Im Sommer 2015 zündete die Sendung «Panorama» in Peru eine politische Bombe. Die Journalisten kamen in den Besitz von persönlichen Notizbüchern der Gattin des damaligen linksnationalistischen Präsidenten Ollanta Humala. Nadine Heredia Alarcón war Perus First Lady von 2011 bis Juli 2016 und führte über dubiose Geldtransfers, wirtschaftliche Deals und diskrete «Bearbeitungen» von Richtern und hohen Beamten peinlichst genau Buch. Die Kontakte tarnte sie mit Pseudonymen.

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Der Aufschrei in der Öffentlichkeit und der Opposition aus dem rechten Lager war gross, Heredia Alarcón behauptete via Twitter umgehend, die Journalisten seien einer Fälschung aufgesessen. Monatelang blieb sie bei ihrer Version, bis sie dann im November 2015 doch zugeben musste, dass die verdächtigen Notizbücher tatsächlich ihr gehörten.

Verräterische E-Mails

Am 3. Mai 2016 hat eine parlamentarische Untersuchungskommission, die «Comisión de Fiscalización y Contraloría», ihren Bericht zur als «Nadinegate» bekannten Affäre vorgelegt. Auf fast 300 Seiten wird detailliert nachgezeichnet, wie Nadine Heredia Gelder kreuz und quer verschob und mit wem sie alles Kontakte knüpfte. Etwa auch zu Personen, die im brasilianischen Korruptionsfall «Lava Jato» um die Firmen Odebrecht und Petrobras Hauptrollen spielten.

Im Report, der handelszeitung.ch vorliegt (siehe Downloads), spielen auch drei Schweizer Banken eine Rolle: die UBS sowie die Postfinance und die Berner Kantonalbank BEKB.

Wie schaffen es die bodenständigen Berner Banker in eine Staatsaffäre Südamerikas? Es geht um Familie: Präsident Ollanta Humala hat in der Schweiz eine Schwester namens Ivoska Humala-Seiffert, die seit Jahren hier lebt, sogar in den Solothurner Kantonsratswahlen für die CVP kandidierte. Über ihre Konten liefen offenbar Gelder der First Lady. Die Botschafterin Perus in Frankreich – eine persönliche Freundin des Präsidentenpaars – hat die Summen übermittelt. Das zeigt ein verräterischer E-Mail-Verkehr, der im Untersuchungsbericht aufgeführt ist und in der peruanischen Presse publiziert wurde. Zuerst behauptete der Anwalt der First Lady zu bester TV-Sendezeit, die E-Mails seien gefälscht. Danach stellte sich heraus: Der Inhalt stimmt.

«Vorsicht» wegen Steuer-«Problemen»

Die First Lady informierte sich bei ihrer Schwägerin in der Schweiz, ob die alles Nötige bei den hiesigen Banken in die Wege geleitet hätte. Ivoska Humala-Seiffert schrieb zurück: «Hier die Nummern. Das Geld ist auf den Konten und dem Safe.» In einer anderen E-Mail schickte sie Kontoauszüge nach Lima.

Ivoska Seiffert schrieb der First Lady Natalie Heredia obendrein per E-Mail, sie müsse «vorsichtig» vorgehen, denn es könnte «Probleme» mit den Steuerbehörden geben. Darum würde die Botschafterin aus Frankreich die Gelder «persönlich» vorbeibringen. Der Botschafterin gab Heredia in ihren Notizbüchern das Pseudonym «Christie». Dabei handelt es sich um Cristina Niceta Velita Arroyo de Laboureix, die, so zeigte der Bericht der Untersuchungskommission, nicht nur widerrechtlich zur Botschafterin ernannt wurde, sondern auch noch als Geldbotin der Primera Dama fungierte.

Ivoska Seiffert-Humala und die Botschafterin wurden von der parlamentarischen Untersuchungskommission diesen März zu einem Hearing vorgeladen. Sie sind der Aufforderung nicht nachgekommen.

Führten die Banken ihre Kundin als PEP?

Die BEKB und Postfinance geben sich zum Fall bedeckt. Die Kundenbeziehungen würden wegen des Bankgeheimnisses weder bestätigt noch dementiert. Bei begründeten Verdachtsmomenten erstatte man Meldung bei der zuständigen Behörde, meinte ein BEKB-Sprecher. Ob die Banken Ivoska Humala-Seiffert als politisch exponierte Person (PEP) behandelten, was besondere Vorsicht geboten hätte, wollten die Banken ebenfalls nicht beantworten. Als Schwester des peruanischen Präsidenten war sie zweifelsohne eine PEP. Dass sie Verbindungen in höchste Kreise Perus hatte, ist seit Jahren öffentlich bekannt.

Ein Postfinance-Sprecher sagte, Hinweise, die zu einer risikobehafteten Geschäftsbeziehungen führen, könnten sich auch im Laufe der Zeit ergeben. Sind die Risiken einer Geschäftsbeziehung nicht mehr vertretbar, könne man die entsprechenden Geschäftsbeziehungen auflösen. Ivoska Humala-Seiffert war für handelszeitung.ch nicht erreichbar. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Überfall im Kanton Solothurn

Welche Ausmasse die halbseidenen Geschehnisse annehmen, zeigt eine Meldung der Kantonspolizei Solothurn, die bisher in Peru noch nicht beachtet wurde, aber wohl bald für Schlagzeilen sorgen wird. In der Medienmitteilung von diesem Mittwoch heisst es: «Im Zuge aufwändiger Ermittlungen wurden zwei Männer im Ausland festgenommen, die beschuldigt werden, im Mai zwei Frauen in Oberdorf überfallen und gefesselt zu haben.» Die Zugriffe erfolgten in Deutschland und Italien. Es handelt sich um einen Peruaner und einen Kubaner.

Was ist geschehen? Bei den Opfern des Überfalls handelt es sich um Ivoska Seiffert-Humala und ihre Tochter. Im Mai wurden sie von zwei Spanisch sprechenden Männern an ihrem Wohnort in der Schweiz überfallen. Sie fesselten die Frau und ihre Tochter und durchsuchten die Wohnung. Die Männer fuhren in einem Auto vor, das ein französisches Kennzeichen hatte. Die Meldung vom Mai sorgte in Peru für grosses Aufsehen.

Mysteriöser Todesfall eines Schweizers

Denn es gibt einen weiteren mysteriösen Vorfall: In Lima starb im Februar ein Schweizer. Seine Leiche wurde erst im März nach über 30 Tagen identifiziert. Es ist Daniel Seiffert-Humala – der Sohn von Ivoska. Zuerst dachte man, er sei bei einem Autounfall gestorben. Inzwischen zweifeln die Behörden an dieser Version.

Was genau zwischen seinem Hotelbesuch mit zwei Damen vorgefallen ist, bis er zusammengebrochen auf einer Strasse von Polizisten zu einem Spital geführt wurde, ist bis heute nicht restlos geklärt.

Reportage zum Todesfall in Lima: