Künstliche Intelligenz wird bislang vor allem als kostengünstiges Mittel zum Lesen und Schreiben von Texten oder zum Zeichnen von Bildern verstanden. Doch die atemberaubende Technologie entfaltet weit darüber hinaus enorme Wirkungen. Sie dürfte zur wichtigsten Waffe der Welt werden. Wer die beste künstliche Intelligenz besitzt, dem wächst die grösste militärische Macht zu. Künstliche Intelligenz könnte wichtiger werden als die Atombombe. Da China dieses Rennen um Technologie eventuell gewinnt, könnte das Land den USA den Rang als stärkste Militärmacht in den kommenden Jahrzehnten ablaufen.

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Warum wird künstliche Intelligenz zur wichtigsten Waffe der Welt? Weil sie den Fronteinsatz eigener Soldaten in Gefechten auf null reduzieren könnte, damit den Blutzoll im eigenen Lager verringert, Kriege innenpolitisch für lange Zeitspannen tragbar macht und ihre Kosten auf den Ersatz preiswerter Hardware reduziert. Goethe hatte 1792 in der Kanonade von Valmy beobachtet und intuitiv verstanden, wie grundlegend Artillerie die Kriegsführung verändern würde. Oppenheimer, Roosevelt und Truman begriffen, dass Kriege nach der Erfindung der Atombombe nie wieder so verlaufen würden wie davor. Heute stehen wir an einem vergleichbaren Wendepunkt.

Schon der Krieg in der Ukraine zeigt, dass Drohnen zur taktisch entscheidenden Waffe werden – in der Aufklärung wie auch als Waffenträger. Dabei sind dort heute vor allem primitive Drohnen mit manueller Steuerung im Einsatz. Leicht vorstellbar ist, wie gefährlich die Vermählung von Drohnentechnologie mit künstlicher Intelligenz werden kann.

Die Aussichten sind erschreckend realistisch

Man lässt Abertausende autonomer Drohnen auf die Heere und Fluggeräte seiner Gegner los. Sie suchen und finden ihre Ziele allein. Sie jagen in Rudeln, weil sie miteinander und mit Super-Servern in der Cloud kommunizieren. Sie sagen Ausweichbewegungen und Fluchtrouten ihrer Gegner präzise voraus. Sie kommen in Gestalt rollender und fliegender Panzer daher, aber auch als winzige Libellen, die in die Hauptquartiere der Gegenseite vordringen und die Befehlshaber aus nächster Nähe töten. Die Visionen voll automatisierter Armeen sind so erschreckend wie realistisch. 

Natürlich rüstet die Gegenseite ihrerseits auf. Schwärme autonomer Kriegsmaschinen liefern sich erbitterte Gefechte. Weil letztlich alle über gleich guten Sprengstoff verfügen, ist es Intelligenz, die Schlachten und Kriege entscheidet. Damit verlagert sich das Erringen militärischer Dominanz in die Programmierstuben der Softwareentwickler. 

Dies verschafft bevölkerungsreichen, technologiebekennenden und bildungsaffinen Staaten einen unschätzbaren Vorteil. Zwar weisen auch die USA diese Eigenschaften auf. Doch mit nur einem Viertel der Einwohner Chinas und Indiens fallen sie unweigerlich eines Tages zurück. China und Indien setzen auf technische Bildung und glänzende Universitäten.
In China verlassen rund 600’000 Menschen pro Jahr die Hochschulen mit einem Ingenieursabschluss, in den USA sind es rund 150’000. Falls der Westen seine Strategie nicht anpasst, wird er den Aufstieg Chinas zur grössten Militärmacht der Welt kaum noch abwenden können.

Christoph Keese ist Verwaltungsratspräsident von World.Minds sowie Unternehmer und Unternehmensberater aus Berlin. Der Autor von sechs Büchern schreibt regelmässig über Technologie und Innovation, neuerdings auch zweiwöchentlich in der «Handelszeitung».