Michael Leysinger ist ein Nestbeschmutzer. Denn der Inhaber von Leysinger Tax & Finance Consultants ist ein Befürworter der Flat Tax. «Zehn Prozent und fertig», sagt Leysinger. Für die Branche wäre das eine Katastrophe, denn die lebt von der Komplexität. Leysinger: «Je komplizierter man das Steuerwesen gestaltet, desto mehr Geld verdient man als Steuerberater.»

Geld braucht auch der Staat. Die Kreativität bei der Einführung neuer Abgaben steigt. Die Steuerexperten halten dagegen, der Staat reagiert wiederum, so schaukelt sich die Komplexität mit der Zeit immer weiter hoch. Zudem gilt die Formel: Ein neuer Abzug ergibt drei Ausnahmen. «Jeder Abzug verkompliziert das Steuerwesen exponentiell», sagt Leysinger.

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Verzwicktes Steuerwesen

Er spielt das Spielchen mit, selbst wenn es Kraft und auch Geld kostet. «Es ist anstrengend, ein guter Steuerberater zu sein und auch zu bleiben.» Im Schnitt besucht er jeden Monat zwei Steuerseminare. Dazu kommen Berge nationaler und internationaler Fachliteratur. «Ist man nicht diszipliniert, ist man weg vom Fenster», sagt Leysinger.

Obschon die Komplexität vor allem für Unternehmen und internationale Angelegenheiten gilt, wird es auch bei Privatpersonen etwa bei Erbschaften, Scheidungen, Kindern aus verschiedenen Ehen oder unternehmerischer Tätigkeit abgabentechnisch schnell verzwickt.

Komplizierter Fahrkostenabzug

Ein aktuelles Beispiel in Sachen Komplexität ist der ab der Steuersaison 2016/2017 gültige Fahrtkostenabzug. Losgetreten wurde die Änderung im Februar 2014 durch das Ja zum Ausbau der Bahninfrastruktur, besser bekannt als Fabi, der auf diesem Wege finanziert wird. Jetzt, da die Steuererklärungsformulare von den Finanzbehörden in vier Schüben unter die Bevölkerung gebracht werden, ist der Abzug unter Treuhändern das grosse Thema.

«Der Fahrtkostenabzug ruft gigantische Komplikationen hervor. Selbst Fachleute rätseln, wie man es richtig macht. Die Steuerbehörden wissen es teilweise auch nicht, es ist hoch kompliziert», sagt Leysinger. Auf den ersten Blick ist die Verwirrung nicht verständlich: Neu wird der Pendlerabzug auf 3000 Franken im Jahr beschränkt. Fix ist die Deckelung bei der Bundessteuer, die Kantone sind frei, eine Begrenzung einzuführen.

Autofahrer im Nachteil

Während der steuerliche Nachteil für GA-Besitzer (aktuell mit Kosten von 3860 Franken) überschaubar ist, wird die Steuerrechnung für 2016 bei Menschen, die lange Arbeitswege mit dem Auto auf sich genommen haben, wenig Begeisterung hervorrufen. Die 3000 Franken Höchstabzug basieren auf einem täglichen Arbeitsweg von rund 20 Kilometern für Hin- und Rückfahrt.

Für viele Pendler ergibt diese Begrenzung kräftige Einbussen. «Ich hatte Kunden, die jeden Tag 200 Kilometer zur Arbeit und zurück gependelt sind», sagt Werner Räber, Partner bei der Dr. Thomas Fischer & Partner AG in Baar. Bei 220 Arbeitstagen entspricht das 44'000 Kilometern. Multipliziert mit 70 Rappen, reduzierte sich das Einkommen dieser Klienten bisher um 30'800 Franken, also ein Zehnfaches des neuen Fahrtkostenabzuges.

Herbe einbussen

Besonders teuer wird es, wenn die Kantone – wie vom Bund freigestellt – bei der Deckelung mitziehen. Steuerharmonisierungsgesetz hin oder her, gibt es je nach Kanton sehr unterschiedliche Regelungen. Zürich will wenig Verkehr und plant für 2017 wie der Bund eine Deckelung von 3000 Franken, ein Volksentscheid ist noch ausstehend. St. Gallen hat die Grenze bei den Abzügen bei 3655 Franken gezogen. Noch einigermassen pendlerfreundlich sind Kantone wie Bern mit 6700 Franken oder Thurgau mit 6000 Franken.

Um dennoch möglichst viel absetzen zu können, gilt es, den Weg zur Arbeit von «anderen geschäftlichen Fahrten» abzugrenzen. Eine Fahrt von der Wohnung direkt zu einem Kunden würde in diese Kategorie fallen und der Beschränkung nicht unterliegen. Genau hier wird es verzwickt. Immer wieder wird sich für die Steuerpflichtigen und die Steuerbehörden die Frage stellen, was privat ist und was geschäftlich. Dem Fahrtenbuch kommt wieder mehr Bedeutung zu.

Neue Vereinfachung bei Weiterbildungskosten

Noch komplizierter wird es bei einem Geschäftsauto. Bisher wurde der Privatanteil des Kaufpreises mittels 9,6-prozentiger Pauschale oder der effektiven Nutzung –aufgezeichnet per Bordbuch – als Lohnbestandteil zum Einkommen gerechnet. Neu wird jetzt (für die direkte Bundessteuer ab Steuerperiode 2016) auch die Ersparnis (der Arbeitgeber übernimmt mit dem Geschäftsauto quasi die Kosten) als fiktives Einkommen zum steuerbaren Lohn addiert. Die Aufrechnung soll der Steuerpflichtige selbst deklarieren. In der Folge wird bei der Bundessteuer ein pauschaler Abzug von 3000 Franken gewährt. Grundsätzlich gilt: Steuerkommissäre entscheiden, ob der Weg per Bahn oder Bus zumutbar ist.

Die zweite grosse Neuerung, die es beim Ausfüllen der Steuererklärung für 2016 zu beachten gilt, beweist, dass es auch einfacher werden kann. Neu müssen die ab dem 1. Januar 2016 vom Arbeitgeber getragenen Kosten für berufsorientierte Aus- und Weiterbildung sowie Umschulungskosten nicht mehr als Einkommen ausgewiesen werden. Trägt ein Arbeitgeber die Bildungskosten selbst, vermindern sie das Einkommen, jedoch maximal um 12'000 Franken. Der direkte Zusammenhang mit dem aktuell erzielten Erwerbseinkommen muss nicht mehr gegeben sein.

Voraussetzung für den Abzug ist ein erster Abschluss auf Sekundarstufe II. «Eine absurde Abgrenzung ist nun endlich Geschichte», sagt Räber. Ausgaben für die Erstausbildung, wie Lehre oder Erststudium, können nicht abgezogen werden. Die Kosten für ein Doktorat, einen Master oder ein Zweitstudium hingegen schon.

Was Sie vor Ihrer Rente klären sollten, sehen Sie in der Bildergalerie unten:

Erich Gerbl
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