Die Verhaftung von Fifa-Offiziellen heute im Nobelhotel Baur au Lac in Zürich (alle aktuellen Entwicklungen hier im Live-Ticker) ist der bisherige Höhepunkt in einer Geschichte von Vorwürfen, Schmiergeldern und Intrigen. 

Eine Chronologie der wichtigsten Schaupunkte und Skandale, welche die Fifa seit Jahren begleiten:

1998: Das Zepter wechselt die Hand

Der Brasilianer João Havelange gibt seinen Posten als Präsident des Weltfussballverbandes Fifa ab. Joseph «Sepp» Blatter setzt sich in einem kontroversen Wahlkampf gegen den schwedischen Kandidaten Lennart Johansson durch. Uefa-Präsident Johansson versprach unabhängige Revisionen der Fifa-Bücher und allgemein mehr Transparenz. Die Europäer sind sich bei der Wahl uneinig, Blatter bekommt von seinem späteren Rivalen Mohamed bin Hammam Unterstützung.

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2000: Bierkrug und Kuckucksuhr

Für die Weltmeisterschaft 2006 verspricht Joseph Blatter den afrikanischen Staaten seine Unterstützung. Doch die Kandidatur Deutschlands gewinnt dank einer Stimme Vorsprung mit 12:11. Blatters Entscheidungsstimme kommt nicht zum Zug, die er als Präsident bei einem Unentschieden gehabt hätte.

Neuseelands Delegierter Charles Dempsey erscheint nicht zur Abstimmung. Das Satiremagazin «Titanic» enthüllt später, dass es im Vorfeld Dempsey ein absurdes Geschenk offerierte: Titanic-Chefredaktor Martin Sonneborn verfasste einen amateurhaften Brief, den Dempsey unter der Hoteltür durchgeschoben wurde. Darin versprach man dem Neuseeländer eine Kuckucksuhr, einen Korb gefüllt mit allerlei deutschen Spezialitäten und einen Bierkrug, falls er für Deutschland als Austragungsort zur WM 2006 stimmen würde (statt wie von seinem Verband gefordert für Südafrika). Am nächsten Tag enthält er sich der Stimme.

Die Wahl ist eine Schlappe für Blatter. Später revanchiert er sich und deutet in einem Interview an, dass die WM 2006 in Deutschland gekauft sein könnte. Franz Beckenbauer, der die WM als Chef des Organisationskomitees nach Deutschland geholt hatte, bestreitet Unregelmässigkeiten bei der Vergabe.

2001: Das Ende der Marketingfirma ISL

Die Zuger Marketingfirma ISL kollabiert unter einem riesigen Schuldenberg. Jahrelang bezahlte die ISL Millionen an «Provisionen» an Fifa-Exekutivkommitee-Mitglieder und erhielt dafür im Gegenzug die lukrativen Vermarktungs-Rechte der Fussball-Weltmeisterschaften.

ISL steht nach dem Konkurs im Visier der Zuger Staatsanwaltschaft. Vorwurf: Obwohl die Fifa-Führung um Blatter wusste, dass Mitglieder ihres Vorstandes jahrelang Schmiergelder kassierten, hat die Fifa nichts dagegen unternommen. Die Strafuntersuchung zeigt, dass ISL mindestens 138 Millionen Franken bezahlte. Zu den Empfängern gehörte Ricardo Tera Teixeira. Er war Präsident des brasilianischen Fussballverbandes und Ex-Schwiegersohn von Blatters Vorgänger Havelange. Zweiter Begünstigter war Blatters Ziehvater Havelange, der ehemalige Präsident und bis vor kurzem noch Ehrenpräsident der Fifa. Havelange hatte laut Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft zudem mindestens weitere 1,5 Millionen Franken aus der ISL-Kasse erhalten.

2002: Ein Walliser behändigt ein Dossier

Der damalige Fifa-Generalsekretär Michel Zen-Ruffinen nimmt ein 22 Seiten dickes Dossier an sich, das Beschwerden gegen den Fifa-Vorstand enthält. In den Dokumenten werden Vorwürfe wegen Missmanagements und finanziellen Unregelmässigkeiten erhoben. Blatter soll dem russischen Vertreter Wjatscheslaw Koloskow unrechtmässig 100'000 US-Dollar gezahlt haben – bewiesen wurde das nie. Eine ganze Seite war dem Fussballfunktionär Jack Warner gewidmet – der skandalumwitterte Fifa-Vertreter von Trinidad und Tobago, der später aus dem Fifa-Vorstand spediert wird.

