Seit der ersten Ankündigung von Massnahmen des Bundesrates gegen die Virus-Krise wurden verschiedene Verbesserungen für KMU-Unternehmer vorgenommen. Statt aber zu einem geschlossenen Konzept kam es dabei zu einer Vermehrung der Kategorien der Betroffen: Heute haben wir fünf Gruppen von Arbeitslosen in der Schweiz.

Cédric Portier ist Anwalt und diplomierter Steuerexperte in der Kanzlei Gros & Waltenspühl, Lausanne

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Verglichen mit dem ersten Plan – angekündigt am 20. März – erhöhte der Bund die monatliche Entschädigung für Unternehmer in Aktiengesellschaften oder GmbHs von 2'600 auf 3'320 Franken; das Staatssekretariat Seco hatte zuvor zugegeben, dass der allererste Verordnungsentwurf fehlerhaft war. Angesichts der anhaltend starken Kritik – insbesondere wegen der Schaffung eines Entschädigungs-Systems mit vier Kategorien – kündigte der Bundesrat am 16. April 2020 neue Massnahmen an.

Doch statt dass damit Ungleichheiten harmonisiert und korrigiert worden wären, wurde sogar eine fünfte Entschädigungskategorie geschaffen – für Selbstständige, die mehr als 840 Franken oder weniger als 7'500 Franken pro Monat verdienten. Es sei daran erinnert, dass das Medianlohn in der Schweiz rund 6'500 Franken beträgt, so dass Selbständige, die nur leicht überdurchschnittlich verdienen, jetzt bereits völlig von einer Bundesentschädigung ausgeschlossen sind.

Teilen und herrschen?

Anstatt sich ans gutschweizerische Prinzip «Einer für alle, alle für einen» zu halten, favorisiert die Landesregierung in dieser Krise offenbar ein komplexes System mehrerer Kategorien, das man als «teilen und herrschen» bezeichnen könnte.

Denn bei diesem schwer durchschaubaren Flickenteppich von Kategorien und Schwellenwerten findet sich keiner mehr wirklich erfasst, und öffentliche Debatte über die verschiedenartigen Notsituationen von KMU wird verwedelt.

Die Unterschiede sind umso schockierender, als sie manchmal vom Zufall der gewählten Rechtsform abhängen – während Covid-19 die Firmen unabhängig von ihrer rechtlichen Struktur trifft.

Das Beispiel des Kleiderladens

Nehmen wir etwa einen Händler, der mit seinem Kleidergeschäft 6'000 Franken im Monat verdient hat, also etwas weniger als das Mediangehalt. Wenn er seine Firma als GmbH organisiert hat, so führte er jeden Monat 2,2 Prozent seines Lohnes an die Arbeitslosenversicherung ab – eine Prämie von monatlich 132 Franken oder fast 1'600 Franken pro Jahr. Seit der behördlich angeordneten Schliessung erhält dieser Ladenbesitzer 3'320 Franken pro Monat, kaum die Hälfte seines Gehalts, für das er aber zuvor voll beigetragen hat.

Nehmen wir nun an, dass derselbe Händler als selbständiger Einzelunternehmer gearbeitet hat. Er sparte nicht nur den (Unternehmens-)Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, also 132 Franken pro Monat, sondern er erhält nun auch eine monatliche Arbeitslosen-Entschädigung von 4'800 Franken (80 Prozent seiner früheren Vergütung). Macht fast 50 Prozent mehr als wenn er eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet und Arbeitslosenprämien gezahlt hätte. 

Wo bleiben da Logik und Fairness?

Der Wirt…

Damit nicht genug. Nehmen wir einen erfolgreichen Wirt, der vor dem Lockdown 8'000 Franken pro Monat verdiente. Er lag damit zwar etwas über dem Durchschnittseinkommen, aber er war noch weit entfernt von den unbeliebten Superreichen: Es geht um die berühmte Mittelklasse, die von den Politikern so gern umschwärmt wird.

Wenn dieser unabhängige Gastronom wegen der Pandemie schliessen muss, erhält er eine Entschädigung von 5'880 Franken pro Monat. Denn es gibt keine Schwelle für Tätigkeiten, die auf Anordnung des Bundesrates geschlossen wurden.

…und der Bierbrauer

Der Nachbar dieses Gastronomen – ein Hersteller von Craft Beer, der Restaurants beliefert – ist de facto genauso aus dem Markt geworfen. Wenn er zuvor dasselbe verdient hat wie der Wirt, so erhält er nun trotzdem keine Entschädigung: Er steht nicht auf der Liste der geschlossenen Berufe und Tätigkeiten, und obendrein lag sein Gehalt (knapp) über der vom Bundesrat festgelegten Schwelle von 7'500 Franken pro Monat.

Hätte allerdings derselbe Brauer zuvor 500 Franken weniger verdient (7'500 statt 8'000 Franken pro Monat), so würde er plötzlich 5'880 Franken als Entschädigung erhalten. Das sind die Scherze von Schwelleneffekten…

Es ist verständlich, dass Obergrenzen nötig sind, aber warum sollte ein Unabhängiger, der das Pech hatte, auch nur einen Franken jenseits der Schwelle zu verdienen, völlig ausgeschlossen sein?

Es geht um Willkür

Wir sehen, dass das eingeführte System gegen verschiedene Verfassungsgrundsätze verstösst, die normalerweise in einem Rechtsstaat gelten.

Die Kategorien und Schwelleneffekte lassen sich schwer in Einklang bringen mit den Grundsätzen der Gleichheit oder dem Willkür-Verbot. Aus systematischer Sicht wird das Versicherungsprinzip verletzt, insbesondere gegenüber Unternehmern in Aktiengesellschaften oder GmbHs, die oft jahrelang bis zu 2,2 Prozent einzahlten (oder sogar 3,2 Prozent unter Berücksichtigung des Solidaritätsbeitrags, dem sie ebenfalls unterliegen) – die jedoch nun mit einer Pauschale von 3'320 Franken pro Monat abgespeisten werden sollen.

Sobald die Krise vorbei ist, wird dies wohl zu politischen Debatten führen. Denn man kann sich ernsthaft fragen, ob sich diese KMU-Unternehmer nicht darauf beschränken sollten, begrenzte ALV-Prämien zu bezahlen – nämlich entsprechend dem Maximum, das sie erhalten, wenn solch eine Katastrophe eintritt.