Anlässlich des theatralischen Auftritts von US-Präsident Donald Trump am Liberation Day im April war die Welt noch geschockt. Trump würde mit seinen Zöllen das Fundament des regelbasierten Welthandelssystems zerstören, und die angedrohten Zölle seien ökonomischer Irrsinn. Mit seiner Executive Order vom 31. Juli kann Trump nun den Abschluss der ersten Verhandlungsrunde als Erfolg für sich verbuchen. Finanzminister Scott Bessent stellt befriedigt fest: «Trump hat die wirtschaftlichen Verhältnisse der Welt gegenüber China auf den Kopf gestellt» – und den Rest der Welt wieder rasch hinter den Vereinigten Staaten versammelt. Tatsächlich stehen China und die ihm zugewandten Staaten nun einer soliden, von den USA geführten Allianz gegenüber – mit der EU als wichtigem Mitglied.

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Was auch immer die Gründe sind, weshalb es der Schweiz nicht auf Anhieb gelungen ist, mit den USA ebenfalls eine Verständigung zu erzielen: Die Schweiz war und ist in dieser geopolitischen Neuordnung des globalen Handels- und Finanzsystems besonders exponiert.

Der Gastautor

Boris Zürcher war bis Ende 2024 Direktor für Arbeit beim Seco und ist regelmässig Gastautor der Handelszeitung.

Seit der Jahrtausendwende haben sich die Exporte der Schweiz von rund 240 Milliarden Franken auf heute knapp 600 Milliarden mehr als verdoppelt. Der Anteil am BIP ist im selben Zeitraum von rund 50 Prozent auf mittlerweile über 70 Prozent gestiegen. Damit übersteigen die Exporte den inländischen Endkonsum als verwendungsseitig üblicherweise grösstes Aggregat der nationalen Buchhaltung. Die oft als Appell verstandene Aussage, wir verdienten jeden zweiten Franken im Ausland und müssten daher dem Exportsektor Sorge tragen, erweist sich angesichts dieser Zahlen als glatte Untertreibung. Es sind eher drei Viertel eines Frankens, die wir im Ausland verdienen. Das kann durchaus Anlass zu Stolz sein, zumal wir einen hoch kompetitiven und hochproduktiven Exportsektor haben, der wesentlich auf unserem Fleiss und unserer Innovationskraft beruht. Aus einer Risikoperspektive kann dies jedoch auch dahingehend interpretiert werden, dass unsere Volkswirtschaft «merkantil überdehnt» ist.

Denn die Einnahmen aus den Exporten übersteigen schon lange unsere Aufwendungen für die Importe. Parallel zur Exportleistung hat sich nämlich auch der Leistungsbilanzüberschuss der Schweiz über das vergangene Vierteljahrhundert mehr als verdoppelt – von schon damals hohen 5 auf mittlerweile sehr hohe 10 Prozent des BIP. Damit ist die Schweiz wie nur wenige Länder der Welt stark von der ausländischen Nachfrage abhängig. Dabei war das nicht immer so. Noch bis zu Beginn der 1990er-Jahre wies die Schweiz eine ziemlich ausgeglichene Leistungsbilanz auf. Die Exporte von Waren und Dienstleistungen hielten sich mit den Importen ungefähr die Waage. Erst die Globalisierung und der Siegeszug des Freihandels nach dem Mauerfall machten diese beträchtlichen Leistungsbilanzüberschüsse möglich.

Deren absolutes Ausmass im globalen Kontext erlaubt es der Schweiz noch, unter dem Radar zu segeln, auch wenn die Überschüsse gemessen am Schweizer BIP erheblich sind. Mit einzelnen Ländern sind die Leistungsbilanzüberschüsse jedoch sehr bedeutsam. Vor allem mit China, dem drittwichtigsten Handelspartner der Schweiz nach der EU und den USA, ist dies der Fall. Wenn die USA China zudem als ihren grössten Rivalen in ökonomischer, technologischer und militärischer Hinsicht bezeichnen, birgt die im Schweizer Freihandelsabkommen mit China genannte Zielsetzung eines vertieften Austausches in den Bereichen Bildung, Forschung und Innovation zusätzliches Konfliktpotenzial. Nicht vergessen werden sollte, dass Länder mit Leistungsbilanzüberschüssen immer am kürzeren Hebel sitzen. Auffallend ist zudem, dass vor allem die BRICS-Staaten mit hohen Zöllen belegt wurden, darunter ausgerechnet Indien und Brasilien, mit denen die Schweiz jüngst ein Freihandelsabkommen abgeschlossen hat beziehungsweise kurz davor steht, eines abzuschliessen.

Wer nun fordert, die Schweiz solle sich verlässlichere Partner als die USA suchen, gibt sich gefährlichen Illusionen hin und könnte sich plötzlich auf der geopolitisch falschen Seite wiederfinden. An den USA führt kein Weg vorbei. Es gibt keinen verlässlicheren Partner für die Schweiz als die USA. Die EU kann deren Rolle für uns nicht ersetzen. Ein Arrangement ist dringend nötig, verbunden mit mehr Bescheidenheit und Demut. Wir müssen auch verstehen, dass es in der geopolitischen Neuordnung nicht mehr nur um ökonomische Effizienz und Wohlstandsgewinne geht, sondern wesentlich auch um sicherheitspolitische Anliegen. Und wer schliesslich glaubt, Präsident Trump aussitzen zu können in der Hoffnung, dass sich dann alles wieder zum Alten kehrt, muss sich auf ein sehr langes Warten einstellen.