Leise knarzt das Fischgrätparkett. Licht spendet ein Kronleuchter, der an der mit Stuck versetzten Decke hängt. Und an den Wänden schauen einem die Ahnen der Familie Bär beim Essen zu. Die prunkvollen Räume an der Bahnhofstrasse 36 atmen die Geschichte des Geldes.

Wo einst die Nationalbank über den Franken wachte, schwingt heute René Weber den Kochlöffel für die gutbetuchte Klientel der Bank Julius Bär. Weber stand bereits in diversen Sternelokalen im In- und Ausland am Herd. Seit 13 Jahren tut er dies fürs Zürcher Geldhaus. Es ist kein normales Restaurant, sondern eines exklusiv für die Kunden der Bär. Im Sold steht Weber allerdings bei der SV Group, welche den gastronomischen Bereich für die Bank besorgt.

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Beim Business-Essen wird nicht gestört

«Meine Spezialität sind Forellen, direkt aus dem Zürichsee», so Weber, der auf lokale Produkte setzt und die vier Speiseräume dank Mise-en-place-Küche im Alleingang bespielen kann. Ob der fangfrische Fisch seinen Gästen aber auch schmeckt, erfährt der Chefkoch stets nur über Dritte. «Es sind ja Business-Essen, da störe ich nur.» Ihm genüge das Feedback von Kundenberatern wie Mike Spielmann. Der langjährige Relationship-Manager schätzt den firmeneigenen Gastrotempel und isst im Schnitt ein- bis zweimal im Monat mit seinen Kunden hier – stets aufs eigene Beraterbudget.

«Beim Lunch entsteht eine persönlichere Beziehung zum Kunden, während im Besprechungszimmer der Portfolio-Review im Zentrum steht», sagt Spielmann. Statt einfach die Depotposten abzuarbeiten, weitet sich beim Mittagessen automatisch der Gesprächshorizont. Gerade bei Kunden, die der Berater noch nicht à fond kennt, biete sich ein Kennenlernlunch an.

Eine ganzheitliche Sicht über die Vermögensverhältnisse zu bekommen, sei denn auch immer wichtiger, sagt Spielmann und macht ein Beispiel: «Ein Kunde erzählte mir kürzlich eher beiläufig vom Enkelsohn, der gerade in den USA zu studieren anfängt. Da ergibt etwa künftig eine erhöhte Dollar-Exposure Sinn.»

Vertraulichkeit ist wichtig

Das gemeinsame Mittagessen mit dem Kunden ist aber auch ein guter Moment, um die Expertise der Bank zu unterstreichen und damit die Vertrauensbasis zum Institut zu stärken. «Zum Lunch ziehe ich oftmals auch interne Spezialisten bei», erklärt Spielmann, «sei dies beispielsweise der Chefökonom oder Chefstratege der Bank».

Spielmann könnte mit seinen Klienten auch in einem der zahlreichen Restaurants rund um den Zürcher Paradeplatz Mittagessen gehen. Doch jenen Grad an Privatheit kann seinen Kunden nur das bankeigene Speiselokal bieten. Diskretion sei extrem wichtig, erklärt der Kundenberater. «Ich kann finanzielle und private Themen besprechen, ohne dass jemand mithört.»

Diskreter Klingelknopf

Die Verschwiegenheit geht so weit, dass Spielmann stets ein blaues Gerätchen zur Hand hat. Was wie ein antiquierter Pager ausschaut, ist ein Klingelknopf, der dem Servicepersonal diskret signalisiert, dass der Gast bereit ist für den nächsten Gang. «Wir betreten den Raum nur, wenn der Kundenberater es wünscht und uns hineinbittet», sagt Clara Vogler. Sie leitet ein achtköpfiges Team und ist für die Bewirtung der solventen Gäste zuständig.

Auch Vogler arbeitet bereits seit fünfzehn Jahren für die Bank Bär, ebenfalls im Angestelltenverhältnis bei der SV Group. Die gelernte Servicefachangestellte hat den Wandel der Kundengastronomie im Finanzbusiness hautnah miterlebt: «Als ich anfing, stand jeden Mittag eine gute Flasche Bordeaux auf dem Tisch, meist aus dem damaligen, bankeigenen Bordeaux-Keller.» Dabei blieb es nicht. Spirituosen und Zigarren nach dem Dessert gehörten in den goldenen Bankjahren einfach dazu.

Knappes Zeitbudget der Klienten

Zwar kann Vogler bis heute mit einer Karte auserlesener Weine und einer Kiste mit edlen Zigarren aufwarten. Rauchverbot gibt es in den bankeigenen Privaträumen auch keines. Aber Tabak und Alkohol seien gerade über Mittag längst nicht mehr gesetzt, sagt die Servicechefin. Überhaupt sei das Geschäft schnelllebiger geworden, die Leute hätten immer weniger Zeit, doppelt Chefkoch Weber nach und spricht von einem «Quick-Lunch»-Phänomen: Liessen es sich die Bankkunden früher zwei und mehr Stunden bei einem richtigen «déjeuner arrosé» gutgehen, dauere heute ein typischer Dreigänger im Schnitt noch eine Stunde.

Aufs knappe Zeitbudget und die veränderten Gewohnheiten seiner Klienten nimmt auch Berater Mike Spielmann Rücksicht: Gerade berufstätige Kunden lädt er vermehrt zu Randzeiten auf ein Birchermüsli. So werde aus einem «Quick Lunch» ein «Quick Brunch».