Die Ukraine geht jetzt in Jahr drei von Putins Angriffskrieg, und trotzdem muss sie permanent wie ein Bittsteller die Hand aufhalten. In den USA und der EU werden neue Hilfen blockiert. Doch ohne sie werden Kiew bald Waffen, Munition und Mittel ausgehen. Das darf nicht passieren.

Europa könnte die Militärhilfen für die Ukraine viel cleverer auch für sich selbst nutzen. Vor allem, um eigene verteidigungsindustrielle Fähigkeiten zu entwickeln, wie sie die Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) in einer Analyse vorschlägt. Das Nadelöhr ist offenbar viel weniger eine Frage finanzieller Mittel oder einzelner Waffentypen als der Möglichkeit zum nachhaltigen Aufbau und der Skalierbarkeit der bisherigen Kriegsanstrengungen: mehr Munition, Ersatzteile sowie Reparatur- und Wartungsarbeiten für die bereits genutzten westlichen Systeme und Ersatz für sowjetische Altsysteme.

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Eines der grössten industriellen Hindernisse ist zum Beispiel bisher der Ausschluss von Verteidigungsunternehmen von allen EU-Finanzhilfen und -Instrumenten, die nach der Finanzkrise 2008 und dann nach der Covid-19-Pandemie geschaffen wurden. Dies trägt zu Schwierigkeiten beim Zugang zu Krediten und Versicherungen bei. Zumal dann, wenn es keine langfristigen Verträge mit nationalen Regierungen gibt. 

Neben einer Überarbeitung der Finanzvorschriften könnte die EU die Planung für ein gross angelegtes Modernisierungsprogramm für militärische Ersatzfahrzeuge übernehmen – ähnlich wie mit dem vor einigen Monaten erfolgten Munitionsplan. Dies würde Mitgliedstaaten einen Anreiz geben, grössere Bestellungen aufzugeben, und den Produzenten, die notwendigen Investitionen zu tätigen und die Produktion auszuweiten. Diese Fahrzeuge könnten dann entweder an die Ukraine oder an einen EU-Mitgliedstaat übergeben werden, wenn dieser dafür Kiew mit gleichwertigen Systemen beliefert.

Zudem ist die Gründung von Joint Ventures zur Reparatur und Wartung dieser Fahrzeuge in der Ukraine sinnvoll. Die deutschen Unternehmen Rheinmetall und FFG planen dies bereits. Dies käme nicht nur den Kriegsanstrengungen der Ukraine zugute, sondern auch dem eigenen militärisch-industriellen Sektor: Die europäischen Rüstungsunternehmen könnten so lernen, welchen Schaden russische Waffen anrichten oder welche Herausforderungen bestimmte russische Systeme mit sich bringen.

Die Ukraine-Hilfe darf nicht nachlassen. Am moralischen Argument hat sich ohnehin nichts geändert: Es ist im Eigeninteresse des Westens, eine Demokratie zu unterstützen, die sich gegen eine Diktatur wehrt. Putins Eroberungswahn muss ausgebremst werden, Zivilistinnen und Zivilisten müssen geschützt werden. Es wird auch ohne ausländische Militärhilfen kein schnelles Ende des russischen Zermürbungskriegs geben – er wird sich nur weiter verlängern und zu mehr Todesfällen auf beiden Seiten führen.