2004: Die Schotten und der Scheck

Nach einem Freundschaftsspiel zwischen Trinidad und Tobago und Schottland bittet Jack Warner den schottischen Fussballverbandspräsidenten, einen Scheck für die Anteile der Einnahmen aus dem Spiel auf ihn persönlich auszustellen – anstatt auf den Fussballverband von Trinidad und Tobago. Der Schotte verweigert die Ausstellung des Schecks. Warner findet die Weigerung aus Europa offenbar eine Frechheit und wird daraufhin bei anderen Mitgliedern des schottischen Fussballverbands vorstellig.

2006: Streit um versprochene Einnahmen

Als Berater seines Fussballverbandes von Trinidad und Tobago handelt Warner eine Vereinbarung mit den Spielern von Trinidad und Tobago aus, die Einnahmen zu teilen. Nachdem die WM 2006 beendet ist, gibt der Verband an, dass er 18,25 Millionen Trinidad-Dollar Einnahmen erzielte, bei Kosten von 17,9 Millionen.

Jedem Spieler wurde ein Anteil der Einnahmen um die 5600 Trinidad-Dollar angeboten. Die Spieler lehnen das Angebot aufgrund zweifelhafter Zahlen des Verbandes ab. Daraufhin bezeichnet Jack Warner die Spieler als «gierig». Später enthüllt die Regierung von Trinidad und Tobago, dass der Verband insgesamt über 173 Millionen Trinidad-Dollar Einnahmen erzielte.

Im Mai 2011 muss Warner sich wegen Bestechungsvorwürfen vor der Ethik-Kommission des Weltverbandes verantworten. Er soll beim Treffen der Karibischen Fussball-Union versucht haben, für die Wahl bin Hammams zum Fifa-Präsidenten Stimmen zu kaufen. Im Juni 2011 trat Jack Warner von seinem Ämtern im Weltverband zurück.

2007: Der schiefe Kreditkarten-Deal

Blatter wird mit Akklamation ohne Gegner für eine weitere Amtszeit als Fifa-Präsident wiedergewählt. 195 Millionen Franken zahlt die Kreditkartenfirma Visa für den Sponsoring-Vertrag von 2007 bis 2014. Zum Zug kommt Visa aber erst, nachdem ihr Konkurrent und langjähriger Fifa-Partner Mastercard ausgebootet wurde. Die Fifa musste Mastercard später mit 90 Millionen Dollar entschädigen. Den Visa-Deal fädelte Jérôme Valcke ein. Nach dieser Pleite wird er freigestellt. Doch schon bald findet er wieder Platz in der Fifa-Familie: Heute ist er Fifa-Generalsekretär.

2010: Schmiergeld-Gespräche auf Film

Die Fifa leitet mit ihrer eigenen Ethikkommission ein Verfahren gegen zwei Vorstände ein, nachdem die «Sunday Times» sie dabei filmte, wie sie über Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe diskutierten. Den beiden Undercover-Journalisten erklärt der ehemalige Blatter-Günstling Zen-Ruffinen, wie das normalerweise lief bei den Schmiergeld-Deals, in die Fifa-Abgeordnete involviert waren.

Die zwei von den Journalisten überführten Fifa-Hinterbänkler im Vorstand werden Ende November suspendiert und dürfen für die WM-Vergaben 2018 und 2022 nicht mehr mitstimmen. Nicht aber die Schwergewichte Ricardo Teixeira (Brasilien), Nicolás Leoz (Paraguay) und Issa Hayatou (Kamerun), die ebenfalls auf einer Geldliste auftauchten. Die WM-Vergaben an Russland (2018) und Katar (2022) sorgen für einen Eklat. Die unterlegenen Engländer wittern Korruption. Man will sich nicht mehr für eine WM bewerben, bis Blatter nicht mehr im Amt ist, heisst es.

2011: Blatters Ex-Intimus tappt in die Falle

Im März kündigt der Katarer Mohamed Bin Hammam an, er kandidiere gegen Blatter für das Amt des Fifa-Präsidenten. Der englische Unterhausabgeordnete Damian Collins beschuldigt im Mai während einer Parlamentsanhörung zwei weitere Fifa-Exekutivkomitee-Mitglieder der Bestechung. Sie sollen für je 1,5 Millionen Dollar ihre Stimme den Bewerbern aus Katar verkauft haben.

