Nicht nur Lob, sondern auch viel Tadel erntete der Bundesrat für seinen Entscheid, aus der Atomkraft auszusteigen – eine historische Weichenstellung, die von den vier Bundesrätinnen erwirkt wurde.

Der Wirtschaftsdachverband economiesuisse bezeichnete den Entscheid als "unseriös, widersprüchlich und unverantwortlich"; der Stromkonzern Axpo sprach von einem "schnellen, unter hohem politischen Druck gefällten Beschluss".

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Nun kontert Energieministerin Doris Leuthard in einem Interview, das am Samstag in der "Aargauer Zeitung" und in der "Südostschweiz" erschienen ist. "Die Stromindustrie ist stark reguliert, mehrheitlich ist sie staatlich organisiert. Das macht sie träge", sagte Leuthard. Ganz anders sehe es etwa in der IT-Branche aus, wo Wettbewerb herrsche.

Die Trägheit der Strombranche rühre nicht zuletzt daher, dass sie vor allem möglichst viel Strom verkaufen wolle: "Wir möchten darum prüfen, mit welchen Anreizen das Erreichen von Effizienzzielen erreicht werden kann - die blosse Umsatzsteigerung in Kilowattstunden darf sich nicht mehr rechnen." Auch solche Fragen gehörten zur Arbeit, die nun bevorstehe.

Kritik übt Leuthard auch an den Netzeigentümern. Diese hätten "zu wenig investiert". In den letzten 15 Jahren seien lediglich 200 Kilometer Stromnetz gebaut worden - bei 1000 benötigten Kilometern. Der Strompreis werde daher ohnehin steigen, mit oder ohne Atomenergie.

Den Unmut von economiesuisse nehme sie zur Kenntnis, sagte die CVP-Bundesrätin. Sie habe allerdings auch viele Mails von Wirtschaftsvertretern erhalten, die ganz anders denken und die froh seien über einen klaren Entscheid. Auf die Frage, weshalb der Wirtschaftsdachverband derart dezidiert gegen den Atomausstieg sei, antwortete sie: "Das müssen Sie economiesuisse fragen."

Bührer bleibt bei seiner Kritik

Bei economiesuisse-Präsident Gerold Bührer nachgefragt hat die "Samstagsrundschau" von Schweizer Radio DRS. In der strategischen Ausrichtung gebe es "keinen grossen Graben" zwischen Bundesrat und Wirtschaft, sagte Bührer. Er störe sich vielmehr an der Art und Weise des bundesrätlichen Vorgehens und an den zeitlichen Vorgaben für den Ausstieg.

In Anbetracht des prognostizierten Bevölkerungswachstums sei es "unrealistisch", die für den Ausstieg notwendige Menge an Strom einzusparen. Er begreife nicht, weshalb Leuthard den Entscheid "übers Knie gebrochen" habe.

Economiesuisse wolle, dass die Option Kernenergie offen gehalten werde - unter der Bedingung, dass es gelinge, eine neue Generation von Reaktoren auf den Markt zu bringen. Die heutigen Schweizer AKW hält Bührer für "sehr sicher", das Restrisiko schätzt er als "minim" ein.

(cms/sda)