Die nächsten zwei Parlamentssessionen stehen im Zeichen des Sparens und der Schuldenbremse. Mit dem «Entlastungsprogramm 2027» will der Bundesrat bis 2028 rund 3 Milliarden Franken jährlich sparen. Das Sparprogramm wurde zuvor von einer Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von Serge Gaillard ausgearbeitet. Der Bundesratsantrag enthält rund sechzig Kürzungsvorschläge, wovon die Hälfte eine Gesetzesänderung, zusammengefasst in einem Mantelerlass, erfordert. Es ist unmöglich, alle eingebrachten Referendumsdrohungen zu überblicken – von der FDP, den Grünen und der SP bis zu den Kantonen, Bauern und Uni-Studenten.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Der Elefant im Raum ist die Schuldenbremse. Sie ist 2001 mit 85 Prozent Ja-Stimmenanteil in der Verfassung verankert worden und enthielt anfänglich flexible Spielräume, die 2010 und 2022 durch Verschärfungen eingegrenzt worden sind.

Die Schuldenbremse hat heute ein Vertrauensproblem, nicht nur bei den Linken, sondern auch bei Bürgerlichen und Kantonen. Der Grund ist ihre Zielungenauigkeit: Jahr für Jahr feilschen und entzweien sich die Parlamentarier in der Dezembersession um Sparmillionen und Bagatellmilliönchen beim Budget, um der Vorgabe der Schuldenbremse zu genügen. Doch anderthalb Jahre später zeigen sich «nicht vorgesehene» Rechnungsüberschüsse, heute vor allem durch systemische Überbudgetierung der Ausgaben durch die Bundesämter und Departemente. Jedes Amt will sich eine Reserve sichern.

Allein von 2010 bis 2024 gab es in 12 von 15 Jahren nicht budgetierte Überschüsse in Abweichung der Schuldenbremse. Meist resultierten 1 bis 2 Milliarden Franken Überschuss. Einzig in den zwei Corona-Jahren 2020 und 2022 sowie 2014 gab es nicht budgetierte Defizite. In diesen 15 Jahren resultierten insgesamt Überschüsse in der Höhe von netto 21 Milliarden Franken, die zur Schuldentilgung eingesetzt wurden. Deswegen kommen von der Wissenschaft, aber auch aus allen politischen Ecken (Armee, Klima, Bahnen, Sozialpolitik) Rufe nach einer flexibleren Gestaltung der Schuldenbremse zugunsten eines Ausgebens von vorherigen Überschüssen.

Der Gastautor

Rudolf Strahm ist ehemaliger Preisüberwacher und Ex-SP-Nationalrat.

Die Schuldenbremse ist unentbehrlich. Sie ist bei uns intelligenter konstruiert als diejenige in Deutschland. Sie lässt ausserordentliche Ausgaben zu wie in den Corona-Jahren oder für die Ukraine-Flüchtlinge. In der Schweiz haben wir zudem separat finanzierte Infrastrukturfonds, etwa den Bahninfrastrukturfonds BIF und den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds NAF, oder auch Tresoreriedarlehen, die eine verstetigte Infrastrukturerneuerung erlauben. Hätten wir nicht diese Sonderfinanzierungen ausserhalb der Schuldenbremse, hätten wir deutsche Verhältnisse mit ihren lamentablen, veralteten Bahn- und Strasseninfrastrukturen zu beklagen!

Wie die Sonntagspresse unbestätigt berichtet hat, soll der Bundesrat nun einen Vorentscheid zur Lockerung der Schuldenbremse zugunsten der Rüstungserfordernisse gefällt haben. Die Verteidigungsministerien Viola Amherd ist mit ihrem Vorpreschen noch gescheitert, aber ihr Nachfolger Martin Pfister scheint jetzt Erfolg zu haben.

Welche Möglichkeiten würden bestehen, um zugunsten höherer Ausgaben für die Rüstung (oder weitere Investitionen) die Schuldenbremse zu umgehen? Rein konzeptionell wären drei Wege offen:

  • Erstens wäre eine Sonderfinanzierung mit einer zweckgebundenen Zusatzsteuer für eine Art «Rüstungsfonds», zum Beispiel mit einem befristeten Mehrwertsteuerzuschlag, möglich. Allerdings wäre dazu eine Verfassungsabstimmung nötig.
  • Zweitens könnten Mittel aus dem Ausgleichskonto, welches die Saldi aus dem Schuldenbremsenregime ausgleicht, zugunsten der Armee umgewidmet werden, was vermutlich eine Gesetzesänderung erfordern würde.
  • Drittens könnte eine Praxisänderung durch Einsatz der (üblichen) Kreditreste den Spielraum des Parlaments um 1 Milliarde Franken pro Jahr oder mehr erweitern. Es wäre ein «Zurück zum Ursprung» der Schuldenbremse, wie sie vor der Verschärfung von 2010 konzipiert war. Die Ständerätin und frühere Basler Finanzdirektorin Eva Herzog hat diese sanfte Lösung mit dem Support namhafter Finanzprofessoren beantragt.

Eine langfristige Schuldenrückzahlung aus Bilanzüberschüssen ist sinnvoll. Doch es ist derzeit unklug, die ohnehin tiefe Staatsschuldenquote des Bundes mit einer starren, unflexiblen Budgetformel weiter zu reduzieren. Ohne etwas mehr Flexibilität droht dem vielseitig referendumsgefährdeten Entlastungspaket der Absturz.

Schade, dass die pragmatische Expertenkommission Gaillard nicht den Auftrag und den Mut hatte, auch zur erstarrten Schuldenbremse sinnvolle Vorschläge zu präsentieren. Das würde den Schwund des Vertrauens in sie korrigieren.