Die Idee ist gut. Aber so richtig unternehmerisch geklappt hat es noch nicht mit seinen selbstwärmenden Sohlen, die für warme Füsse sorgen. Jetzt will Roland Brügger aus Ottenbach ZH mit seinem Produkt «Chili Feet» in der Gründer-Show «Die Höhle der Löwen Schweiz» Investoren und Rat finden.

Wie er sich für den Pitch vorbereitet hat? «Ich habe das in der Familie gemacht», sagt Brügger, «das war wie echt.»

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«Das kann nichts werden»

Nicolas Berg kann da nur den Kopf schütteln: «Da hat jemand die Chance auf seine 15 Minuten Unternehmer-Ruhm – und übt den entscheidenden Auftritt im trauten Kreis der Familie? Das kann nichts werden.»

Berg, zwölffacher Schweizer Startup-Gründer (Borsalino), Investor (Xing), Startup-Coach und Kenner der Szene, hat sich für die «Handelszeitung» die erste Folge der Gründer-Show «Die Höhle der Löwen Schweiz» angeschaut. Der Business-Case: Wie nahe an der Schweizer Gründer-Szene spielt das Meccano? Und: Bietet die Sendung attraktives Edutainment?

«Sex, Kinderplanung und Taufe beim ersten Date»

Grundsätzlich, sagt Berg, wohne Gründershows à la «Höhle der Löwen», «Shark Tank» und «Dragon’s Den» ein Basis-Konflikt inne: «So schnell wie es in diesen Sendungen abläuft, funktioniert es in der Startup-Welt nie». Wenn in nur wenigen Minuten eine Firma vorgestellt, bewertet und gleich noch die Investition festgezurrt werde, dann sei das so wie «wenn zwei Menschen beim ersten Date gleich Sex haben, den Nachwuchs planen und das Taufdatum für die Kinder festlegen.»

Nicolas Berg

Der Solothurner Startup-Experte Nicolas Berg war früher Investor und erster Schweizer Länderchef von Xing. Seit 1984 ist er Mitbegründer von zwölf Startups und verfügt über mehr als 18 Jahre Erfahrung im (Mit)-Management von Startups und Early-Stage-Investitionen.

Natürlich muss ein TV-Format attraktiv sein und vor allem auch im Bild überzeugen. Deshalb wird stark abgekürzt. Niemand weiss das besser als Nicolas Berg, der 2007 als Berater für die damalige SRF-TV-Show «Startup» wirkte. Trotzdem: «Besser wäre es, die Teams und Geschäftsmodelle der Startups vertiefter zu zeigen», sagt Berg.

Tüftler und Erfinder im Biotech-Land

Ein realistischeres Szenario wäre, wenn die Jungunternehmer in drei Folgen auftreten würden, in den Phasen «Kennenlernen, Vertiefen, Verhandeln.»Zweite Präambel:  Eigentlich ist das Schweizer Jungunternehmertum vor allem stark in Branchen wie Biotech, Medtech und IT-Anwendungen. Gezeigt werden in «Die Höhle der Löwen Schweiz» aber vornehmlich Tüftler und Unternehmer, die Konsumgüter und Dienstleistungen für den täglichen Gebrauch vorstellen.

Für Berg geht das aber in Ordnung: «Es ist fast unmöglich, eine Blockchain-Anwendung ins Bild zu setzen. Allgemein verständliche und fassbare Produkte geben da natürlich mehr her.»

Das ist realistisch

  • Die Fragetechnik der Löwen entspricht einigermassen der Realität, sagt Berg: «Man will das Team kennenlernen, will vertiefte Information zu Geschäftsmodell und Zukunftsaussichten. Das geht so in Ordnung»
  • Das zeitliche Verhältnis zwischen Pitch und Fragerunde ist realistisch: «Wenn der Pitch sieben Minuten dauert und die Fragerunde darauf 14 Minuten, dann ist das eine ziemlich gute Abbildung der wirklichen Welt.»

Das ist unrealistisch

  • Dass die Gründer schon zu Beginn festlegen, welchen Teil der Firma sie zu welchem Preis weggeben wollen: «So läuft das niemals in der realen Welt.»
  • Pitches ohne Einsatz von Slides und Flipcharts: «Eigentlich sehr erbaulich, für einmal nicht die zehn immer gleichen Power-Point-Charts zu sehen. Aber ohne geht’s in der Realität nie.»
  • In den Pitches wird fast nie konkret über das Business-Modell gesprochen. Dabei wäre das einer der wichtigsten Punkte: «Wer zahlt wem wie viel und was davon bleibt hängen in der Tasche des Unternehmers – das will jeder Investor wissen. Und zwar schnell.»
  • In den Pitches werden die Zukuftsaussichten vernachlässigt. Da müsste mehr Zahlenmaterial her, das die Phantasie beflügle, sagt Berg. «Wer in ein Startup investiert, kauft die Zukunft. Dazu müssen Investoren eine Ahnung haben, wie die Zukunft aussieht. Oder aussehen könnte.»

So schlagen sich die Löwinnen

  • Nicolas Berg über Anja Graf: «Für mich die Überraschung. Stellt die richtigen Fragen, kann einen Stimmungswechsel im Gremium herbeiführen.»
  • Nicolas Berg über Bettina Hein: «Hatte in der ersten Sendung den geringsten Wort-Anteil. Da ist noch viel Potential. Wohl am ehesten dann, wenn Firmen aus der Software-Welt auftreten, wo Hein daheim ist.»

So schlagen sich die Löwen

  • Nicolas Berg über Roland Brack: «Bisher noch etwas blass. Müsste als Meister des E-Commerce stärker die Möglichkeiten des Online-Marketing ins Spiel bringen.»
  • Nicolas Berg über Jürg Marquard: «Ist als Figur des reichen Löwen eine gute Besetzung. Könnte aber noch markanter brüllen.»
  • Nicolas Berg über Tobias Reichmuth: «Hatte bisher den höchsten Wortanteil. Und ist eigentlich auch der einzige Profi-Investor der Runde. Das merkt man.»

Fazit

In der Welt der Gründerszene-TV-Reality-Shows mag Berg das britische Format «Dragon’s Den» am liebsten. Weil es rasant inszeniert, realitätsnah und unterhaltend sei. Diesbezüglich würde sich der Startup-Kenner auch mehr wünschen beim Schweizer Format: «Mehr Drama, bitte.»

Zu erreichen wäre dies mit «schnelleren Schnitten, Kommentaren aus dem Off und härteren Fragen der Löwinnen und Löwen.» Auch wenn Nicolas Berg in der ersten Folge mehr Unrealistisches als Realistisches gesehen hat in «Die Höhle der Löwen Schweiz»: Der Startup-Pro wird sich die nächsten Folgen live anschauen am Fernsehen. Mit einer Einschränkung: «Falls dann nicht gerade ein gutes Fussballspiel läuft.»

Andreas Güntert
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