Erst ging die Axa, dann Zurich, zuletzt die Swiss Re: Bei den grössten Versicherern in der Schweiz hats geknallt – und kaum jemand hat es gehört. Dass einer nach dem anderen in den vergangenen Wochen die Uno-Nachhaltigkeitsallianz verlassen hat, lief völlig unter dem Radar. Dabei ist es nicht einfach das Ende einer schwachbrüstigen Umweltinitiative, sondern ein politischer Sieg für die Republikaner in einer hochpolarisierten Debatte. 

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Trumps Partei hat die erst 2021 gegründete Net-Zero Insurance Alliance (NZIA) in kürzester Zeit um mehr als die Hälfte geschrumpft, von zwischenzeitlich mehr als 30 Mitgliedern sind noch 14 dabei, von den acht Gründungsmitgliedern sogar nur noch zwei. Und alles, was es dafür brauchte, war ein Brief von 23 republikanischen Staatsanwälten.

Denn den Republikanern sind Umweltschutzbemühungen, welche die Wirtschaft vermeintlich einschränken, ein Dorn im Auge. Rigoros gehen sie gegen alles vor, was sich grob unter dem ESG-Label zusammenfassen lässt. Das bekam unter anderem schon Blackrock zu spüren: Um öffentliche Pensionsfonds davon abzuhalten, ESG-Kriterien bei Investitionen zu berücksichtigen, zogen republikanisch regierte Bundesstaaten von Texas bis West Virginia Milliarden von dem Vermögensverwalter ab.

Was, wenn die Versicherer auch bei anderen «woken» Themen unter Druck kommen?

Die Versicherer haben beim ersten Gegenwind überreagiert – und damit den Republikanern Wasser auf die Mühlen gegossen. Nachdem ein Konsortium republikanischer Staatsanwälte in einem öffentlichen Brief der Uno-Initiative eine mögliche Verletzung des Kartellrechts vorgeworfen hatte, verliessen die ersten Mitglieder aus Angst vor einer Klagewelle die Allianz. Andere zogen nach.

Mit Blick auf die Polarisierung in den USA und die US-Wahl 2024 kann das dramatische Folgen haben. Was, wenn die Republikaner weitere Initiativen und Wirtschaftsbereiche in den Fokus nehmen? Ihnen geht es nicht nur um die Verteidigung der fossilen Energien, der grossen Autos und der freien Wirtschaft. Der Kulturkampf dreht sich auch um andere vermeintlich «woke» Themen – um Rassismus etwa oder grundlegende Fragen der Gesundheitsversorgung. Was, wenn Versicherungen unter Druck gesetzt werden, keine Abtreibungskliniken mehr zu versichern? Keine Pharma-Unternehmen mit entsprechenden Produkten? Nicht mehr bestimmte Bildungs- und Forschungseinrichtungen?

Dass die Versicherer so bereitwillig auf die Hundepfeife der Republikaner reagiert haben, hat sie zu ihrer Geisel gemacht. Nach den ersten Austritten erhöhten die republikanischen Staatsanwälte Mitte Mai in einem weiteren Brief den Druck auf die verbleibenden NZIA-Mitglieder. Daraufhin sprangen noch mehr Mitglieder ab. Die Panikreaktion der Versicherer hatte der Nachhaltigkeitsallianz faktisch den Todesstoss versetzt.

Die Versicherer haben sich zur Geisel im Anti-ESG-Kampf der Republikaner gemacht.

Seltsam: Weder andere politische Parteien noch NGOs sprangen den Versicherern wirklich bei. Im Gegenteil. Der WWF Schweiz stichelte gar in Richtung Zurich Versicherung, die Uno-Allianz und das Unternehmen selbst seien in ihren Bemühungen für den Umweltschutz ohnehin nicht besonders glaubhaft. Derartige Reaktionen zeigen, wie sehr der republikanische Anti-ESG-Kampf unterschätzt wird – und wie effektiv er ist. 

Mit ihrem Bekenntnis zur Klimaallianz hätten die Versicherer Haltung zeigen können. Dass sie es nicht getan haben, ist ein Armutszeugnis. Mit ihrem vorauseilenden Gehorsam haben sich die Versicherer nicht aus dem Sumpf der US-Politik gerettet. Sondern sich nur noch weiter hinein begeben.