Mit der Lebenserwartung steigt auch der Lebenskonsum. Mehr konsumieren können wir aber nur, wenn wir auch mehr produzieren. Das wiederum geht nur, wenn wir länger arbeiten.

Die «Altersvorsorge 2020» bewirkt das Gegenteil. Sie senkt die Arbeitsanreize von Alt und Jung, indem sie den AHV-Freibetrag ab 65 aufhebt, den Rentenaufschub unattraktiver und den Rentenvorbezug attraktiver macht, und die Abgabenbelastung der Jungen erhöht. Deshalb brauchen wir unabhängig vom Abstimmungsausgang schnell eine neue, intelligentere Reform.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Viele sehen als einzige Lösung eine allgemeine Erhöhung des Rentenalters, also Zwang und Druck zu Altersarbeit. Wir glauben eine viel bessere Alternative zu kennen: Unser dreiteiliger Reformvorschlag erschliesst das riesige Potential der Alten, indem er ihnen wirksame Anreize gibt, freiwillig länger zu arbeiten.

Rentenaufschub mit Beitragsrabatt

Er bringt eine neue, wirksame Art der Flexibilisierung des Rentenalters. Heute sowie mit „Altersvorsorge 2020“ besteht die Flexibilität darin, dass man den Rentenbezug aufschieben kann, um später eine höhere Rente zu erhalten. Das Modell ist aber völlig unattraktiv und lohnt sich nur, wenn man sehr alt wird. Deshalb wird es kaum genützt. In unserem Vorschlag erhalten diejenigen, die den Rentenbezug aufschieben, die normale Rente, aber dafür einen Rabatt auf die Beiträge an die 1. und 2. Säule.

So könnte man Arbeitnehmern, die mit 55 entscheiden, «erst» mit 67 in Rente gehen zu wollen, von 55 bis 67 die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge für die 1. und 2. Säule grob geschätzt halbieren, oder die Arbeitnehmerbeiträge ganz erlassen! Der schlagende Effekt rührt daher, dass sie bei einer bedingten Lebenserwartung von 85 Jahren neu noch 12 statt 10 Beitragsjahre sowie nur 18 statt 20 Rentenjahre vor sich haben, und ein grosser Teil ihres Rentenkapitals mit 55 schon gebildet ist. So würde Arbeit bis 67 wohl bald und ganz freiwillig üblich.

Teilbesteuerung von Altersarbeit

Sie gibt den Alten starke Anreize, auch während des Rentenbezugs zu arbeiten. Heute ist es für Rentner unattraktiv zu arbeiten, weil Arbeitseinkommen zur Rente hinzugezählt und so infolge Steuerprogression hoch besteuert wird. Mit den weiterhin anfallenden AHV-Beiträgen zahlen Rentner auf Arbeitseinkommen oft 40 bis gut 50 Prozent Steuern und Abgaben. Folglich ist die Problemlösung denkbar einfach: Die Steuern und Abgaben auf Einkommen aus Arbeit über einem gewissen Alter, z.B. 67, sollte stark gesenkt, idealerweise halbiert werden.

Steuermehreinnahmen für Altersvorsorge

Mit unserem Modell arbeiten viele Alte freiwillig länger als heute und zahlen so insgesamt weit mehr Einkommens-, Vermögens- und Mehrwertsteuern als bisher. Diese Steuermehreinnahmen sollten nicht einfach in die allgemeine Staatskasse fliessen und so das Staatswachstum antreiben, sondern gezielt die Altersvorsorge stärken. So würde unsere Reform dann allen nützen: den langarbeitenden Alten, den Arbeitgebern, den normalarbeitenden Alten sowie den Jungen!

Die regelmässig gegen mehr Altersarbeit angeführten Argumente sind hinfällig. Besonders prominent und falsch sind folgende zwei:

«Ältere Arbeitnehmer sind unflexibel und weniger produktiv und deshalb für Arbeitgeber unattraktiv.» Für die sinkende Produktivität im Alter ist weniger das biologische Alter als die Länge der Restlaufzeit bis zur Pensionierung verantwortlich. Je näher die sichere Pensionierung eines Arbeitnehmers rückt, desto weniger lohnt es sich für sie selbst, ihre Arbeitgeber und ihre Arbeitskollegen, in ihre Produktivität zu investieren und sie zu unterstützen. Mit der Erhöhung der erwarteten Verweildauer im Arbeitsmarkt wachsen deshalb die Produktivität der älteren Arbeitnehmer und ihre Attraktivität für die Arbeitgeber.

Alte an die Arbeit!

«Es gibt gar keine Jobs für die Alten.» Das Hauptproblem der Überalterung ist ja gerade, dass sie zu Arbeitskräftemangel führt, weil die das Zahlenverhältnis von Arbeitenden zu Pensionierten verschlechtert. Der behauptete Arbeitsplatzmangel steht auch im Widerspruch zum stereotypen Ruf vieler Politiker und Wirtschaftsvertreter nach Zuwanderung zur Linderung des Arbeitskräftemangels.

Zusammengefasst ist somit klar: Je mehr Alte arbeiten, desto wettbewerbsfähiger wird die Volkswirtschaft und desto mehr Jobs für Alte und Junge werden geschaffen. Folglich gilt: Alte an die Arbeit!

*Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Fribourg und Forschungsdirektor von CREMA – Center for Research in Economics, Management and the Arts. Ann Barbara Bauer ist Assistentin am Lehrstuhl für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik der Universität Fribourg. Sie forscht über endogene, vom Pensionsalter getriebene Alterung.

Jeden Tag veröffentlicht die «Handelszeitung» in dieser Woche einen Kommentar zur anstehenden Abstimmung über die Altersvorsorge 2020. Bereits veröffentlicht: