Grosse Investitionen verlangen nach festen Überzeugungen. Solche haben die Manager des Staatsfonds Aabar aus dem Emirat Abu Dhabi: «Firmen mit Bezug zur Schweiz neigen dazu, gute Firmen zu sein», sagt Aabar-Chef Mohamed Badawy Al-Husseiny. Er verpflichtete sich letzte Woche, bis zu einer Milliarde Dollar in Glencore zu investieren. Am 19. Mai geht der Schweizer Rohstoff-Gigant an die Börse. Die Scheichs werden an diesem Tag auf einen Schlag zum grössten aussenstehenden Aktionär.

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Allgemein rechnen Analysten damit, dass der Aktienkurs gleich am ersten Handelstag nach oben schiessen wird – trotz dem Gewitter an den Rohstoffmärkten. Doch Kurssprünge sind für Aabar vorderhand nicht entscheidend. «Wir suchen nicht das schnelle Geld, um uns schon nach sechs Monaten zu verabschieden», sagt Al-Husseiny. «Geplant ist ein langfristiges Engagement.»

Seit einigen Jahren ist der grösste Teilstaat der Vereinigten Arabischen Emirate daran, sich von den Einnahmen aus dem Ölgeschäft unabhängiger zu machen. Dazu gehört auch, sich in Gewinn versprechende Unternehmen überall auf der Welt einzukaufen. Die zu diesem Zweck geschaffenen Staatsfonds halten inzwischen Beteiligungen im Wert von über 700 Milliarden Dollar.

Oft investiert das Emirat in Branchen, in denen es bereits eigenes Fachwissen aufgebaut oder eingekauft hat. Das eröffnet neue Formen der Zusammenarbeit. «Unsere Vergangenheit zeigt, dass wir dazu neigen, weitergehende Beziehungen zu den Firmen aufzubauen, in die wir investieren», sagt der Aabar-Chef. Offenbar steht das auch im Fall von Glencore auf der Agenda. Er sehe keinen Grund, warum es nicht auch in der Zusammenarbeit mit dem Schweizer Rohstoffkonzern Möglichkeiten geben sollte, sagt der studierte Betriebswirtschaftler. Er sehe Synergien. Das könne für beide Seiten lukrativ sein.

Partner bei Daimler

Diesen Ansatz hat Al-Husseiny bereits bei Daimler verfolgt. Seit man beim deutschen Autobauer vor zwei Jahren mit 9,1 Prozent eingestiegen ist, sind mehrere neue, gemeinsame Projekte aufgegleist worden. In Kalifornien sind Daimler und Aabar inzwischen gemeinsam in das Unternehmen Tesla investiert, das für seinen Elektro-Sportwagen bekannt ist. In Algerien bauen die Partner gemeinsam eine Fabrik für Lastwagen. Und erst vor drei Monaten stockten sie ihren Anteil am Formel-1-Rennstall Mercedes auf 100 Prozent auf. Der frühere Weltmeister Michael Schuhmacher fährt nun zu 40 Prozent für die arabischen Investoren und zu 60 Prozent für Daimler.

Auch im Fall von Glencore prüft Aabar bereits Gemeinschaftsprojekte. «Wir suchen nach Kooperationen in allen Sektoren, in denen Glencore operiert», so Al-Husseiny. Vorderhand liege allerdings noch kein Projekt spruchreif auf dem Tisch. Naheliegend ist allerdings ein vertiefter Austausch mit IPIC, der International Petroleum Investment Corporation. Dieses Vehikel Abu Dhabis hält ausländische Beteiligungen im Rohstoffsektor.

Doch es ist wohl ein Geschäftsfeld von Glencore, das den Wüstenstaat in besonderem Masse interessieren dürfte: Die Landwirtschaft. Das Baarer Unternehmen kontrolliert inzwischen nämlich bereits 270 000 Hektaren Anbaufläche – eine Fläche so gross wie Luxemburg. Die Ländereien liegen in der Ukraine, Australien und in Paraguay. Glencore betreibt Lagerstätten und den Handel mit landwirtschaftlichen Gütern wie Weizen oder Soja. Das passt zur offen deklarierten Strategie von Abu Dhabis Regierung, künftig mehr gegen einen allfälligen Mangel an Nahrungsmitteln zu tun.

Der Direktive der Scheichs folgt auch der neue Grossaktionär von Glencore: «Bei unseren Investitionen beschäftigen wir uns auch mit dem Thema Nahrungssicherheit», so Al-Husseiny. «Wir wollen in den Nahrungsmittelsektor, vor allem bei Getreide, investieren.» Eine Partnerschaft mit einer Firma wie Glencore bringe Abu Dhabi in eine Position, wo Nahrungsmittel-Ressourcen sichergestellt werden könnten. Der Aabar-Chef sieht bereits Formen der Zusammenarbeit: «Wir suchen selber in verschiedenen Teilen der Welt nach Möglichkeiten, im Agrarbereich zu investieren. Zum Beispiel in Südafrika oder in Australien. Wir könnten beispielsweise zusammen mit Glencore in eine Farm in Australien in-vestieren.»

Anstatt das dort produzierte Getreide umständlich nach Abu Dhabi zu bringen, könnte das Emirat die gleiche Menge von Glencores Getreidefarmen in der Ukraine beziehen. Die ehemalige Sowjetrepublik liegt deutlich näher, was wiederum die Versorgungssicherheit für Abu Dhabi erhöhte. Wie ernst es dem Emirat bei diesem Thema ist, zeigt auch die erst kürzlich erfolgte Gründung eines anderen speziell diesem Zweck gewidmeten Fonds, Abu Dhabi Sources.

Verlockung des kurzfristigen Gewinns

Es sind diese langfristigen Perspektiven, die Glencore für Abu Dhabi so interessant machen. «Vorderhand bleibt es bei unserem Engagement von maximal 1 Milliarde Dollar. Aber wenn sich die Umstände ändern, schauen wir uns die Position nochmals an», sagt Al-Husseiny. Bedeckt hält er sich allerdings in der Frage, ob sein Fonds bei hohen Kursgewinnen auch wieder aus dem Schweizer Rohstoffgiganten aussteigen könnte.

Die Vergangenheit zeigt, dass sich Al-Husseiny durchaus auch opportunistisch verhalten kann. In den dunkelsten Stunden der Finanzkrise stieg der Staatsfonds bei der Bank Barclays zu Tiefstpreisen ein. Es war ein perfektes Timing. Acht Monate später hatte sich die Aktie erholt, Al-Husseiny verkaufte einen Teil des Pakets mit einem Milliardengewinn. Insider sind davon überzeugt, dass bei Aabar ein allfälliger Ausstieg aus Glencore ebenfalls als Option bereits heute angedacht wird.

Kurzfristige Gewinne oder langfristige Strategien: Am Beispiel Glencore könnte sich zeigen, wie rasch die Scheichs von Abu Dhabi den Umbau der eigenen Wirtschaft voranbringen wollen.

 

AABAR: Der kleine Bruder des Staatsfonds AIDA

Vehikel der Scheichs
Der Staatsfonds Aabar verwaltet Beteiligungen im Wert von 14 Milliarden Dollar. Er ist damit deutlich kleiner als der bekanntere Fonds Abu Dhabi Investment Authority (ADIA), der über 700 Milliarden Dollar schwer ist. Die Kontrolle über das Vehikel hält die Gesellschaft IPIC und damit Scheich Mansour bin Zayed Al Nahyan, ein Halbbruder des Staatspräsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate.

Autobahnen und Weltraum
Neben seinem neuen Engagement in Glencore ist Aabar beim deutschen Autobauer Daimler investiert. Daneben hält der Fonds 3,3 Prozent an der italienischen Infrastruktur-Gesellschaft Atlantia, die einen Grossteil des italienischen Autobahnnetzes betreibt. Gar mit 32 Prozent ist Abu Dhabi in Virgin Galactic investiert, dem Unternehmen für Weltraumflüge von Richard Branson.

Auch in der Schweiz
Hierzulande übernahm Aabar vor zwei Jahren den ehemaligen Private-Banking-Arm der AIG und firmierte die Bank in Falcon um. Weitere Engagements in der Schweiz sind vorderhand nicht geplant. «Gegenwärtig schauen wir uns in der Schweiz keine weiteren Firmen genauer an», sagt Aabar-Chef Mohamed Badawy Al-Husseiny.