Am späten Vormittag herrscht auch in normalen Zeiten nicht so viel Betrieb am Flughafen. Doch auf dem Weg zum Interview mit Tamur Goudarzi Pour, 50, Kommerzchef bei der Swiss, ist kein einziges Flugzeug am Himmel zu sehen. Die Stille rund um das Hauptquartier der Swiss in Kloten ZH ist beinahe unheimlich. Kein gutes Zeichen für die Branche!

Wie schlecht geht es der Swiss?
Tamur Goudarzi Pour: Es ist eine sehr schwierige Situation für Swiss wie für die ganze Airline-Branche. Die Corona-Pandemie hat uns alle hart getroffen. Unsere grösste Herausforderung ist es nun, wieder Stabilität und Vertrauen beim Kunden aufzubauen. Gleichzeitig müssen wir sehr flexibel sein und den Flugplan praktisch täglich anpassen, da sich die Quarantäneregeln und Einreisebestimmungen der Länder stetig ändern.

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Swiss: «Wir bitten die Kunden um Entschuldigung»

Der Kommerzchef der Airline sagt, wie die Rückerstattung stornierter Tickets läuft – und welche Änderungen es an Bord wegen Corona gibt. Mehr dazu hier

Wie schaffen Sie das?
Unserer Mannschaft gelingt es inzwischen sehr gut, den Flugbetrieb reibungslos zu gewährleisten. Wir brauchen aber dringend einheitliche Regeln und Bedingungen, mindestens innerhalb Europas, und keinen Flickenteppich wie jetzt. Die Leute sind verunsichert ob der vielen unterschiedlichen Vorgaben, die im Umgang mit dem Virus und Reisen gelten.

Das heisst konkret für die Schweiz?
Konkret heisst das, dass die ankommenden Fluggäste auf Covid-19 getestet werden – anstatt sie in Quarantäne zu schicken.

Die Swiss fordert mehr Tests?
Wir sind für Tests bei der Einreise, weil dies eine der Massnahmen ist, um das Risiko einer Verbreitung zu reduzieren und gleichzeitig einen geordneten Reiseverkehr zu erlauben.

Wer bezahlt für die Tests?
Dazu werden gerade Lösungsansätze diskutiert. Klar ist aus unserer Sicht, dass die Verantwortung eine gemeinsame ist, weshalb es Bestrebungen nach einer Partnerschaft mit den Flughäfen und medizinischen Drittanbietern gibt.

... das ist ja nicht so schwer, nachdem alles am Boden war.
Wir kommen von drei Prozent des ursprünglichen Flugprogramms und fliegen nun wieder Richtung 40 Prozent Kapazität und 85 Prozent aller Destinationen. Das wollen wir bis Ende Oktober erreichen.

So weit sind Sie aber noch nicht?
Nein, heute liegen wir bei etwa 30 Prozent Kapazität von dem, was ursprünglich geplant war. Wenn sich die Situation allerdings weiter verschärft, werden wir länger brauchen.

Sind die Flugzeuge ausgelastet?
Wir planen so, dass wir unsere Flugzeuge möglichst effizient einsetzen können. Im Europaverkehr sind wir mit der Auslastung derzeit sehr zufrieden. Die Nachfrage auf den Interkontinentalstrecken ist noch sehr verhalten. In diesem Bereich setzen wir aber stark auf Luftfracht. Dank dieser können wir auch wieder mehr Langstreckenziele wirtschaftlich anbieten, Ende Oktober sollen es wieder 17 sein. Die Luftfracht erleichtert den Wiederaufbau der Interkontinentalstrecken. Ohne Fracht wäre das Netz deutlich kleiner.

Die Flugzeuge sind nicht voll ausgelastet. Wie viele Sitze bleiben frei?
Unsere Flugzeuge sind momentan im Schnitt im Europaverkehr zu 70 Prozent ausgelastet, im Interkontinentalverkehr ist sie geringer. Wichtig zu verstehen ist, dass die Auslastung des Flugzeugs nichts über das Ansteckungsrisiko aussagt. Das Fliegen mit Swiss ist auch in Zeiten von Corona sicher.

