Der Aufschrei gegen die geplante Schliessung von 170 Poststellen ist so erwartbar wie heuchlerisch. Erwartbar, weil die Post ein Staatskonzern ist und damit nicht nur Gewinne machen soll, sondern auch den Service public sicherstellen muss. Der Protest ist aber auch heuchlerisch, weil die Kritikerinnen und Kritiker selbst keine Antwort auf das Problem haben, das den Poststellenschliessungen zugrunde liegt: dass die Menschen immer weniger zur Post gehen. 

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

So ist die Zahl der Briefe seit 2016 um rund 50 Prozent auf 117 Millionen Stück gesunken. Noch stärker ist die Zahl der Einzahlungen zurückgegangen, die in einer Postfiliale getätigt werden. Der anhaltende Paketboom reicht nicht aus, um diese Faktoren zu kompensieren.Die Kundinnen und Kunden stimmen also mit den Füssen ab. Da ist es unlauter, der Post vorzuwerfen, sich dem anzupassen zu wollen.

Auch die Zahl der Bankfilialen hat sich halbiert

In Sachen Postdienste findet seit dem Siegeszug des Internets ein Strukturwandel statt. Dieser ist auch in anderen Bereichen zu sehen, etwa bei den Banken. So gab es 1990 noch 5427 Bankfilialen. Ende 2022 waren es mit 2606 weniger als die Hälfte. Mit der Integration der Credit Suisse in die UBS steht dem Filialnetz nun ein weiterer Einschnitt bevor. 

Abgesehen davon sind im Bankgewerbe die gleichen Mechanismen wie im Postgeschäft zu sehen: Die meisten Dienste sind dort online verfügbar. Wer will, kann sich sein Paket, das versendet werden soll, zu Hause abholen lassen und dies online buchen. Man kann der Post nicht vorwerfen, dass sie den Ausbau der digitalen Services vernachlässigt habe. 

Ebenso wenig kann man Post-Chef Roberto Cirillo vorwerfen, dass er nicht alles versucht hat, um die Kundenfrequenz in den Poststellen wieder anzukurbeln. Er holte Krankenkassen oder Behörden zu sich ins Haus. Und ging sogar so weit, dass in Postfilialen andere Banken wie die Migros Bank Kundinnen und Kunden beraten können. Damit stellte Cirillo das Wohlergehen der eigenen Poststellen über die Interessen der eigenen Bank, der Postfinance, die nach wie vor eine der wichtigsten Gewinnlieferantinnen des Konzerns ist. 

Eine flächendeckende physische Präsenz ist teuer. Hier sind Innovationen gefragt. In Deutschland hat die Deutsche Post ihr Filialnetz längst quasi externalisiert und spannt mit Partnern wie Supermarktketten zusammen. Ganze zwei Filialen betreibt die Deutsche Post noch in Eigenregie. Soweit wird die Schweizerische Post nie gehen. Aber auch sie kann kostengünstig ihre physische Präsenz über Partnerschaften ausbauen, wenn sich der Betrieb einer selbst geführten Poststelle nicht mehr rechnet. Die Politik wäre aber schlecht beraten, dem Staatskonzern zu verbieten, sich dem Strukturwandel zu stellen. Wenn der Staat will, dass die Post eigengeführte Filialen um jeden Preis weiter betreiben soll, sollte er dafür auch die Kosten übernehmen.