In der Schweiz herrscht ein tiefer Stadt-Land-Graben. Das zeigen Abstimmungen und Wahlen. Viele glauben, die Städterinnen und Städter seien moderner und fortschrittlicher. Falsch. Sie sind nur weniger realistisch.

Realismus setzt vor allem eines voraus: Kostenwahrheit. Sie veranlasst die Menschen zu verantwortungsvollem Verhalten. In der Politik ist Kostenwahrheit rar, weil alles von allen finanziert wird. Für Städterinnen und Städter ist Kostenwahrheit besonders rar. Dazu drei Beispiele.

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Reiner Eichenberger ist ordentlicher Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Forschungsdirektor des Instituts Crema.

CO2-Gesetz: Es hätte die Wohnkosten stark erhöht. In einem freien Immobilienmarkt trifft das alle Nutzerinnen und Nutzer. In den Städten mit ihrem hohen Anteil an geschützten Mietverhältnissen durch öffentlichen Besitz und Regulierung wären die Kosten zu einem guten Teil nicht von der Mieterschaft, sondern von den Hauseigentümern und der Allgemeinheit getragen worden. Entsprechend billig war es für viele Städter, für das verunglückte CO2-Gesetz zu stimmen.

Verkehr: Über alle relevanten Kostenkategorien – Umwelt, Unfälle, Lärm, Infrastruktur und Betrieb – verursachen ÖV und Velo pro Personenkilometer vielfach höhere gesellschaftliche Kosten als das Auto. Je weniger die Verkehrsnutzerinnen und -nutzer die von ihnen verursachten Kosten bezahlen, desto frivoler werden ihre Forderungen nach Ausbau ihrer Verkehrsinfrastruktur. Das erklärt einen guten Teil der Forderungen des Ausbaus von ÖV und Velowegen. In den Städten ist der Anteil des ÖV und der Velos am Gesamtverkehr grösser als auf dem Land. Entsprechend sind die Forderungen der Städter auch besonders unrealistisch.

Der Wolf: Das Jagdgesetz, das die Eindämmung des Wolfs erlaubt hätte, wurde im September 2020 knapp abgelehnt. Entscheidend waren die Stimmen aus Zürich, Genf und Basel. Im gleichen Monat hat Zürich die Leinenpflicht für Hunde in öffentlichen Pärken eingeführt: Mut gegenüber dem Wolf in den fernen Alpen, Angst vor dem Hund im nahen Park.

«Gegen das Jagdgesetz, aber Leinenpflicht für Hunde in den Parks – Mut gegenüber dem Wolf in der Ferne, Angst vor dem Hund im Park.»

Das illustriert: Die Ursache des Stadt-Land-Grabens ist nicht, dass die einen weltoffener oder klüger sind, sondern dass die Städterinnen und Städter oft die Kosten ihres Handelns nicht tragen. Sie sind heute hoch subventioniert.

Erstens sind die Städte wegen sogenannter Agglomerationseffekte als Firmenstandorte attraktiv, was ihnen hohe Steuereinnahmen bringt.

Zweitens profitieren sie als Kantonshauptstädte von hohen kantonalen Ausgaben für höhere Schulen und Kultur.

Drittens überschütten sie die Finanzausgleichs-Systeme mit teilweise riesigen Sonderzahlungen.

Viertens geben die Städte einen Teil ihrer Finanzkraft direkt an die Bürgerinnen und Bürger weiter, indem sie ihre Wohnungen subventionieren.

Fünftens sind Städter zwar im Durchschnitt relativ reich, aber es gibt einen grossen Anteil gut ausgebildeter Junger. Sie dürften zwar insgesamt ein hohes Lebenseinkommen haben, weisen aber aktuell ein tiefes Einkommen auf und profitieren so von vielerlei Subventionen und zahlen wenig Steuern. In dieser Lebensphase ist es billig, mehr Staat und Umverteilung zu fordern.