Zwei klar bestplatzierte Kliniken in der Westschweiz und klar abgesetzt ein breites Mittelfeld: Das ist das Bild, das sich im diesjährigen Ranking «Beste Fachkliniken» bei der Psychiatrie ergibt. Mit Scores von über 90 Prozent finden sich wie schon 2022 auf dem ersten Platz die psychiatrischen Dienste des Waadtländer Universitätsspitals und des Centre hospitalier vaudois (CHUV) sowie das Centre neuchâtelois de psychiatrie (CNP) auf dem zweiten Platz.

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Mit einem Score von 90,41 Prozent gehört das CNP zum Kreis der zwölf Einrichtungen, die im Ranking der «Besten Fachkliniken 2024» einen Wert von 90 Prozent oder mehr aufweisen. Dabei sind die Bedingungen in Neuenburg alles andere als einfach. Als nicht universitäre Einrichtung macht dem CNP der Fachkräftemangel ganz besonders zu schaffen. «Heute sind wir weitgehend vom Ausland abhängig, um qualifiziertes Personal zu finden», schreibt die Klinik. Doch auch die Tarife reichen nirgends hin. Der Tarmed-Tarif liegt in Neuenburg aktuell bei 91 Rappen pro Tarifpunkt. Um kostendeckend zu arbeiten, müssten es 1.23 Franken sein, schreibt das CNP.

Immerhin: Die 1848 erbaute psychiatrische Klinik in Préfargier soll in den nächsten Jahren umfassend saniert werden. Die Klinik sei ein Monument und kein Spital, wurde Generaldirektorin Raffaella Diana bei der Präsentation des Vorhabens zitiert. Doch die Architektur sei ein wichtiges Element der Behandlung. 

Das CNP betreut rund 8000 Patientinnen und Patienten, was 4 Prozent der Neuenburger Bevölkerung entspricht. Ein Fokus liegt auf der Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen. Dazu unterstützt das CNP unter anderem die Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner dabei, psychische Erkrankungen besser erkennen zu können. Zudem setzt man in Neuenburg auf eine gemeindenahe Versorgung. Die sozialen Beziehungen seien ein zentrales Element bei der therapeutischen Antwort auf psychische Probleme, schreibt das CNP. Die Leistungen würden deshalb «so weit wie möglich im Lebensumfeld der Patientinnen und Patienten, also zu Hause oder im Pflegeheim», erbracht.

Das erstplatzierte Centre hospitalier Vaudois (CHUV) verzichtete darauf, zum Ranking Stellung zu nehmen.

Basel ist ein «grosszügiger Kanton»

Bei den psychiatrischen Kliniken in der Deutschschweiz schliessen die Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel am besten ab. Sie erreichen einen Score von 83,88 Prozent und verbessern sich damit vom fünften auf den dritten Platz. 

CEO Michael Rolaz erklärt sich das gute Abschneiden der UPK mit einer ganzen Reihe von Faktoren. «Wir haben das Glück, dass wir mit Basel-Stadt einen Kanton haben, der vergleichsweise grosszügig ist.» Das gelte für die gemeinwirtschaftlichen Leistungen, wo das «soziale Basel» vergleichsweise eher viel zahle für Leistungen, für die es im Tarifsystem keine Positionen gebe. So hilft etwa das Erziehungsdepartement finanziell, wenn bei einem suchtkranken Jugendlichen Abklärungen gemacht werden, um für ihn einen Platz in einer Einrichtung für betreutes Wohnen zu finden. Oder das Sozialdepartement übernimmt die Kosten für die Dolmetscherin, die es braucht, um eine traumatisierte Flüchtlingsfrau zu behandeln. Oder das Justizdepartement finanziert Massnahmen mit für psychisch Kranke, die straffällig geworden sind. Zudem wird die Erwachsenenpsychiatrie durch die Privatklinik querfinanziert.  Sie sorgt dafür, dass die Rechnung in Basel noch aufgeht. Die UPK Basel machten 2022 einen Gewinn von 5,2 Millionen Franken. 

Auch beim Thema Personal sieht es gut aus in Basel. Als Universitätsklinik gelingt es den UPK, Koryphäen aus dem ganzen deutschsprachigen Raum nach Basel zu holen, wie zuletzt etwa Chefarzt Philippe Sterzer, der von der Berliner Charité nach Basel kam. In Basel habe die Forschung und die Verknüpfung mit der Universität einen sehr hohen Stellenwert; man sei bei neuen Entwicklungen wie etwa der Früherkennung von Psychosen immer früh dabei «und das macht Basel als Arbeitsort attraktiv», sagt CEO Michael Rolaz. Bis jetzt sei es den UPK noch immer gelungen, alle offenen Stellen zu besetzen. Die UPK haben 1200 Angestellte, verteilt auf 900 Vollzeitstellen und 280 Betten, davon 18 auf der Privatstation.

