dem scheidenden sozialistischen Präsidenten Francois Hollande französische Unternehmen ans Ausland verscherbelt zu haben. Macron stehe für «soziale Brutalität», sie selbst sei die Kandidatin des Volkes.

Macron wies die Anschuldigungen zurück und warf Le Pen seinerseits vor, keine tauglichen Vorschläge zu machen, wie die Arbeitslosigkeit verringert werden könne: «Sie erzählen Unsinn.» Auch in der Sozialpolitik habe sie nichts zu bieten. So kosteten alleine ihre Rentenpläne 30 Milliarden Euro: «Das ist nicht zu finanzieren.» Le Pen zeige ausserdem, dass sie nicht gerade «die Kandidatin des Feingeistes» sei. Sie trage nicht nur den Namen ihres Vaters, des umstrittenen Gründers des Front National, Jean-Marie Le Pen, sondern habe diesen auch politisch beerbt.

Uneins bei der Ausländer- und Sicherheitspolitik

Heftig aneinander gerieten die beiden auch in der Ausländer- und Sicherheitspolitik. Le Pen warf Macron vor, islamischem Fundamentalismus Vorschub zu leisten. Macron konterte, Le Pen verunglimpfe Menschen wegen ihrer Religion und ihrer Herkunft. Als Präsident und Oberbefehlshaber werde er unerbittlich gegen Islamisten vorgehen. Le Pen dagegen gehe den Islamisten in die Falle, die Frankreich in einen Bürgerkrieg stürzen wollten.

Sie erwiderte auf den Vorwurf, sie wolle die Gesellschaft spalten: «Das ist doch immer die alte Litanei.» Bei Anschlägen sind in Frankreich seit 2015 mehr als 230 Menschen gestorben.

«Hohepriesterin der Angst»

Macron hatte die erste Runde der Präsidentschaftswahl am 23. April, in der elf Kandidaten angetreten waren, mit einem Vorsprung von drei Punkten vor Le Pen gewonnen. In der zweiten Runde wird er vom unterlegenen konservativen Kandidaten Francois Fillon und dem ebenfalls ausgeschiedene Sozialisten Benoit Hamon unterstützt. Er kann einer Umfrage zufolge auch auf die Stimmen von einem Drittel der Anhänger des radikalen Linken Jean-Luc Melenchon zählen. Allerdings wollen zwei Drittel der Melenchon-Anhänger ungültig oder gar nicht wählen. Auch im Fillon-Lager wissen viele Wähler nicht, wem sie am Ende ihre Stimme geben.

Angesichts der Unsicherheiten sind die Finanzmärkte nervös. Für den Fall einer Niederlage Macrons fürchten viele Anleger den Anfang vom Ende der Euro-Zone. Le Pen hatte angekündigt, das Land aus der Euro-Zone führen zu wollen. In der Debatte sagte sie, der Euro sei «die Währung der Banker und nicht des Volkes». Macron nannte sie eine «Hohepriesterin der Angst». Ein Austritt aus dem Euro würde fatale Folgen haben.

Macron könnte sich auf Parlamentmehrheit stützen

Sollte Macron gewinnen, kann er auch auf starken Rückhalt im Parlament hoffen: Aus der im Juni anstehenden Wahl wird seine Bewegung «En Marche» einer Umfrage im Auftrag von «Les Echos» und Reuters zufolge als stärkste Kraft hervorgehen. Sie dürfte zwischen 249 und 286 Sitze erringen, die Konservativen nur 200 bis 210. Le Pens Front National kann auf bis zu 25 Sitze hoffen.

Für den Fall, dass sie Präsidentin wird und ihre Partei bei der Parlamentswahl im Juni nicht die Mehrheit erringt, hat Le Pen offenbar schon vorgesorgt. Dann müsse eben ein neues Wahlrecht her und anschliessend abermals gewählt werden, gab der Front National-Funktionär Gilles Lebreton gegenüber der Zeitung «Le Canard Enchaine» zu verstehen. Durch das Wahlsystem mit seinen zwei Runden hatte der FN 2014 nur zwei Mandate erhalten, obwohl die Partei landesweit ein Viertel der Stimmen bekam.

Le Pens Vater Jean Marie hatte es 2002 überraschend in die Stichwahl gegen den späteren Präsidenten Jacques Chirac geschafft. Der Konservative hatte ein ein TV-Duell mit Le Pen abgelehnt. Es sei unmöglich, eine Debatte «gegen Intoleranz und Hass» zu führen, hatte Chirac damals argumentiert und gesiegt.

(reuters/ccr)

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