Bei der Nutzung der generativen künstlichen Intelligenz (Gen KI) in den Marketingabteilungen von Unternehmen scheiden sich die Geister: Zwar nutzt gemäss Statista eine überwiegende Zahl vor allem grösserer Unternehmen Gen KI in einigen Abteilungen. Aber gleichzeitig zögern auch etliche Chief Marketing Officer (CMO) mit einer raschen Einführung von ChatGPT & Co. Gründe sind fehlende Erfahrungen und Fachkräfte sowie unklare Ziele.

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KI ist nicht wirklich kreativ

Dennoch lassen sich mit Gen KI viele neuen Anwendungsfelder erschliessen. «Die generative KI eignet sich heute vor allem dafür, Texte zu personalisieren», erklärt Sophie Hundertmark. Sie arbeitet als Forscherin und Beraterin sowie als Dozentin an der Hochschule Luzern (HSLU). «Markenhersteller können damit ihren Kunden, die erst kürzlich etwas gekauft haben, personalisierte Newsletter schreiben, mit anderen Ansprachen als solchen, die langjährige Kunden erhalten.» Das gibt es beispielsweise bei Jumbo in der Schweiz oder bei Walmart in den USA. Hier sind die Produktbeschreibungen schon erstaunlich gut. Was noch nicht so richtig funktioniere, sei jedoch die Markenkreativität von ChatGPT. «Wenn man da nach einem Vorschlag für konkrete Produkte fragt, kommen heute noch sehr allgemein formulierte Antworten», beobachtet die Expertin.

Dass ChatGPT bereits allgemein gut einsetzbar ist, aber im Detail noch Nachbesserungen braucht, findet auch Wolfgang Schäfer, der an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in den Bereichen Marketing und Kundenerlebnisse lehrt und forscht: «B2B, B2C, B2G, intern wie auch extern – Gen KI ist grundsätzlich einsetzbar, da wir damit Wissen generell nutzen und schaffen können.» Die Nützlichkeit kann dann direkt als auch indirekt entstehen. Direkt, wenn beispielsweise im Kundenkontakt Antworten auf Kundenfragen schneller und vielleicht auch inhaltlich besser durch den Gen-KI-basierten Bot gegeben werden und indirekt, wenn ein Unternehmen Gen KI für interne Prozesse wie beispielsweise die Erstellung markenkonformer Kommunikation oder Produktdesigns einsetzt. 

Kreativität bleibt wichtig

«Wir müssen aber beachten, wie diese Nützlichkeit bewertet wird», so Schäfer weiter. «Rein monetär könnten wir dies über die Einsparung von Kosten recht leicht, wenn in Summe die Ausgaben für Gen KI niedriger als bisherige Prozesse sind.» Wenn man beispielsweise sechs Stunden für die Entwicklung einer passenden Werbekampagne benötigt, dieselbe mit Hilfe von Gen KI aber in zwei Stunden realisiert bekommt, kann der Einsatz schnell nützlicher sein. «Eine nicht rein monetäre Nützlichkeit, die beispielsweise auf das Markenerlebnis – Brand Experience – oder auf die ästhetische Qualität von Produkten einer Marke abzielt, ist dann deutlich schwieriger mit Gen KI zu verbessern.»

Hier kommen Kreativität und Menschlichkeit ins Spiel, die zwar zunehmend von Gen KI simuliert werden, aber dann doch nicht dasselbe seien, so Schäfer. «Gerade bei Nicht-Massenmarken suchen Kunden und Kundinnen oft den Bezug zu den Menschen hinter den Marken, wie der Designerin oder dem Experten für eine Produktionstechnik», sagt Schäfer. «Diese Nähe zu Künstlern und Handwerkerinnen und wie sie uns mittels der Marke versprechen, einen Beitrag zur Erfüllung unserer Träume zu leisten, ist ein Nutzen, der durch Gen KI meines Erachtens nicht ersetzt werden kann.»

Potenzial für neue Marken

Geglückte Beispiele sind Puma oder H&M. Puma verwendet Gen KI für die Gestaltung von Fussballtrikots durch Fans im Rahmen einer spannenden Kampagne, mit der auch die emotionale Nähe zu den jeweiligen Clubs gestärkt werden kann. H&M hingegen nutzt Gen-KI-Lösungen zum markenkonformen Design ihrer Kleidung, beispielsweise mit RaspberryAI. Shopping-Agenten sind laut Schäfer ein «spannender Begriff, da wir wie bei den genannten KI-Agenten selbst das Einkaufen an eine Gen KI delegieren können.» Ob man dies wirklich möchte, werde noch intensiv diskutiert, da man damit auch das verlieren könnte, was Spass am Shopping macht. «Technisch sind wir mit Lösungen wie dem Model Context Protocol (MCP) von Claude oder Googles Agent-2-Agent-(a2a-)Protokoll bereits in der Lage, dass KI-Agenten Aufgaben für uns und mit anderen KI-Agenten, beispielsweise einer Marke oder eines Händlers, übernehmen.»  

Daher müssten Marken zukünftig für ihr Marketing verstehen, wie die Beziehung von Kunden zu diesen KI-Agenten, aber auch zum Kundenerlebnis des Shoppings an sich ist. «Das Marketing muss dabei nicht nur diese neuen Technologien schnell verstehen, sondern auch die Risiken erkennen, die deren Nutzung für die Wahrnehmung der Marken haben kann», so Schäfer. «Hier sind wir noch sehr am Anfang, was aber neben Risiken auch viel Potenzial selbst für ganz neue Marken bietet.»