Erbschaften sind etwas sehr Privates. Denn es geht nicht nur um die Übertragung von Vermögenswerten innerhalb der Familie. Mit dem geerbten Haus zum Beispiel sind auch Erinnerungen und Emotionen verbunden. Da hat der Staat nichts verloren. Doch so einfach sind die Dinge nicht. So sind Erbschaften an sich zwar etwas sehr Privates, doch die Folgen der Erbschaftswelle sind gleichzeitig gesamtwirtschaftlich relevant.
Zwei Dinge sind im Kontext von Erbschaften aus ökonomischer Sicht kritisch zu beurteilen. Erbschaften sind – im Falle des Vermögensübertrags von Eltern auf die Kinder – für die Nachkommen unverdiente Vermögen. Sie haben in der Regel wenig bis nichts zu diesen Vermögen beigetragen. Damit sind Erbschaften fast schon vergleichbar mit einem Lottogewinn.
Wer erbt, arbeitet oft weniger
Das setzt negative Leistungsanreize, wie nun auch Forschungen aus der Schweiz und Schweden zeigen. Gerade kleinere Erbschaften werden dazu genutzt, das Arbeitsangebot zu verringern. Das ist aus gesamtwirtschaftlicher Sicht nicht wünschenswert, denn schon jetzt herrscht in vielen Bereichen nicht nur Fachkräftemangel, sondern schlicht Arbeitskräftemangel. Eben weil in der Schweiz immer noch Arbeitskräfte fehlen, kommen jedes Jahr Tausende Ausländerinnen und Ausländer ins Land. Die Debatte um die Verträglichkeit dieser Migration ist seit Jahrzehnten eine Konstante in der Schweizer Politik.
Der zweite ökonomisch kritisch zu bewertende Effekt von Erbschaften ist ihre Verteilungswirkung. Denn die Nachlasswelle verschärft die ungleiche Verteilung der Vermögen und mindert die Chancengleichheit. Und in diesem Punkt ist die Schweiz schon jetzt international ein Ausreisser. 1 Prozent der Bevölkerung gehören über 40 Prozent der Vermögen. Und es sind einige wenige, die den Grossteil dieser Reichtümer erben werden. Da gerade grosse Vermögen bewahrt und vermehrt werden, während kleinere Vermögen eher konsumiert werden, verschärft sich damit die Ungleichheit weiter.
Erbschaftssteuern dürfen nicht zu Enteignungen ausarten
Die Ungleichheit bei den Einkommen ist glücklicherweise in der Schweiz weniger stark ausgeprägt. Das mildert die Gefahr, dass die Gesellschaft auseinanderzufallen droht. Aber je länger eine kleine Zahl von Menschen immer grössere Vermögen anhäuft, desto grösser ist die Gefahr, dass ihr Einfluss auf Gesellschaft und Politik grösser wird – und das könnte am Ende die Demokratie untergraben.
Daher ist aus strikt ökonomischer Sicht das Erheben einer Erbschaftssteuer durchaus vertretbar. Denn sie verringert anders als eine Einkommenssteuer keine Leistungsanreize und wirkt der Vermögensungleichheit entgegen. Das ist kein Plädoyer für steuerliche Raubritterei, wie sie die Jungsozialisten planen. Eine Erbschaftssteuer von 50 Prozent auf grosse Vermögen zusätzlich zu den bestehenden kantonalen Erbschaftssteuern kommt einer Enteignung durch den Staat gleich. Eine moderate Erbschaftssteuer auf Bundesebene lässt sich aber nur rechtfertigen, wenn andere Steuern gesenkt werden, allen voran die Einkommenssteuer.