Wie in Neuenburg setzt man auch in Basel auf Behandlungsmodelle, die es möglich machen, auch psychisch schwer Kranke zu Hause oder in ihrem engsten Umfeld zu behandeln; nicht zuletzt um zu verhindern, dass psychisch Kranke immer wieder hospitalisiert werden müssen. Das Problem dabei: Ambulante Behandlungen werden schlechter entschädigt als die stationären. Die Tagesklinik, welche die UPK betreiben, sei «ein Verlustgeschäft», sagt Michael Rolaz. «Alle sprechen von ‹ambulant vor stationär›, und das ist auch gut so, weil es medizinisch sinnvoll ist», befindet der CEO. Gleichzeitig würden es die Politik und die Tarifpartner versäumen, mehr Gelder zu sprechen, damit das auch möglich werde. «Ohne Anpassungen bei den Tarifstrukturen wird es für uns sehr schwierig, neue Strukturen zu schaffen, um  der steigenden Zahl von psychisch kranken Menschen in unserer Gesellschaft helfen zu können.»

Grösster Aufsteiger bei den universitären Kliniken sind die Hôpitaux universitaires de Genève (HUG). Sie konnten sich vom 15. auf den 8. Platz verbessern, ihr Score liegt bei 79,62 Prozent. Das Département de psychiatrie betreibt 259 stationäre Spitalbetten und beschäftigt rund 1000 Mitarbeitende, davon 200 im ärztlichen und 600 im pflegerischen Bereich. Auch am HUG profitiert man von der Stellung als universitäre Klinik. Offene Stellen können meist besetzt werden, wie Chefarzt Stefan Kaiser sagt. Einzig wenn es um bestimmte Expertisen gehe, könne es schwierig werden, das richtige Personal zu finden. Anders als in den Deutschschweizer Kliniken ist die Psychiatrie keine eigene Klinik, sondern Teil der HUG. Das sei sinnvoll, da immer mehr Patientinnen und Patienten Komorbiditäten hätten, dass sie also neben einer schweren psychischen Erkrankung oder einer schweren Intelligenzminderung auch noch schwere somatische Erkrankungen wie etwa Herz-Kreislauf- oder Infektionskrankheiten hätten, sagt Stefan Kaiser.

Zürich ist dieses Jahr auch mit dabei

Anders als im vergangenen Jahr schafft es auch die Psychiatrische Universitätsklinik Zürich (PUK) unter die Top 20 bei den psychiatrischen Kliniken. Die PUK hat 2410 Angestellte, sie behandelt 5000 Patientinnen und Patienten pro Jahr und ist damit die grösste Psychiatrie der Schweiz. Allerdings schneidet die PUK mit Platz 12 eher mässig ab. Die Medienstelle macht auf Anfrage darauf aufmerksam, dass die Zahl der fürsorgerischen Unterbringungen im Kanton Zürich deutlich höher sei als etwa in Basel, was sich auf die Patientenzufriedenheit auswirke. «Es liegt in der Natur der Sache, dass Patientinnen und Patienten, die unfreiwillig psychiatrisch hospitalisiert werden, unzufrieden sind.» Fürsorgerische Unterbringungen (FU) sind gemäss Gesetz möglich, wenn die Gefahr besteht, dass die Patienten und Patientinnen sich oder jemand anderem etwas antun. Im Kanton Zürich kann jeder Hausarzt, jede Hausärztin eine fürsorgerische Unterbringung anordnen, was dazu führt, dass die Rate im Kanton Zürich mit 2,57 pro 1000 Einwohner und Einwohnerinnen für das Jahr 2021 vergleichsweise hoch ist. Zudem verweist die PUK auf die grosse Zufriedenheit, welche sie in der Kinder- und Jugendpsychiatrie erreiche, in der es nur wenige FU gebe. 

Statista hält dazu fest: «Wir verstehen, dass in der Psychiatrie der Part der Patientenzufriedenheit subjektiv ist und durch Faktoren wie eine fürsorgerische Unterbringung beeinflusst wird.» Aus diesem Grund fliesse dieser Datenbereich nur mit 15 Prozent in den Gesamtscore ein. Dafür, dass die FU bei der Bewertung der psychiatrischen Kliniken durch Statista nicht entscheidend sein dürften, spricht auch, dass der Kanton Neuenburg mit seinem zweitplatzierten CNP mit 2,74 pro 1000 am meisten fürsorgerische Unterbringungen hat, noch vor Zürich.

