Das Gefühl von Schulden mag niemand. Sie sind mehr als nur eine finanzielle Belastung – sie hinterlassen ein unbehagliches Gefühl, das man möglichst schnell loswerden möchte. Ob es das Abendessen ist, das der Kollege vorbezahlt hat, der Kredit für das Familienauto oder die Hypothek fürs Eigenheim: Der natürliche Instinkt ist, Schulden so schnell wie möglich abzuzahlen – und endlich wieder frei zu sein.
In der Schweiz allerdings wird beim Immobilienbesitz nicht die Tilgung der Schulden belohnt, sondern die Verschuldung. Wer ein Eigenheim bewohnt, muss zwar einen Mietwert versteuern, weil man theoretisch einen Mietertrag erzielen könnte. Vom sogenannten Naturaleinkommen ist die Rede. Gleichzeitig kann man aber seine Hypothekarzinsen von den Steuern abziehen. Je höher die Schulden, desto grösser der Steuerabzug. Das alleine setzt einen falschen Anreiz zur Kreditfinanzierung.
Denn eigentlich ist die Grundidee für viele beim Hauskauf simpel: Man investiert Geld, nimmt eine Hypothek auf und zahlt Zinsen – meistens mit dem Ziel, danach mietfrei zu wohnen. Die Amortisation des Kredits und der Zinsen wird bereits als «Mietkosten» wahrgenommen. Warum soll man zusätzlich noch einen Mietertrag für das eigene Haus berappen? Auch für andere Sachvermögen bezahlen wir keine Nutzungsgebühr, ob wir sie nun mit oder ohne Schulden finanziert haben.
Dazu stehen die Hypothekarzinsen sowie der Eigenmietwert in steuerlicher Konkurrenz: Liegen die Zinsen über 3 Prozent – was sie bis zur Finanzkrise taten –, können hoch verschuldete Hausbesitzer durch den Zinsabzug mehr Steuern sparen, als sie an Eigenmietwert bezahlen. Heute jedoch zahlen die allermeisten Eigenbesitzer durch dieses fiktive Einkommen drauf. Damit bestraft das Steuersystem diejenigen, die Schulden begleichen. Das führt zu absurden Anreizen: Wer sich verschuldet, profitiert; wer seine Hypothek abbezahlt, ist der Dumme!
Die Gegenreaktion auf diese Aussage ist oft die Behauptung, es würden nur die Reichen profitieren – genauer: der pensionierte Eigenheimbesitzer, der nun weniger Steuern bezahlen muss. Er verkam zum Feindbild Nummer eins der Schweiz. Dass aber auch Pensionärinnen mit kleiner Rente Mühe bekunden, ihre Steuern zu bezahlen, wird gerne übersehen. Klar, ihr Vermögen ist im Haus gebunden. Doch das generiert keinen Ertrag, wie das beispielsweise Aktien mit Dividenden tun, womit die Mehrkosten bezahlt werden könnten.
Der Eigenmietwert wurde im Jahr 1934 eingeführt. Es ist ein alter Zopf. Jetzt ist es an der Zeit, dieses als fiktiv wahrgenommene Einkommen zu streichen und im Gegenzug auch auf einen Teil des Abzugs bei den Hypothekarzinsen zu verzichten. Es ist die letzte Chance: Wenn es dieses Mal nicht gelingt, gelingt es nie.


6 Kommentare
Es geht nicht um "Schulden machen, um Steuern zu sparen", sondern Schulden nicht "amortisieren" da dies aktuell nicht attraktiv ist.
Wenn die Zinsen höher werden, dann ist es auch wieder nicht attraktiv, weil es sich mit Eigenmietwert auch wieder negativ auf die Steuer(abzüge) auswirkt. Mit aktuellem System ist es somit (steuertechnisch) nie attraktiv, Schulden (auch sonstige) zu verringern, da sich Schulden "positiv" auf die Steuern auswirken. Und dies vor allem auch bei Höherverdienenden, die eigentlich genug Geld hätten, ihre Schulden frühzeitig zu reduzieren, damit sie später (wenn sie vielleicht nicht mehr genug liquide Mittel haben) keine Tragbarkeitsprobleme haben
Das Eigenheim wird nicht nur auf der Einkommensseite versteuert, sondern auch noch beim Vermögen. Darum sieht die Verschuldung nochmals anders aus. Auf diesen Punkt wird in den ganzen Diskussionen gar nicht eingegangen.
Das hätte mal schon viel früher machen sollen, wer kann heute seine Hypothekschulden noch zurück zahlen bei den Immopreisen!
Ich sehe nur Nachteile junge Leute die ein älteres, noch bezahlbares Haus kaufen, können die Renovationskosten nicht mehr abziehen!
Grundeigentümer, die wenig Eigenkapital haben, machen nicht aus Freude Schulden. Sondern, weil sie ohne eine grosse Hypothek das Haus oder die Wohnung nicht kaufen können.