Wir wollen keine Atomkraftwerke, wir wollen keine Windräder, die unsere Aussicht stören. Wir wollen keine grossflächigen Fotovoltaik-Kraftwerke, und wir wollen keine höheren Staumauern. Und seit es in Basel gerumpelt hat, wollen wir auch keine Geothermie-Kraftwerke mehr. Aber wir wollen elektrisch Auto fahren und unseren CO2-Ausstoss reduzieren und so das Klima retten.

Dass das nicht aufgehen kann, weiss jeder.

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Und doch machen wir nicht vorwärts mit der Energiewende. Gerade eben hat der Kanton Wallis Nein gesagt zu vereinfachten Verfahren für die grossen «Solarexpress»-Projekte in den Bergen. So kommen wir nicht weiter. Und das weiss eigentlich auch jeder.

Die Schweiz leidet am Not-in-my-backyard-Syndrom. Alle wollen den Umbau der Energiebilanz, aber bitte nicht vor der eigenen Haustür. Kraftwerke sollen da gebaut werden, wo wir nicht davon gestört werden – und sei es nur optisch. Und die Grünen, die eigentlich das grösste Interesse an einem Ausstieg aus fossilen Energien und einem Rückzug aus der Atomwirtschaft haben sollten, verhindern den Naturstromzubau mit dem Killerargument, den vielen Strom bräuchte es gar nicht, wenn wir nur alle unseren Konsum einschränkten.

Niemand wird weniger heizen, nur weil irgendwo ein Windrad verhindert werden soll. Dafür ist der Strom schlicht zu billig.

Da sage ich: vergesst es! Niemand wird auf die Autofahrt verzichten, nur damit wir Mühleberg abstellen können. Niemand wird weniger fernsehen, um eine alpine Solaranlage zu verhindern. Und erst recht wird niemand weniger heizen, nur weil irgendwo ein Windrad verhindert werden soll. Dafür ist der Strom schlicht zu billig.

Ja, die Schweiz war mal eine Pionierin. Vor mehr als hundert Jahren wurden hierzulande grosse Wasserkraftwerke gebaut, von denen wir noch heute profitieren. Und früh investierte man auch in Atomkraftwerke. Doch die AKW kommen langsam ins Rentenalter, und die Wasserkraft allein kann die Lücke nicht füllen.

Es gibt keinen Grund dafür, dass Deutschland eine bessere Ausgangslage für Fotovoltaik haben sollte als die Schweiz. Und doch wurde dort früher und schneller zugebaut. Und es gibt keinen Grund, warum Windräder auf den Hügeln des Schwarzwaldes – in Sichtweite der Schweiz – problemlos Strom produzieren, nicht aber auf den Jura-Hügeln etwas weiter südlich.  

Hier fehlt der politische Wille, Wegbereiter zu sein. An den Investoren mangelt es nicht. Die – durchwegs staatliche – Schweizer Energiewirtschaft hat genug Kapital und finanzielle Rückendeckung aus dem Monopolgeschäft, um in Kraftwerke zu investieren. Doch die Prozesse sind mühsam und langwierig. Wer zwanzig Jahre auf eine Windradbewilligung warten muss, investiert lieber in Spanien oder Norddeutschland.

Wo bleibt die Ansage des Bundesrats? Wo bleiben die Statements der Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf? Selbst die Internationale Energieagentur verweist in ihrem jüngsten Bericht darauf, dass die Bewilligungsprozesse in der Schweiz noch immer zu kompliziert sind. Hier braucht es mehr Mut zu radikalen Vorschlägen. Und entsprechende Überzeugungsarbeit.

Auch die Atomkraftwerke hatten es einst nicht leicht mit den Anwohnerinnen und Anwohnern – und mehrere wurden gar nicht gebaut, weil die Akzeptanz für den Atomstrom fehlte. Aber wenn selbst bei jeder Solarzelle und jedem Windrad «schon, aber nicht hier!» gerufen wird, wird sich die Schweiz nie mehr voll mit eigenem umweltfreundlichem Strom versorgen können.

Michael Heim Handelszeitung
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