Auffällig ist, dass es in der Psychiatrie gegenüber dem Vorjahr vergleichsweise viele Verschiebungen gab. Fünf Kliniken sind nicht mehr dabei, darunter die Psychiatrischen Dienste der Solothurner Spitäler, die traditionsreiche Klink Schlössli in Oetwil am See oder die Luzerner Klinik St. Urban. Neu dazu gekommen sind neben der PUK unter anderem das Sanatorium Kilchberg und die Privatklinik Meiringen. Grösster Aufsteiger ist die Zürcher Klink Hohenegg. Sie verbesserte sich von Platz 20 auf Platz 10. Doch auch die Psychiatrischen Dienste Thurgau, die Clinique La Métairie in Nyon und die Tessiner Clinica Santa Croce konnten teils deutlich zulegen. Von Platz 3 auf 6 abgerutscht sind die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD). Die UPD sind daran, mit dem Psychiatriezentrum Münsingen zu fusionieren. Die neue Einrichtung wird die PUK als grösste psychiatrische Klinik der Schweiz ablösen.

Statista schreibt zu den Veränderungen: Die Erhebung der Klinikwerte in der Psychiatrie sei im Vergleich zu den anderen Fachgebieten eher «subjektiver Natur», und es könne deshalb schneller zu Verbesserungen oder aber Verschlechterungen als in den anderen Fachgebieten kommen. Gleichzeitig hätten die Aufsteiger in diesem Jahr «zum grossen Teil» nicht nur bessere Resultate bei den Qualitätskriterien erzielt, «sondern auch in der Online-Umfrage gute Resultate erreicht». 

Psychiatrie

Tarife, die längst nicht kostendeckend sind und weiter sinken, Fachkräftemangel und eine steigende Nachfrage: Das sind die Herausforderungen, welchen sich die Psychiatrie in der Schweiz gegenübersieht. «Krisen und Kriege sorgen für Verunsicherung, vor allem bei jungen Menschen», sagt Michael Rolaz, CEO der Universitären Psychiatrischen Kliniken UKP in Basel. «Junge Mädchen leiden häufiger unter Essstörungen und Depressionen, bei jungen Männern äussern sich psychische Probleme oft in Aggressivität und in Süchten wie dem übermässigen Konsum von Alkohol.» Aber auch Erwachsene würden unter den zunehmenden Belastungen leiden und bräuchten heute häufiger psychologische und psychiatrische Hilfe. «Auch die Digitalisierung und Vereinsamung, das alles macht den Menschen zu schaffen.»

Das zeigen auch die Zahlen. Laut dem Schweizerischen Gesundheitsobservatorium nehmen die psychiatrischen Hospitalisierungen von Kindern und Jugendlichen seit 2012 kontinuierlich zu; seit 2017 ist die Zahl von Mädchen und jungen Frauen, die in eine Klinik eingewiesen werden, weil sie suizidgefährdet sind, deutlich gestiegen. Auch die Nachfrage nach ambulanten Therapien ist gross. 2020 liessen sich in der Schweiz mehr als eine halbe Million Patienten und Patientinnen bei einem Psychiater oder einer Psychotherapeutin, die für einen Psychiater delegiert arbeitet, behandeln. Das entspricht einer Rate von 59 auf 1000 Krankenversicherte. Die Zahl der Konsultationen lag bei 4,6 Millionen. «Die niedergelassenen Psychologen und Psychiater sind nicht immer in der Lage, die Nachfrage zu befriedigen», sagt Michael Rolaz. Und es sieht nicht danach aus, als ob sich das ändern würde. Im Gegenteil: Viele Psychiater und Psychiaterinnen werden ihre Praxis altersbedingt aufgeben, und viele von ihnen dürften nicht ersetzt werden. Psychiaterinnen, vor allem Kinder- und Jugendpsychiaterinnen, gehören in der Ärzteschaft zu den Geringverdienenden.

Bei der Auswertung der psychiatrischen Kliniken wurden zwei Indikatoren berücksichtigt, nämlich ob sich die Symptomlast bei den Patientinnen und Patienten nach dem Aufenthalt in einer Klinik sowohl aus deren eigenen Sicht als auch aus Sicht der Betreuenden reduziert hatte. 

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