Der Berufsverband der Ärzteschaft, die FMH, befürwortet die SP-Prämienentlastungsinitiative nicht, über die am 9. Juni abgestimmt wird. Das ist interessant, denn der Verband wird von der Grünen Yvonne Gilli präsidiert, und die Grünen stehen eigentlich hinter der Initiative. Offenbar sieht die Mehrheit des ärztlichen Personals, dass die Initiative hoch problematische Punkte beinhaltet. Welche das sind, sagt der Verband nicht. So darf spekuliert werden – in fünf Punkten.

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Punkt eins. Obwohl die allermeisten gesund sind, suchten sie bei fast jedem Wehwehchen den Arzt mit der Bitte um Abklärung auf, sagt Gilli im Interview mit der «Handelszeitung». Diese Praxis ist einer der Gründe, warum die Prämien steigen. Sollten die Prämien gedeckelt werden, würde jeder Zusatzkonsum quasi «gratis» werden. Die Nachfrage würde noch stärker als bisher steigen, und die Praxen und Spitäler würden noch mehr überrannt, als sie es heute werden. Zum Nachteil aller.

Punkt zwei. Die Ärzteschaft gehört zum Mittelstand. Diese Gruppe wird mit der linken Initiative über zusätzliche Steuereinnahmen zusätzlich belastet und nicht etwa entlastet werden, wie es das Initiativkomitee verspricht. Die Hälfte des Stimmvolks gehört zum Mittelstand und hat damit einen guten Grund, die Initiative ohne schlechtes Gewissen abzulehnen – siehe nächsten Punkt.

Die Prämienverbilligungen machen das System sozial

Punkt drei. Subventionen fliessen schon heute stark. Der untere Mittelstand und wenig Verdienende werden stark unterstützt. So steht es im Gesetz. Je nach Kanton zahlen ärmere Haushalte bloss die Hälfte oder gar keine Prämie, weil ihr Wohnsitzkanton diese übernimmt. Die Behauptung des Initiativkomitees, die Kopfprämie sei unsozial, ist also falsch. 

Punkt vier. Mit dem System der Prämienverbilligungen ist auch der Zugang zu teuren Behandlungen für Arme garantiert. Sie zahlen immer nur maximal die Franchise von 300 Franken und 10 Prozent der Behandlungskosten. Sozialhilfeempfängern und -empfängerinnen werden sie erstattet.

Viel tiefere Prämien als etwa in Deutschland

Und Punkt fünf. Die Ärzteschaft weiss dank der vielen eingewanderten Deutschen, dass die Schweizer Prämien im Vergleich zu dem, was geboten wird, bescheiden sind. Ein Vergleich sei erlaubt: Im sozialen Deutschland finanziert man die obligatorische Krankenversicherung per Lohnabzug in der Höhe von knapp 14 Prozent des Bruttolohns. Das ist weit mehr als der hiesige Durchschnitt von knapp 10 Prozent. Die Schweiz steht also gut da. Es gibt keinen Grund, der Initiative zuzustimmen.

Was kommt, wenn die Prämien weiter steigen als bisher? Das Parlament hat für diesen Fall vorgesorgt. Bei einem Nein kommt der Gegenvorschlag zum Zug. Das ist ein Gesetz, das den Kantonen innert vier Jahren vorschreibt, sich auf ein Prämienmaximum festzulegen. So hat es die Stimmbürgerschaft in jedem Kanton es in der Hand, sich darauf festzulegen, was ein soziales Maximum ist.

BERN, 14.8.2019. Andreas Valda, Redaktor Handelszeigung. Foto: Daniel Rihs / 13 Photo
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