Für einmal musste sich Mark Zuckerberg nicht wegen der Datenskandale erklären: Er schritt vor ein paar Wochen auf einer Bühne in San José (USA) auf und ab, wie so oft im schlichten, kragenlosen, langärmligen T-Shirt, und dozierte darüber, was die Zukunft bringe. Es war Zucks Entwicklerkonferenz – die F8. Dabei liess er es sich nicht nehmen, sein neustes Produkt selber vorzustellen: das Virtual-Reality-Headset Oculus Go. Günstig, ohne Kabel, stylish. So soll der Masse die virtuelle Welt schmackhaft gemacht werden.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das Problem von Zuckerbergs jüngstem Gerät ist nur: Autonom in der Realität herumlaufen kann man damit nicht. Das Headset nimmt seine Umgebung noch zu wenig wahr. Doch daran lässt Zuckerberg arbeiten und er baut dafür den Standort Zürich kräftig aus. Neue Büros, grössere Teams und eine geplante Kooperation mit der Hochschule ETH: Zürich nimmt für Facebook an Bedeutung zu. Hier wird ein Teil der Kerntechnologie für die nächste Oculus-Brille entwickelt. Das Projekt heisst Santa Cruz.

Das Zürcher Cluster

Angefangen hatte Facebooks Präsenz in Zürich vor knapp zwei Jahren, als man sich in der Zürcher Bahnhofstrasse beim Bürovermieter Regus niederliess und Räumlichkeiten übernahm, die bis dahin von Apple genutzt worden waren. Doch wie schon Apple dienten die Räume auch Facebook nur als Provisorium vor dem nächsten Expansionsschritt. Vor einigen Monaten zogen die Facebook-Forscher in den Süden der Stadt in deutlich grössere Büros nahe beim Shoppingcenter Sihlcity, wo sich bereits andere Firmen aus dem gleichen Hightech-Sektor eingemietet haben.

Was Facebook nach Zürich zog, war die grosse Expertise vor allem an der ETH in Sachen Computer Vision (siehe Box), also Technologien, welche Computer und Geräte befähigen, ihre Umwelt wahrzunehmen und sich darin zu orientieren. Genau das brauchte der Social-Media-Konzern, nachdem Zuckerberg 2014 beschlossen hatte, in Virtual und Mixed Reality zu investieren, und daraufhin den früher unabhängigen Branchenprimus Oculus übernahm und integrierte.

Erfolgreiches Abwerben

Das Wachstum ist frappant. Nach der Übernahme des ETH-Spin-offs Zurich Eye arbeiteten bei Oculus in Zürich vor gut einem Jahr erst etwas mehr als zehn hoch qualifizierte Entwickler und Forscher. Inzwischen beherbergen die neuen Büros rund 35 Personen. Platz hat es für 60. Und laut gut unterrichteten Quellen gehört zum Facebook-Plan, weitere Räumlichkeiten zuzumieten, sollte das nötig werden. Zurzeit werden pro Monat drei Personen angeheuert. Aktuell sind 14 Stellen ausgeschrieben, darunter natürlich Stellen für Computer-Vision-Experten, aber auch vier Posten explizit für das weitere Recruiting.

Facebooks Anwerbestrategie gilt in der Branche als forsch und erfolgreich. Ob Disney, Apple oder Microsoft: Sie alle können davon berichten, wie ihnen in den letzten Monaten erfahrene Mitarbeiter abgeworben wurden. Als Facebook die neuen Büros bezog, wurden hundert Gäste vor allem aus dem Hochschulbereich für eine Housewarming-Party geladen. Anwesende berichten, der Anlass sei eher ein Recruiting-Event gewesen. Was Facebook sucht, sind neben etablierten Forscherinnen und Forschern auch Studierende, Doktorierende und Post-Docs.

Mehr Freiheitsgrade

Die Crew in Zürich verfolgt vor allem ein Ziel: Die Technologie für die nächste Generation von VR-Headsets voranzubringen. Im Jargon spricht man von Inside-out Tracking. Damit ist gemeint, dass das Gerät – in diesem Fall die VR-Brille – alle Bewegungen in der realen Welt wahrnehmen kann. Also zum Beispiel auch, ob der Brillenträger nicht nur den Kopf dreht, sondern auch ob und wie er herumläuft. Hierfür werden mehrere Kameras direkt in das Headset eingebaut. Die Lösung ohne externe Kameras ist ein Paradigmenwechsel.

So werden sechs sogenannte Freiheitsgrade erreicht und nicht nur deren drei wie bis anhin. Zuckerberg kündigte erstmals 2016 an, dass man dieses intern Santa Cruz genannte Projekt stark fördern wolle. Möglicherweise steht die Lancierung eines entsprechenden Produkts schon bald an. Unter VR-Fans kursieren Spekulationen, wonach der Facebook-Chef bereits im Herbst eine Ankündigung machen könnte, wenn in San José die nächste grosse hauseigene Veranstaltung über die Bühne geht – die Oculus Connect 5.

In Zürich verankert sich Facebook/Oculus derweil weiter. So will man die Bande zur Talentschmiede ETH enger knüpfen. Bereits gab es Gespräche, wie der Austausch verbessert werden könnte. Offenbar nimmt das jetzt konkrete Form an. Es würde nicht erstaunen, wenn eine Kooperation noch dieses Jahr spruchreif würde. Zu den Wachstumsplänen in Zürich wollte Facebook keine konkreten Angaben machen.

Eine Sprecherin sagt allgemein: «Oculus hat ein kleines, aber feines Forschungsteam in Zürich, das hilft, die Zukunft der virtuellen Realität zu realisieren. Als Teil der Computer Vision Community in Europa arbeiten wir eng mit den Weltklasse-Teams von ETH und Universität Zürich zusammen und sind immer auf der Suche nach den besten Talenten, die mit uns neue Wege gehen.»