Im Januar 2017 stapfte Xi Jingping durch den knietiefen Davoser Schnee und eröffnete mit einer viel beachteten Rede das WEF. Die damalige Bundespräsidentin (Doris Leuthard) war angetan vom starken Mann aus China und die internationale Presse jubilierte. «Xi, der Anti-Trump», frohlockte das deutsche «Handelsblatt». Und der «Blick» fragte verwundert: «Sind Kommunisten die besseren Kapitalisten?»

Heute, fünf Jahre, später tönt es ganz anders: China verletzt Menschenrechte, verschmutzt die Umwelt, baut Atombomben, betreibt Arbeitslager, treibt Länder in die Schuldenabhängigkeit.
Was ist geschehen?

Die simple Antwort: Der Mann aus Peking war nie ein Globalist, der als Erstes nach einvernehmlichen multilateralen Lösungen strebt. War nie ein Demokrat, und schon gar nicht war er je ein Kapitalist, der auf freie Märkte und fairen Wettbewerb setzte. Doch er bot sich im Winter 2017 mit seinem Davos-Auftritt vielen vortrefflich als Alternative zu Donald Trump an, dem verhassten Rabauken aus dem Weissen Haus. Das genügte offenkundig, um Davos-Fahrer Xi als neuen Heilsbringer der Welt zu bejubeln.

Und heute finden dieselben Leute Xi Jinping und sein Politbüro eine Bedrohung für die Welt. Doch er ist deswegen noch lange nicht der Hasardeur, der sein Land in einen Krieg um Taiwan drängt und auf eine Politik der verbrannten Erde setzt. Er ist vielmehr getrieben von wirtschaftlichen Ambitionen im eigenen Land, das ihm die einzige Legitimation für seinen schier grenzenlosen Machtanspruch liefert. China first – nach America first, lautet die Devise.

In dieser Diktion forderte er am US-China-Gipfel Anfang Woche Joe Biden auf, ihre beiden Ozeanriesen «gegen Wind und Wellen» auf Kurs zu halten und vorwärts zu bewegen. Damit findet er sich mit dem Demokraten aus Delaware, der Xis Botschaft zweifellos verstand. In diesem mitunter unübersichtlichen Gerangel der beiden Grossmächte tut sich die Schweiz zunehmend schwer, einen konsistenten Kurs im Umgang mit diesem 1,4-Milliarden-Reich zu finden.

Das gilt zuvorderst für die hohe Politik, die mit Grundsatzpapieren versucht, die Komplexität von Seidenstrasse bis Menschenrechte einzufangen und daraus eine Strategie abzuleiten. Das ist schier unlösbar und führt letztlich zum wenig spektakulären Weg der konstruktiven Kollaboration, die auf Missstände und Menschenrechtsverletzungen hinweist und gleichzeitig nach tragbaren Lösungen sucht. Im Volksmund als Durchwursteln bekannt.

Und für Schweizer Firmen ist und bleibt China jener Absatzmarkt, der ganz viele Hoffnungen weckt und gelegentlich in Frustration mündet. Was hilft, sind langjährige Beziehungen, Kontakte und Regulatoren wie jene der WTO. Vor allem aber hilft es beiden, Politik wie Wirtschaft, wenn sie schleunigst ihr Wissen vertiefen über diesen ungestümen Giganten aus Asien, der uns auch in Zukunft Wachstum bescheren soll. Damit wir möglichst bald zu einem realistischen Bild und einem ebensolchen Umgang finden.

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