Er ist ein Self-Made-Milliardär und gehört zur chinesischen Tech-Elite. Sein Vermögen beläuft sich laut Forbes auf rund 5 Milliarden Dollar. Und trotzdem ist der 43-jährige Jia Yueting im Westen kaum bekannt. Es gibt nur einen englischen Wikipedia-Eintrag. Dieser umfasst gerade einmal vier Sätze.

Das dürfte sich schon bald ändern, denn Jia Yueting bringt mit seinem Konzern LeEco gleich drei Ikonen der Tech-Industrie ins Wanken: Tesla, Uber und Netflix. Der jüngste Wurf des Milliardärs wurde an der Automesse in Peking vorgestellt. Es handelt sich um einen elektrischen Flitzer – das Konzeptauto «LeSee».

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Tesla-Konkurrenz aus China

LeSee ist ein Viertürer-Coupé, das per Smartphone gefahren werden kann. Bei der Weltpremiere in China liess Jia Yueting den Wagen per Sprachbefehl vorfahren und einparken. Im Innenraum beherrscht ein riesiges Display das Armaturenbrett. Das Lenkrad faltet sich zurück, wenn es nicht benötigt wird. Die Höchstgeschwindigkeit soll bei 210 Kilometern in der Stunde liegen.

Wann der Wagen die Serienreife erreichen soll, ist noch nicht bekannt. Klar ist aber, dass Jia über das nötige Know-how und Kleingeld verfügt, um das futuristische Elektroauto schon bald auf den Markt zu bringen. Mit Aston Martin tüftelt der Chinese bereits an einem Sportwagen. Im Norden von Las Vegas entsteht für rund 1 Milliarde Dollar eine Autofabrik, die den Tesla-Schreck Faraday Future produzieren soll. Für die Produktion des Wagens hat Jia Top-Manager von Tesla, BMW, Apple, Google, Boeing und SpaceX abgeworben.

Unterstützung aus Peking

Fast noch wichtiger als Know-how und Geld ist das politische Umfeld. Im Kampf gegen hohe Umweltverschmutzung setzt die chinesische Regierung auf Autos, die mit Strom betrieben werden. Im vergangenen Jahr vervierfachte sich der Absatz solcher Fahrzeuge, inzwischen ist China der weltweit grösste Markt für Elektroautos. Rund 1,36 Milliarden Menschen leben im Reich der Mitte, die Wachstumsaussichten sind entsprechend enorm.

Autonome Fahrkonzepte und die Sharing Economy bieten ausserdem interessante Lösungen für notorisch verstopfte Strassen und ein riesiges Parkplatzproblem in den chinesischen Metropolen. Diesen Bedürfnissen soll der neue Wagen Rechnung tragen. Per App soll man den fahrerlosen Wagen bestellen können – so wie ein Uber-Taxi geordert werden kann.

Elektronisches Mobilitätskonzept

Der Wagen ist also viel mehr als nur eine Tesla-Kopie. Er ist ein komplettes, elektronisches Mobilitätskonzept, was auch Ding Lei, der Co-Gründer von LeEco, bei der Präsentation in Peking anmerkte: «Wir bauen nicht nur ein elektrisches Fahrzeug, das smart ist, sondern ein neues Mobilitätskonzept der Zukunft.»

An der nötigen Infrastruktur arbeitet Jia schon seit langem. Mit Leshi-TV – einer chinesischen Netflix-Variante – legte er den Grundstein für sein Imperium. Mittlerweile gehören Musik-Streaming, Cloud-Computing und Mobiltelefone zu seinem Angebot. Und seit kurzem ist er auch am Uber-Konkurrenten Yidao Yongche beteiligt. Für 700 Millionen Dollar hat Jia sich 70 Prozent an der Firma gesichert.

 

Tesla und Uber vor dem Aus

Dieses Investment könnte Jia zum wichtigsten Player in der chinesischen IT- und Auto-Branche machen – und die amerikanischen Shootingstars Tesla und Uber in Bedrängnis bringen: Tesla hat es bisher nicht geschafft, wirklich Fuss zu fassen. Elon Musk hat erst ein Modell auf den Markt gebracht, die Absatzzahlen bewegen sich im tiefen einstelligen Tausenderbereich. Uber verbrennt jedes Jahr 1 Milliarde Dollar in China, kann sich aber trotzdem nur sehr schwer etablieren.

Im Kampf gegen die amerikanischen Giganten hat Jia überdies einen gewichtigen Vorteil: Er ist Chinese, sein Unternehmen ist chinesisch. Der Führung in Peking lag schon immer viel daran, die heimische Industrie zu fördern, vor allem wenn es um vermeintlich «grüne» Themen geht  – und die Gegner aus den USA kommen.

Grüne Wachstumsinitiative

Bestes Beispiel ist die Solarindustrie. Wegen des riesigen Energiehungers und der Umweltverschmutzung setzt die kommunistische Partei seit Jahren einen Schwerpunkt auf die Entwicklung der heimischen Solarindustrie. Dafür wendet Peking viel Geld auf – und scheut offenbar auch nicht vor illegalen Praktiken zurück. Im Auftrag der Regierung soll Industriespionage im grossen Stil betrieben worden sein. Die USA haben China vor zwei Jahren offiziell wegen Cyberspionage verklagt.

Das ist längst nicht der einzige Streit. Die Europäische Union hatte 2013 nach einer langen Auseinandersetzung mit China Mindestpreise und Strafzölle vereinbart, welche die schwer angeschlagene europäische Solarindustrie gegen die deutlich preiswertere chinesische Konkurrenz wappnen sollten. Der Streit kocht immer wieder hoch und beschäftigt auch die Welthandelsorganisation in Genf. Die chinesische Führung nimmt es gelassen. Die Solarindustrie wird weiter kräftig gefördert. Im jüngst verabschiedeten, neuen Fünfjahresplan ist die Rede davon, die Kapazität der installierten Solarenergie bis 2020 zu verdreifachen.

Förderung der heimischen Industrie

Damit könnte China bis 2020 über mehr als 140 Gigawatt Solarkraft verfügen. Zum Vergleich: Weltweit waren Ende 2015 nur 200 Gigawatt installiert. Aus dem Solar-Disput muss also die Lehre gezogen werden: Die Führung in China hilft der heimischen, grünen Industrie auf die Beine – notfalls entgegen international geltendem Recht. Ausländische Firmen werden benachteiligt. Genau das spielt Jia und seinem Elektroflitzer in die Hände.