Bei den zwei angeblich bestechlichen Fifa-Spitzen handelt es sich um Issa Hayatou (Kamerun), Präsident des Afrikanischen Fussballverbandes, und Jacques Anouma aus der Elfenbeinküste. Katar wies die Bestechungsvorwürfe zurück, ebenfalls die beiden Fifa-Vorstände. Die Fifa erklärte, die Vorwürfe gegen die beiden hätten sich nicht erhärtet.

Dafür sperrt der Verband Mohammed bin Hammam temporär und ein Jahr später lebenslang. Er wird bei einem Bestechungsdelikt in der Karibik erwischt. Daraufhin tritt Bin Hammam von allen seinen Ämtern zurück.

2012: Europarat fordert Blatters Kopf

Der Europarat fordert die Fifa dazu auf, die Wiederwahl von Blatter zum Präsidenten zu untersuchen. Insbesondere soll abgeklärt werden, ob Blatter seine Stellung als amtierender Fifa-Präsident im Wahlkampf missbraucht habe.

2013: Übervater kommt Rauswurf zuvor

Der Fifa-Ehrenpräsident João Havelange hatte jahrelang illegal Gelder kassiert, die «Handelszeitung» deckte den Fall 2012 auf. 2013 kommt er seiner Absetzung zuvor und tritt als Ehrenpräsident der Fifa zurück.

Ein weiterer langjähriger Topshot muss gehen: Der US-Fussballfunktionär Chuck Blazer ist bis 2013 Mitglied des Fifa-Exekutivkomitees. Im April 2013 verzichtet er nach Korruptionsvorwürfen auf eine Wiederwahl. Chuck Blazer ist auch in die aktuellen Ermittlungen von US-Behörden gegen die Fifa verwickelt.

2014: Gehälter verdoppelt, Bericht zensiert

Während der WM in Brasilien kommt es zu Ärger mit Fussballtickets – die Verdächtigen werden später freigesprochen. Die Fifa-Ethikkommission hatte den Verband vom Vorwurf der Korruption freigesprochen.

Wenige Stunden nach der Publikation eines Berichts über die WM-Vergabe an Russland und Katar, der die Fifa weitgehend reinwusch, übte Chefinvestigator Michael Garcia Kritik an den Ergebnissen. Der Bericht ist bis heute ein grosses Geheimnis - wahrscheinlich wird er nun doch noch veröffentlicht.

Die dauernden Querelen hinterliessen auch bei Sponsoren ihre Spuren: Nach dem Ausstieg der Airline Emirates gibt es Gerüchte, dass sich auch der japanische Konzern Sony vom Weltfussballverband abwenden wolle.

Auch bei den Löhnen gibt es Unmut: Die strittigen Boni für die Mitglieder des Exekutivkomitees hatte die Fifa zwar gestrichen – aufgrund neuer Ethikregeln. Im Gegenzug hatten sich die Offiziellen ihren Lohn aber verdoppelt.

2015: ARD-Recherche, Museums-Krach, Razzia im Baur au Lac

Die deutsche TV-Anstalt ARD veröffentlicht Anfang Mai eine Reportage mit neuen schweren Vorwürfen gegen hohe Fussballfunktionäre aus Afrika – unter anderem gegen Amos Adamu. Ihm sollen 2010 in Angolas Hauptstadt Luanda für seine Stimme für die WM in Katar 2022 Millionen angeboten worden sein:

Die Zürcher Polizei nimmt am 27. Mai sechs Fifa-Offizielle im Nobelhotel Baur au Lac fest. Dies aufgrund eines Rechtshilfegesuchs aus den USA. Den Verhafteten droht die Auslierung in die Vereinigten Staaten. Vorgeworfen wird ihnen unter anderem Millionenbetrug.

Am gleichen Tag bekommt die Fifa im Hauptquartier in Zürich Besuch von der Bundesanwaltschaft. Sie eröffnete im Zusammenhang mit der Vergaben der Fussball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 ein Strafverfahren wegen des Verdachts der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie des Verdachts der Geldwäscherei gegen unbekannt. Sie filzte am Hauptsitz in Zürich elektronische Daten und Dokumente.

Im von der Bundesanwaltschaft am 10. März 2015 eröffneten Schweizer Strafverfahren besteht der Verdacht, dass bei den Vergaben für die FIFA-Weltmeisterschaften 2018 sowie 2022 Unregelmässigkeiten begangen worden sind. Entsprechende unrechtmässige Bereicherungen, so der Verdacht, sollen zumindest teilweise in der Schweiz stattgefunden haben. Dies ist ein zweites Verfahren, das neben dem in New York separat läuft.