Die Schweiz ist gemäss dem Innovation Union Scoreboard (IUS) die innovativste Nation Europas – mit grossem Vorsprung vor dem zweitplatzierten Schweden. Das IUS basiert auf der Auswertung einer immensen Datenmenge. Erfasst werden die Patentierungsaktivität, die Doktorandenquote, F+E-Ausgaben oder die Hightech-Exporte. Nicht erhoben wird die Zahl der innovativen, international ambitionierten Jungfirmen. Aus der Zusammenschau der Rubriken Risikokapital und innovative Klein- und Mittelbetriebe (KMU) lässt sich aber ersehen, dass die Schweiz auch in dieser Sparte vorne mitmischt.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

In welchen Branchen sind diese Gründerinnen und Gründer aktiv? Wie erfolgreich sind sie wirklich? Das Institut für Jungunternehmen (IFJ) des St.Gallers Beat Schillig wollte es genau wissen. Zusammen mit Partnern hat das IFJ 100 Schweizer Experten aus den Bereichen Wirtschaftsförderung, Finanzierung, Hochschule und Unternehmertum nach ihren persönlichen Start-up-Favoriten befragt. Herausgekommen ist eine Liste der besten, aussichtsreichsten und innovativsten Jungfirmen der Jahrgänge zwischen 2006 und 2011.

Zunächst fällt die Diversität der Geschäftsmodelle auf. Das Erfolgsrezept, das nur aus der Schublade gezogen werden muss, scheint nicht zu existieren. Gleichwohl lassen sich Muster erkennen, zum Beispiel bezüglich der Branchenzugehörigkeit. 23 Firmen – und damit beinahe ein Viertel der Top 100 – sind in der Medizinaltechnik aktiv. Für den Standort Schweiz ist die hohe Dichte der Medtech-Firmen ein gutes Zeichen, denn die Medizinaltechnik – angesiedelt an der Schnittstelle von Gesundheitswesen und Hochtechnologie – gilt als eine der Zukunftsbranchen schlechthin.

An zweiter Stelle mit 15 Firmen folgen ex aequo die Biotechnologie und die Mikrotechnik, die mit Optotune auch den Sieger stellt. Auf den nächsten Plätzen dann die Gebiete Internet (12) und Software (11). Interessant ist die Gruppe der Internet-Start-ups. Sie belegen nicht weniger als drei Plätze unter den Top Ten. Dort ist jetzt die Gruppe der sogenannten Digital Natives am Ruder: Johannes Rech, der Chef von Getyourguide, hat Jahrgang 1984.

Ebenfalls um eine vergleichsweise junge Branche handelt es sich bei der Cleantech-Industrie. Sie stellt neun der Top 100. Das Wachstumspotenzial ist auch hier enorm: Der Masterplan Cleantech des Bundes geht davon aus, dass sich der Anteil von «sauberen Technologien» an der globalen Wirtschaftsleistung bis 2020 auf über 3 Billionen Franken mehr als verdoppeln wird. Nutzniesser dieses Booms sind Gründer wie der Tessiner ETH-Ingenieur Niccolò Pini. Er hat ein revolutionäres Verfahren für die Produktion von Leichtbaufelgen entwickelt. Wenn alles klappt, wird es 2013 von einem grossen Automobilhersteller in die Serienproduktion übernommen.

«Wir stellen eine enorme Leistungsdichte fest», kommentiert Beat Schillig, «und das gilt über alle Branchen hinweg.» Aber nicht nur die Auswertung nach Branchen liefert wertvolle Aufschlüsse. Erhellend ist auch die Analyse nach Geschlechterverteilung, Zahl der Arbeitsplätze oder geographischer Herkunft der Jungfirmen. So zeigt sich, dass zwei Drittel der Top-100-Firmen aus der Deutschschweiz kommen, ein Drittel aus der romanischen Schweiz. Bei den Kantonen führen Zürich und die Waadt, wo mit der ETH und der EPFL die beiden wichtigsten akademischen Innovationstreiber des Landes beheimatet sind.

Bezüglich Arbeitsplätzen fällt auf, dass momentan vor allem Firmen aus den Bereichen Internet und Telekommunikation Stellen aufbauen. Allein Goodshine/ Deindeal hat in den letzten beiden Jahren 160 Mitarbeiter eingestellt. Die fünf mitarbeiterstärksten Jungfirmen beschäftigen zusammen rund 300 Personen.

Was die Führungspositionen betrifft, so besteht eine starke Ungleichheit der Geschlechter. Während in der gesamten Unternehmenspopulation nur 4 Prozent der Chefs weiblich sind, sind es bei den Top-Start-ups immerhin sechs von hundert. Weiter als die arrivierten Firmen sind die Start-ups aber nicht nur in der Geschlechterfrage. Auch in Sachen flache Hierarchie und Teamorientierung sind sie Vorreiter. Die personelle Zusammensetzung der 100 Geschäftsleitungen verrät, dass die meisten Firmen von de facto gleichberechtigten Gruppen geführt werden.

«Der Jungunternehmer als einsamer Kämpfer ist Vergangenheit», kommentiert Walter Steinlin, Präsident der Innovationsagentur des Bundes KTI. Für Steinlin, der die Top-100-Studie mitfinanziert hat, ist der moderne Unternehmer jemand, der technische, personelle und finanzielle Ressourcen zusammenführt.

Ein Blick auf die Top 100 zeigt, dass die meisten Firmen auch extern sehr gut vernetzt sind. Zwei Drittel arbeiten mit Hochschul-Know-how und können als Spin-offs bezeichnet werden. Mehr als 50 Firmen haben einen Investor an Bord geholt, und ebenfalls eine Mehrheit der Unternehmen hat vom Coaching-Prozess der KTI profitiert. Diese Durchlässigkeit von Geld, Know-how und Manpower ist typisch für eine dynamische Start-up-Kultur. «Wir haben in der Schweiz eine Gründerszene, die sich international sehen lassen kann», sagt Beat Schillig.

Um zu sehen, wohin sich diese Szene entwickelt, und um zu erkennen, wie man sie allenfalls noch effizienter fördern könnte, wollen das IFJ, die KTI und die weiteren Partner die Top-100-Umfrage jährlich durchführen.