Es sah aus wie ein ganz gewöhnliches Geschäftsessen. Die beiden Herren nahmen ihren Lunch im «Dolder Grand» in Zürich zu sich, und niemand hätte geahnt, dass es um ganz grosse Geschäfte ging – um Geldwäscherei. Ebenso wenig wäre Beobachtern der Szene im Januar 2004 in den Sinn gekommen, dass sich dort ein Politiker mit einem Tatverdächtigen besprach: der serbische Innenminister Dusan Mihajlovic mit Stanko Subotic, dem mutmasslichen Drahtzieher einer Zigarettenschmuggler-Organisation.

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Nach Ansicht des steinreichen Geschäftsmannes Subotic ist nicht er der Bösewicht, sondern Minister Mihajlovic. Subotic lebt heute in Genf, von dort aus orchestriert er seine Geschäfte. Legale Geschäfte, wie er sagt. In seinen Augen ist der Minister Teil einer kriminellen Organisation, die ihr Geld mit Erpressung mache. Er hat gegen Mihajlovic in Genf eine Strafanzeige eingereicht.

Die Geldwäschereibekämpfung ist kompliziert geworden, Gut und Böse sind nicht mehr einfach zu identifizieren. Während das Thema Geldwäsche in der Öffentlichkeit kaum noch grosse Erregung hervorruft, versinken die Ermittler in Fallakten über virtuelle oder reale Gangster-Netzwerke, Dossiers mit Tausenden verdächtigen Transaktionen, mit Klagen und Gegenklagen. Die Täter sind dabei den Fahndern wieder einmal eine Nasenlänge voraus – mit neuen Maschen und undurchdringlichen Strukturen. Und die Schweizer Behörden machen dabei – wieder einmal – keine gute Figur.

Er selbst sei unschuldig, sagt Stanko Subotic. Nach dem Lunch habe er im «Dolder» noch sieben Stunden mit dem Polizeiminister zusammengesessen. Mihajlovic habe ihm mit einem mysteriösen Grinsen ein neues Ermittler-Organigramm vorgelegt, auf dem wieder einmal sein Name zu finden war, aber auch «die wirklichen Zigarettenschmuggler, die mit dem Staat zusammenarbeiten». Darunter auch Marko Milosevic, der Sohn des ehemaligen serbischen Präsidenten. Subotics Version: Die herrschende politische Klasse will ihn mit Strafuntersuchungen erpressen, ihm sein Geschäft entreissen und es selbst weiterführen. Mit einer aufwendigen PR-Kampagne verbreitet er diese, seine Wahrheit.

Günther Hermann kann sich noch gut an Subotic erinnern. Ein Jahrzehnt lang hat der Zollfahnder aus dem deutschen Lindau die Zigi-Schmuggler-Mafia gejagt. Und immer wieder geisterte der Name Subotic durch die Akten – als Drahtzieher von Geldwäsche-Operationen. Was haben seine Ermittlungen gebracht? «Nichts, gar nichts», sagt Hermann heute, drei Jahre nach seiner Pensionierung, «es waren zehn Jahre sinnloser Arbeit.» Dass der Fall eine Nummer zu gross war, verstand Hermann nach einem Gespräch mit einem schwerkranken, inzwischen verstorbenen Schweizer Treuhänder. «Sie werden nie Erfolg haben», erklärte ihm der Mann, «das ist viel zu politisch.» Das Geschäft war von Oligarchen orchestriert worden, Ermittler Hermann konnte nur scheitern.

Rüge für die Schweiz. Seit 13 Jahren registriert die Schweizer Meldestelle MROS bei der Bundespolizei die Verdachtsmeldungen. In der Schweiz war das Thema in den Pionierjahren von einem hohen öffentlichen Interesse begleitet. Dann kam der Ermüdungseffekt. Heute ist das Regelsystem keineswegs in bester Verfassung, es agiert oftmals nur noch als mechanisches Meldesystem, ohne analytische Kompetenz und kriminalistisches Gespür. Mal wird gemeldet, mal nicht, und Gemeldetes bleibt oft folgenlos. Das Abwehrsystem erscheint schon jetzt zahnlos und steht bereits vor einer neuen Herausforderung: Künftig sollen, so wollen es die führenden Nationen, auch schwere Steuerkriminelle mit den Mitteln der Geldwäschereibekämpfung erfasst und verfolgt werden. Es ist kaum auszudenken, wie die Compliance Manager in den Schweizer Banken mit dieser Regelverschärfung umgehen wollen.

Mehrfach wurde die Schweiz in der Egmont-Gruppe, der Weltorganisation der Anti-Geldwäscher-Behörden, gerügt. Im Januar drohte ihr sogar der Rausschmiss aus der Organisation, weil sie innerhalb des Verbundes die einzige Meldestelle ist, die keine Finanzinformationen an ihre Partnerbehörden weitergibt. An der jüngsten Konferenz der Gruppe wurde sie nochmals verwarnt, ihr System in Ordnung zu bringen. So drängt auch Bundesanwalt Michael Lauber, die Sache nicht schleifen zu lassen: «Informationen über verdächtige Finanzflüsse sollten stärker als heute analysiert und ausgewertet werden können.» Er will ein Kompetenzzentrum einrichten.

