Auch wenn Peking erwartungsgemäss von «Schikane» spricht: Die China-Passagen in der G7-Erklärung fallen weniger scharf aus als von vielen erwartet. Eine vollständige Entkopplung der Wirtschaft und das Bremsen der Entwicklung Chinas seien keine Ziele, betonten die führenden westlichen Industriestaaten in Hiroshima (Japan). Eine Passage zu Export- und Investitionsprüfungen schaffte es nicht in die Abschlusserklärung. Stattdessen bekannten sich die Gipfelteilnehmer zu einem Risikoabbau, etwa bei der Abhängigkeit von Rohstoffen, und einer Diversifizierung der Lieferketten.

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Die Rede vom Risikoabbau zeigt besonders deutlich, dass sich die EU gegenüber den USA mit ihrem doppelten Ansatz zwischen Kooperationsbereitschaft und Mahnungen durchgesetzt hat. Nach Jahren, in denen in Washington eher von «Entkopplung» gesprochen wurde, übernehmen US-Beamte nun zunehmend diese Phraseologie – auf Englisch «De-Risking» – von ihren europäischen Kolleginnen und Kollegen. 

Joe Bidens nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan etwa bezog sich bei einer Veranstaltung der Denkfabrik Brookings jüngst ausführlich auf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, lobte den rekordhohen Waren- und Güteraustausch mit China und betonte: «Wenn man von der Wirtschaft absieht, konkurrieren wir mit China in mehreren Dimensionen, aber wir suchen weder nach Konfrontation noch nach Konflikten. Wir wollen verantwortungsvoll mit dem Wettbewerb umgehen und mit China zusammenarbeiten, wo wir können.»

USA sehen China vor allem als Rivalen

In den letzten Jahren hatten die USA eine deutlich härtere Haltung gegenüber China eingenommen. Die USA betrachten China zunehmend als strategischen Rivalen und Bedrohung für ihre wirtschaftliche Sicherheit. Unter der Trump-Regierung wurden Massnahmen ergriffen, um den Handel mit China einzuschränken und strategische Sektoren vor chinesischem Einfluss zu schützen. Diese Politik wurde von der aktuellen US-Regierung fortgesetzt, wenn auch mit einem anderen diplomatischen Stil. Und im US-Repräsentantenhaus gibt es, seit sich die Mehrheitsverhältnisse wieder zugunsten der Republikaner geändert haben, nun einen umstrittenen Sonderausschuss zum strategischen Wettbewerb zwischen China und den USA.

Die EU hingegen hat in den vergangenen Jahren eine andere Strategie gegenüber China entwickelt, der sich Washington nun sichtbar annähert. Brüssel betrachtet das Land als Partner, Wettbewerber und systematischen Rivalen. Die Gemeinschaft der 27 Mitgliedsländer setzt auf Kooperationsbereitschaft mit China – und gleichzeitig auf klare Ansagen zu Menschenrechten, Taiwan und Hongkong. Letzteres gehört auch beim G7-Gipfel zum Standard.

Die unterschiedlichen Positionen der EU und der USA in Bezug auf China haben zu Spannungen innerhalb der G7 geführt. Die G7-Erklärung zu China vereint die Positionen nun deutlich. Es wird betont, dass China sowohl ein Partner als auch ein Wettbewerber und systematischer Rivale ist. Dieser Ansatz spiegelt die Realität wider, dass China in verschiedenen Bereichen mit den G7-Mächten zusammenarbeitet, aber in einigen davon auch als Herausforderung betrachtet wird.

G7 wollen wirtschaftliche Zwänger besser kontern

Zentral war darum das Thema Wirtschaftszwänge. China hatte in den vergangenen Jahren von Japan und Australien bis hin zu Litauen und Südkorea einige Länder bei politischen Meinungsverschiedenheiten mit wirtschaftlichen Massnahmen bestraft. Neu soll eine «Koordinierungsplattform» die «kollektive Einschätzung, Bereitschaft, Abschreckung und Reaktion» auf entsprechende Handlungen verbessern. Und natürlich forderten die G7-Staaten Peking auch auf, mehr gegen Russlands Krieg in der Ukraine zu tun.

Angesichts der Spannungen und des schwelenden Taiwan-Konflikts dürfte spannend sein, zu sehen, wie sich die neue Ära der China-Politik in den kommenden Jahren entwickelt und ob die G7-Staaten langfristig einen kohärenten und wirksamen Ansatz gegenüber China finden können. Und ob die Beschlüsse des G7-Gipfels auch unmittelbar etwas an den Beziehungen mit Peking ändern.

Offen ist vor allem, wann sich US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatspräsident Xi Jinping treffen. Seit dem letzten Telefonat vor sechs Monaten hat Peking die direkte Kommunikation zwischen den Staatschefs praktisch verweigert. Mit den sanfteren Tönen aus Washington dürfte das zunehmend schwer zu begründen sein.