Über Jahre hinweg haben Marketingteams daran gearbeitet, Suchalgorithmen zu verstehen und ihre Marken möglichst sichtbar in den Ergebnislisten zu platzieren, um Reichweite und Umsatz zu steigern. Doch inzwischen erscheinen Antworten immer öfter direkt auf der Suchergebnisseite, ein Klick auf externe Websites wird zunehmend überflüssig. Eine Bain-Befragung aus den USA zeigt, dass bereits rund 80 Prozent der Verbraucher bei mindestens 40 Prozent ihrer Suchanfragen auf sogenannte Zero-Click-Ergebnisse zurückgreifen. Der organische Webtraffic sinkt dadurch um ungefähr 15 bis 25 Prozent.
Stefano Gallazzi, Partner bei Bain & Company, Zürich Philip Dowling, Partner bei Bain & Company, München
Eine neue Ära der Internetsuche
Zwei grundlegende Entwicklungen stellen die Onlinesuche derzeit auf den Kopf: zum einen generative KI-Zusammenfassungen, die von Suchmaschinen wie Google und Bing geliefert werden, zum anderen der Aufstieg sogenannter Large Language Models (LLM) wie Perplexity oder Chat GPT Search als eigenständige Suchplattformen. Der Zero-Click-Trend nimmt auf klassischen Suchmaschinen spürbar zu. Laut Bain-Analysen erklärt sogar rund die Hälfte derjenigen, die generativer KI kritisch gegenüberstehen, dass ihre Suchanfragen meist direkt auf der Ergebnisseite beantwortet werden. Gleichzeitig gewinnen KI-Plattformen rasant an Popularität: Chat GPT verzeichnete im November 2024 einen Traffic-Anstieg von 44 Prozent, Perplexity zählte Ende 2024 rund 15 Millionen monatliche Nutzerinnen und Nutzer. LLMs ersetzen klassische Suchmaschinen zunehmend in vielen Anwendungsbereichen: 68 Prozent der User recherchieren und lassen Informationen zusammenfassen, 48 Prozent verwenden sie für Nachrichten und Wetter, 42 Prozent für Produktempfehlungen.
Mit dem Rückgang organischer Klickraten schwindet die Sichtbarkeit bei hochwertigen, nicht markengebundenen Suchanfragen – also in der entscheidenden Phase, in der Informationen gesammelt und verglichen werden. Gerade in diesen frühen Momenten entstehen erste Kundenkontakte, aus denen später Konversionen hervorgehen. Generative KI verändert damit nicht nur das Suchverhalten, sondern macht die Customer Journey auch zunehmend zu einer algorithmisch gesteuerten Erzählung. In der neuen Realität des Verbraucherverhaltens braucht es mehr als nur klassische Suchmaschinenoptimierung (SEO). Erfolgreiche Marken werden ihre SEO-Massnahmen zwar weitertreiben, da sie vorerst ein zentraler Kanal für die Zielgruppenansprache bleiben. Parallel dazu braucht es jedoch mutige, gezielt angelegte Experimente, um Einfluss auf Sichtbarkeit und Platzierung in KI-gestützten Suchübersichten und LLM-Ergebnissen zu nehmen. Marketingverantwortliche können mit klaren Massnahmen die Basis dafür schaffen.
Entscheidend ist ein strategischer Dreiklang. So sollten Inhalte zunächst so aufbereitet sein, dass LLMs sie zuverlässig erkennen und interpretieren können – also eine hohe Crawlability aufweisen. Das erfordert semantisch strukturierte Inhalte mit Fokus auf Suchanfragen mit hoher Kaufabsicht und Long-Tail-Begriffen. Formate wie PDF oder geschützte Inhalte verlieren zunehmend an Bedeutung.
Es geht um mehr als Konversion
Zudem sind vielfältige Content-Formate entscheidend. Text allein genügt nicht mehr. Videos, interaktive und visuell starke Inhalte erhöhen die Chance, in generativen KI-Antworten zu erscheinen. Entscheidend ist weniger die Keyword-Dichte als vielmehr echte thematische Tiefe. Schliesslich gilt es, die Erfolgskennzahlen neu zu denken. Statt klassischer Klickmetriken zählen nun Suchimpressionen und Reichweite in KI-Systemen. Im Fokus stehen Sichtbarkeit und Einfluss – nicht allein die Konversion.
Da Zero-Click-Suchen und KI-Suchsysteme das Entdecken, Lernen und Entscheiden verändern, müssen erfolgreiche Marken offen für Innovation und neue Ansätze sein. Marketingverantwortliche sollten ihre Strategien überdenken, um Markenrelevanz und Kundenbindung zu sichern.