Dem Schweizer Meldesystem fehlt vor allem die Kompetenz in Informationsbeschaffung, Recherche und Analyse. Das demonstriert zum Beispiel der russische Fall rund um den Hedge Fund Hermitage Capital Management, der auch die Credit Suisse belastet. Hermitage wurde vom libanesisch-brasilianischen Bankier Edmond Safra gegründet. Nachdem Safra im Dezember 1999 einem Brandanschlag in seinem Penthouse in Monte Carlo zum Opfer gefallen war, führte der Brite Bill Browder die Geschäfte weiter. Das Rezept: Investments in korrupte, unterbewertete Unternehmen tätigen und mit Hilfe von Untersuchungsbehörden und Medien Druck auf das Management aufbauen, um den Unternehmenswert zu steigern. Russland wurde zur Goldgrube für Hermitage. Bis CEO Browder 2006 «als Gefahr für die nationale Sicherheit» geächtet wurde, Moskau eine Strafuntersuchung wegen Steuerbetrugs und Geldwäsche begann und Browders Anwalt Sergei Magnitsky im November 2009 in einem Moskauer Gefängnis ums Leben kam.

Im Januar 2011 konterte Hermitage. Anwälte des Hedge Fund sandten der Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige mit dem Vorwurf, die Ex-Chefin des zuständigen Moskauer Steueramtes habe mit Komplizen Firmenbeteiligungen von Hermitage im Wert von 230 Millionen Dollar gestohlen. Die Belege dazu: Credit-Suisse-Papiere zu Geldverschiebungen und Immobilieninvestments in Dubai mit dem Namen der Steuerbeamtin. Russische Ermittler wiederum hegen den Verdacht, dass Hermitage-Leute das Vermögen verschwinden liessen. Wie auch immer, die Firmen jedenfalls sind neu registriert worden – in der autonomen Republik Tatarstan.

Fingierte Identitäten. Die Credit Suisse dementiert jegliches Fehlverhalten: «Wir sind überzeugt, dass unser Kontrollsystem wirksam ist.» Hermitage-Chef Browder erreichte schliesslich ein US-Gesetz, das russischen Beamten, die mit dem Fall betraut waren, die Einreise in die USA verweigert. Die Bundesanwaltschaft analysiert derzeit die Geldflüsse.

Noch komplizierter gestaltet sich ein Fall, der seine Wurzeln in den baltischen Staaten hat. Das Problem der Ermittler: Sie können keine Täter identifizieren. Zunächst entdeckten sie, dass in verschiedenen Transaktionen dieselben Kontoinhaber auftauchten – Briefkastenfirmen von London über Zypern bis Neuseeland. Dann versuchten sie den Mann ausfindig zu machen, der vielfach bei den Firmen als Direktor fungierte: Erik Vanagels. Sie fanden mehr als 300 Vanagels-Firmen, aber den Mann fanden sie nie. Nur so viel wissen sie: Vanagels ist ein Obdachloser, niemand von seinen Angehörigen weiss, ob er noch lebt.

Die Ermittler kamen einem virtuellen System von Briefkastenfirmen auf die Spur, die ihre Deals zumeist über Riga in Lettland abwickelten. Die Namen von Firmendirektoren waren gestohlen – ein Identitätsdiebstahl mit Pässen, die ahnungslose und mittellose Menschen ausgeliehen hatten. Das Vanagels-System wurde im Geldwäschermilieu zur Verfügung gestellt. «Das ist ein Full Service Provider», erklärt der Zürcher Experte Andrea Galli vom Ermittlungsunternehmen Scalaris, «das System funktioniert wie ein Geldwäsche-Supermarkt.» Benötigt wird im Prinzip nur eine Fälscherwerkstatt, die – auf Bestellung – liefert. Über das Vanagels-System wurden so unterschiedliche Deals abgewickelt wie Anlagebetrügereien in den USA, Immobilientricks in Moldau, Drogengeldwäsche für mexikanische Kartelle, Waffenschmuggel nach Südsudan, Piraten-Websites in der Ukraine und der überteuerte Handel mit Impfstoffen gegen das Schweine-Virus, den man der früheren ukrainischen Premierministerin Julija Timoschenko vorwirft. In der Summe waren es rund zehn Milliarden Dollar, die gewaschen wurden. Die Ermittlungen laufen noch.

Das Versagen der Banken. Die Untersuchungsbehörden schenken den Bankhäusern nicht mehr so viel Vertrauen wie zu Beginn des Aufbaus der internen Kontrollsysteme. Sie haben gelernt, dass riesige Compliance-Abteilungen noch kein Garant dafür sind, dass sie auch funktionieren. So musste die Finma irritiert registrieren, dass die Geldhäuser immer noch Potentatengelder zuhauf bunkerten, obwohl die Schweizer Regeln als besonders scharf galten. So bestrafte die britische Finanzaufsicht im März die Coutts Bank, eine noble Tochter der Royal Bank of Scotland, wegen lascher Geldwäsche-Kontrollen. Zwielichtige Kunden aus den arabischen Aufruhrstaaten hatten über Coutts-Konten ihre Gelder ausser Landes gebracht. «Die Verfehlungen waren inakzeptabel», erklärte Tracey McDermott von der Financial Services Authority. Und durch eine Undercover-Operation deckten US-Drogenfahnder Ende 2011 auf, wie die Terrororganisation Hisbollah im grossen Stil Drogengelder über die Lebanese Canadian Bank gewaschen hat.

Die USA wollen die lasche Haltung der Banken nicht länger dulden. Am 17. Juli beschuldigte der US-Senat die britische Grossbank HSBC, jahrelang gewaltige Summen an Drogengeldern mexikanischer Kartelle gewaschen zu haben. Undercover-Agenten hatten den Untersuchungsausschuss auf die Spur gebracht. HSBC-Manager entschuldigten sich umgehend für ihr Versagen. Sie warten nun auf ihre Strafe. Der Ausschuss betonte: Die HSBC sei nur als Exempel herausgegriffen worden. Es könne auch andere Banken treffen.