Überraschung in Bundesbern: Nach einem glücklosen Jahr als Justizministerin wechselt Elisabeth Baume-Schneider ins Innendepartement. Sie tritt dort ein schweres Erbe an. Auch das zweite SP-Regierungsmitglied, der frisch gewählte Beat Jans, wird als Justizminister gefordert sein.

Einen Tag nach der Gesamterneuerungswahl des Bundesrats ohne grosse Überraschungen kam es am Donnerstagabend zum Knall. Anders als von Politbeobachtern prognostiziert, wird nicht Jans Nachfolger von Innenminister Alain Berset, sondern seine Parteigenossin Baume-Schneider, die ein schwieriges erstes Jahr im Bundesrat hatte.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Wechsel «sehr unüblich» und «erstaunlich»

Die sechs wiedergewählten Bundesratsmitglieder und der neu gewählte SP-Bundesrat Beat Jans teilten die Departemente am Donnerstag an einer informellen Sitzung untereinander auf. Bundesratssprecher André Simonazzi sagte auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA nicht, wie lange es bis zur Einigung gedauert hatte.

Auch ob eine Abstimmung zur Departementsverteilung nötig war, gab Simonazzi nicht bekannt. Die Bundesrätinnen und Bundesräte seien an dieser Sitzung ganz unter sich, und auch der Bundeskanzler sei nicht anwesend, sagte Simonazzi. So wolle es die Tradition.

Ein Departementswechsel nach einem Jahr sei «sehr unüblich» und «erstaunlich», sagte der Genfer Politologe Nenad Stojanovic der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. «Baume-Schneider war der Start nicht gelungen. Das ist der Hintergrund, warum sie jetzt wechselt.»

Die Jurassierin habe Schwierigkeiten gehabt, sich mit ihren Vorschlägen im Asyldossier in der Regierung durchzusetzen, führte Stojanovic aus. Offenbar sei sie mehrmals mit Ideen im Bundesrat und im Parlament gescheitert. Der Wechsel ins Innendepartement sei für sie die Chance für einen Neuanfang.

SP zeigt sich zufrieden

Die SP kann somit dieses wichtige Departement behalten, und sie äusserte sich nach dem angekündigten Wechsel zuversichtlich. Die Bundesrätin habe aufgrund ihres Studiums der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, ihrer Tätigkeit als Sozialarbeiterin sowie als Direktorin der Hochschule für Sozialarbeit und Gesundheit in Lausanne hervorragende Erfahrungen im Gesundheits- und Sozialbereich.

Von bürgerlicher Seite kommt Kritik: «Wir stehen im Bereich der Sozialversicherungen und im Gesundheitswesen vor riesigen Herausforderungen. Die brauchen eigentlich eine starke Führungspersönlichkeit und das ist Frau Baume-Schneider nicht», liess sich SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi auf blick.ch zitieren. FDP-Präsident Thierry Burkart und Mitte-Präsident Gerhard Pfister benutzten in den Tamedia-Zeitungen das Wort «Flucht».

Angriffsfläche wird Baume-Schneider also auch in ihrem neuen Departement bieten. Sie ist mit den steigenden Gesundheitskosten und Krankenkassenprämien konfrontiert sowie mit den Herausforderungen an die defizitäre AHV. Ihr stehen 2024 mehrere Volksabstimmungen bevor, und sie wird teilweise gegen ihre Partei kämpfen müssen.

Dritte Spitze für EJPD innert weniger Jahre

Das Justiz- und Polizeidepartement wiederum erlebt mit Jans nun die dritte Führungsperson innerhalb von wenigen Jahren. Karin Keller-Sutter (FDP) stand dem Departement von 2019 bis 2022 vor, Baume-Schneider übernahm Anfang 2023, und nun kommt es an Neujahr 2024 erneut zum Wechsel.

Der Neue im Bundesrat wird sich nun mit den ungeliebten Themen Asyl und Migration befassen müssen. Eine Herausforderung ist zurzeit die Suche nach Unterbringungsplätzen für Asylsuchende, besonders, weil das Parlament im Sommer Geld verweigerte für den Bau von Containersiedlungen auf Arealen der Armee.

«Ausgezeichnete Nachricht» für Menschenrechte

Jans' Einzug ins Justizdepartement ist für die SP laut einer Mitteilung eine «ausgezeichnete Nachricht» für Menschenrechte, den Schutz der Schwächsten, Menschen auf der Flucht sowie die Verteidigung einer humanistischen und offenen Schweiz.

Jans sei ein Politiker, der Menschen zusammenbringe und Brücken baue. Er werde zweifellos dazu beitragen, die Beziehungen zu Partnern im europäischen Dossier voranzubringen. Der Grünen-Präsident Balthasar Glättli traut es Jans auch «bei herausfordernden Dossiers» zu, Lösungen zu finden, wie er auf X, vormals Twitter, schrieb.

Das unattraktivste Departement

Der Politik- und Medienwissenschaftler Lukas Golder vom Institut Gfsbern schrieb, das Justizdepartement werde so unattraktiv wie einst das Militärdepartement. «#HeisseKartoffelMigration», kommentierte er im Kurznachrichtendienst X.

Mehr zum Thema:

(sda/gku)