Clariant sucht einen neuen Chef und will sich offenbar von der Sparte Masterbatches trennen. In was für einer Verfassung sehen Sie den Spezialitätenchemiekonzern  - gelingt Clariant die Neuausrichtung?
Bei Clariant lief zuletzt einiges nicht nach Plan. Die fehlgeschlagene Fusion mit Huntsman vor zwei Jahren, das gescheiterte Joint Venture mit dem saudischen Chemieriesen Sabic, der plötzliche Abgang des CEO. Der Verkauf des Geschäfts für Gesundheitsverpackungen ist hingegen weitgehend abgeschlossen und auch die Veräusserung der Sparte Masterbatches scheint auf der Zielgeraden.

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Das heisst aber auch: Clariant wird kleiner anstatt grösser, obwohl dem Unternehmen nach eigenem Bekunden die kritische Grösse fehlt. Zurzeit fehlt das entscheidende Wachstumselement. Ob Clariant die Neuausrichtung gelingt, hängt nicht zuletzt auch am Ankeraktionär Sabic, dessen Augenmerk jedoch derzeit eher auf dem geplanten Börsengang von Aramco liegen dürfte.

Der Titel von Nestlé hat sich heuer bislang um rund dreissig Prozent aufgewertet. Ist nächstes Jahr ein weiterer Steigerungslauf möglich?
Nestlé ist einer der Haupttreiber der starken Performance des Schweizer Aktienmarktes. Das Unternehmen galt lange Zeit als solide aber wachstumsschwach, hat sich in diesem Jahr aber deutlich gesteigert. In den ersten neun Monaten des Jahres lag das organische Umsatzwachstum bei starken 3.7 Prozent. Nestlé ist mittlerweile allerdings stattlich bewertet, deutlich höher als die Branchenkonkurrenz wie etwa Danone oder Unilever.

Aber auch gemessen an der eigenen Vergangenheit ist Nestlé nicht gerade günstig. Aktuell erwarten die Marktteilnehmer für nächstes Jahr ein Gewinnwachstum von mehr als 7 Prozent. Kurssteigerungen über diesem Niveau würden sich direkt in der ohnehin angespannten Bewertung niederschlagen. Das limitiert das weitere Kurspotenzial.

«Nestlé ist mittlerweile stattlich bewertet.»

Thomas Heller

Thomas Heller ist CIO und Leiter Research bei der Schwyzer Kantonalbank.

Quelle: ZVG

Frankreichs Wirtschaft hat sich zuletzt überraschend stark entwickelt. Wird das Land längerfristig zum Wachstumsmotor der Euro-Wirtschaft – und wie bewerten Sie den Zustand des Wirtschaftsblocks im Allgemeinen?
Wirklich berauschend ist das Wachstum auch in Frankreich nicht. Es war zuletzt einfach nicht so schwach wie befürchtet. Aber es ist schon richtig, die Konjunkturdaten aus Frankreich und teilweise aus Spanien fielen besser aus, als in den beiden anderen grossen Euro-Ländern Deutschland und Italien. Von Wachstumsmotor zu sprechen, halte ich allerdings für verfrüht. Sollte Präsident Macron zunehmend Erfolg mit seinen Reformbemühungen haben, könnte Frankreich längerfristig aber eine stärkere Führungsrolle einnehmen.

Die Eurozone insgesamt steckt in einer etwas verzwickten Situation. Sie ist vom Handelskonflikt, vom Brexit und von der allgemeinen Industrieflaute - insbesondere im wichtigen Autosektor - überproportional betroffen, hat es aber nur teilweise in den eigenen Händen, etwas dagegen zu tun. Entspannen sich diese Problemfelder, wird die Eurozone allerdings auch ein relativer Gewinner sein. Vorerst bleibt die Lage aber angespannt.

Der Goldpreis ist so hoch wie seit sechs Jahren nicht mehr. Ist ein weiterer Wertzuwachs des Edelmetalls möglich?
Damit rechne ich nicht. Keiner der Faktoren, welche den Goldpreis typischerweise beeinflussen, lassen meines Erachtens einen weiteren Anstieg des Goldes erwarten. Nicht der US-Dollar, den wir zwar etwas schwächer sehen, aber nicht genug, um den Goldpreis nach oben zu treiben. Nicht die Zinsen, die wir nicht tiefer erwarten. Auch die physische Nachfrage, etwa der Notenbanken, könnte eher etwas abflauen.

Bleiben Marktturbulenzen und politische Unsicherheiten, die jederzeit aufflammen können. Die jüngste Vergangenheit hat aber gezeigt, dass die Unsicherheiten in der Politik, der Wirtschaft oder an den Märkten sehr ausgeprägt sein müssen, damit die Rolle von Gold als «sicherer Hafen» zum Tragen kommt, wie beispielsweise im 4. Quartal 2018. Auf dem aktuellen Niveau ist die Luft für den Goldpreis deshalb dünn. Ich rechne mit einer Fortsetzung der Entwicklung der letzten Wochen: Bestenfalls Konsolidierung, bei sinkender Tendenz.

Und was beschäftigt derzeit die Finanzmärkte sonst noch?
Einerseits die konjunkturelle Entwicklung. Andererseits die beiden grossen politischen Themen dieses Jahres: der Handelskonflikt und der Brexit. Alle zeigten zuletzt in die gleiche - positive - Richtung. Die Konjunkturdaten sind etwas besser, beziehungsweise weniger schlecht ausgefallen als befürchtet. Im Handelskonflikt rechnen alle mit einem baldigen ersten Abkommen, und ein No-Deal-Brexit ist wohl vom Tisch. Das hat zur positiven Grundstimmung an den Märkten beigetragen. Die Geldpolitik und die Berichtssaison der Unternehmen vermochten die Märkte hingegen kaum zu bewegen.

Wie wird sich die Schweizer Börse kurzfristig entwickeln?
Es scheint wieder einmal viel Positives eingepreist, die Stimmung an den Märkten ist sehr gut - für mich eher ein Kontraindikator. Ein definitiver Deal zwischen den USA und China könnte nochmals einen kleinen Schub auslösen.

Oder deutliche Signale, dass der zyklische Abschwung die Talsohle durchschritten hat. Ansonsten ist das Potenzial für markant höhere Aktienkurse limitiert. Ich rechne allerdings ohne negative Überraschungen bei den genannten Themen nicht mit einem spürbaren Kurseinbruch. Mit der oft zu beobachtenden Weihnachtsrally könnten der Schweizer Aktienmarkt Ende Jahr etwas höher liegen als heute.

Wo steht der SMI in zwölf Monaten?
In zwölf Monaten sind die US-Wahlen vorbei. Präsident Trump wird im Vorfeld alles für eine gute Börse unternommen haben. Das spricht für höhere Kurse.

Unverändert gilt, was ich an dieser Stelle vor Monatsfrist gesagt habe: Der Konjunkturverlauf sowie die Entwicklung im Handelskonflikt werden die Richtung an den Aktienmärkten vorgeben. Im positiven Fall - Ende des Abschwungs und (absehbares) Ende im Handelskonflikt - steht der SMI in 12 Monaten 10-12 Prozent höher als heute. Es sieht diesbezüglich aktuell nicht so schlecht aus. Aber insbesondere die politischen Fortschritte sind fragil und können die Konjunkturaussichten sowie die Aktienkurse wieder belasten.

(mbü)

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