Seit Jahren spricht Verkehrsminister Moritz Leuenberger von der «Verlagerung» des Verkehrs auf die Schiene. Dazu hat er auch allen Anlass. Schliesslich gab ihm das Volk einen Auftrag, der klarer nicht formuliert sein könnte: «Der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze erfolgt auf der Schiene.» So steht es in der Bundesverfassung, Art. 84, vom Volk so beschlossen vor genau zwölf Jahren.

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1994, als erst 985 000 Lastwagen die Alpen querten, davon die Hälfte «von Grenze zur Grenze», hatte eine knappe Mehrheit der Stimmbürger «die Nase voll»: Der internationale Durchgangsverkehr sollte auf null reduziert werden. «Ausnahmen sind nur zulässig, wenn sie unumgänglich sind», steht in der Verfassung. Gedacht hat man dabei an verderbliche Güter und derlei. Zusätzlich gab es eine Übergangsbestimmung, die ebenfalls klarer nicht hätte formuliert sein können: Die Verlagerung müsse «zehn Jahre» nach der Volksabstimmung abgeschlossen sein.

Zehn Jahre später, im Jahr 2004, sind allerdings nicht weniger, sondern mehr Lastwagen durch den Gotthard, den San Bernardino, über den Grossen St. Bernhard und den Simplon gerollt: 1 255 000, wiederum zur Hälfte «von Grenze zu Grenze». Somit wurde das Ziel, wie es in der Bundesverfassung steht, krass verfehlt, der Volkswille nicht umgesetzt.

Trotzdem heisst es in allen offiziellen Berichten aus dem Departement Leuenberger freudig, der «langfristige Prozess der Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene» sei «in vollem Gang», ja «auf Kurs». Diese seltsame Interpretation ergibt sich aus der ernüchternden Entwicklung in den neunziger Jahren: Bis und mit dem Jahr 2000 stieg die Zahl der Lastwagen auf einen Rekord von 1 400 000, dann kam es zum «Trendbruch» (Departement Leuenberger), seither sinke die Zahl.

Aber Achtung: Diese Statistik allein täuscht. Es fahren zwar tatsächlich etwas weniger Lastwagen durch unsere Berge, aber sie sind viel besser beladen. Das kommt davon, dass in der Zwischenzeit eine neue Steuer, die LSVA, eingeführt und erhöht wurde; zudem wurden die Gewichtslimiten angehoben, von 28 auf 34, dann auf 40 Tonnen. Konkret präsentiert sich der angebliche «Trendbruch» von 2000 bis 2004 so: Obschon die Zahl der Lastwagen um 10 Prozent sank, erhöhte sich das Gewicht der transportierten Mengen um 40 Prozent. So gesehen wird die Strasse immer noch attraktiver, während die Schiene weiterhin Marktanteile verliert.

Und dies, obschon die Schiene immer noch stärker subventioniert wird. Um die «Trendumkehr» zu schaffen, hat das Parlament ein Verlagerungsgesetz erlassen. Demnach soll die Zahl der alpenquerenden Lastwagen zwar nicht auf null, aber auf 650 000 gesenkt werden, und zwar bis 2009. Damit dies gelingen kann, muss die Bahn nun speziell gefördert werden: Mit Extrasubventionen von insgesamt 2,8 Milliarden Franken von 2000 bis 2010. Doch selbst diese zusätzliche Geldspritze genügt offensichtlich nicht.

Gleichzeitig rückt die Frist – bis 2009! – bedrohlich näher. Zwar soll der neue, teure Neat-Tunnel, mit dem Moritz Leuenberger seinem Verlagerungsziel «einen wichtigen Schritt näher» kommen will, am Lötschberg bis 2009 wie geplant eröffnet sein. Doch auch dieser Schritt wird nicht gross genug sein. Die Lötschberg-Neat endet in Brig, die Fortsetzung nach dem Simplon windet sich ab Iselle mühsam steil abwärts in mehreren Kehrtunnels nach Domodossola. Für den internationalen Transit ist das keine attraktive Alternative.

Dennoch wissen die zuständigen Beamten im Departement Leuenberger bereits, wie sie ihre Politik in die Zukunft retten. «Will man am Ziel der Verlagerung festhalten, muss man die Frist verlängern», schrieb Max Friedli, Direktor des Bundesamts für Verkehr, neulich in der «NZZ». Diese Frist müsse dann von 2009 «auf etwa 2017» verschoben werden, «zwei Jahre nach Eröffnung des Gotthard-Basistunnels».