Viele Leute dürften daran ihre Zweifel haben.
Die Luft in Swiss-Flugzeugen ist sehr sauber. Die Kabinenluft wird alle zwei bis drei Minuten ausgetauscht. Zudem strömt die Luft im Flugzeug von oben nach unten, verteilt sich also nicht in der ganzen Kabine. Das Risiko, sich in der Flugzeugkabine anzustecken, ist sehr gering. Bis jetzt gab es innerhalb der ganzen Lufthansa-Gruppe noch keinen nachgewiesenen Fall einer Covid-19-Ansteckung an Bord.

Trotzdem kommen die Passagiere nicht in Scharen zurück. Was braucht es noch, um wieder mehr Vertrauen ins Fliegen zu schaffen – den Mittelsitz frei lassen?
Das machen wir, wenn immer es möglich ist. Wer möchte, kann sich für seinen eigenen Komfort jederzeit auch einen leeren Nebenplatz dazukaufen. Aber nochmals: Wir sind überzeugt, dass jeder Sitzplatz sicher ist.

Die Swiss bietet seit kurzem an, jedes Ticket kostenlos und mehrfach umbuchen zu können. Ein Akt der Verzweiflung?
Aufgrund der Corona-Pandemie geht es derzeit darum, unseren Kunden grösstmögliche Stabilität und Flexibilität zu bieten. Dazu braucht es neue Angebote. Die ersten Reaktionen sind sehr positiv.

«Es gilt weiterhin: Jeder Kunde, der eine Rückerstattung beantragt, bekommt sein Geld zurück.»

Wird künftig kostenloses Umbuchen zum Standard?
Im Moment ist die Massnahme begrenzt bis Ende Jahr. Je nach Situation entscheiden wir über die weitere Entwicklung.

Beim Thema Rückerstattung für stornierte Tickets hat sich die Swiss bislang nicht mit Ruhm bekleckert. Wie sieht das heute aus?
Für die Verzögerungen bei den Rückerstattungen möchte ich mich nochmals entschuldigen. Es gilt weiterhin: Jeder Kunde, der eine Rückerstattung beantragt, bekommt sein Geld zurück. Wir werden bis Ende September alle Rückerstattungsanträge abgearbeitet haben, die bis Ende Juli eingereicht wurden. Und wir werden sehr bald wieder die Fristen von vor der Corona-Krise erreichen.

Wie viel Geld haben Sie bis jetzt ausgezahlt?
Weltweit waren das seit Anfang Jahr über 400 Millionen Franken für über 700'000 Tickets – ein enormer Arbeitsaufwand! Die schiere Anzahl an Rückerstattungsanträgen hat verhindert, dass wir schneller auszahlen konnten. Inzwischen haben wir die Bearbeitungskapazitäten stark erhöht.

Welcher Betrag ist denn jetzt noch offen?
In der Schweiz haben wir noch einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag offen. Das sind Direktkunden und Reisebüros zusammen, für die Reisebüros allein ist es ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag. Gerade für die Reisebüros hat sich die Situation deutlich verbessert, da wir für sie die Erstattungen wieder automatisiert haben. Wir haben nicht darauf gewartet, bis wir den vom Bund abgesicherten Bankkredit erhalten haben, sondern bereits vorher stetig ausbezahlt.

Ging es nicht darum, Liquidität im Unternehmen zu halten?
Liquidität ist ein wichtiges Thema für jede Airline. Dieser Kredit ist Sauerstoff für uns, der uns nach vorne trägt und das Wiederhochfahren des Flugbetriebs ermöglicht. Das Geld ist für unseren aktuellen Businessplan, der auch unvorhergesehene Entwicklungen berücksichtigt, ausreichend.

«Unser Ziel ist es weiterhin, möglichst alle Mitarbeitenden zu behalten. Das gilt aber nicht für jede Stelle.»

Sie ziehen die Sparschrauben an. Droht eine Massenentlassung?
Wir müssen rund 20 Prozent der Kosten einsparen. Dabei setzen wir nicht nur bei den Personalkosten an, sondern überall. Aber wir führen im Moment Gespräche mit den Sozialpartnern – auch über Teilzeitmodelle und Frühpensionierungen. Mit Kurzarbeit allein ist dieses Kostenziel nicht zu erreichen.

Aber mit Stellenabbau im grossen Stil?
Unser Ziel ist es weiterhin, möglichst alle Mitarbeitenden zu behalten. Das gilt aber nicht für jede Stelle. Abgänge werden bereits seit März nicht mehr ersetzt, Pensenreduktionen nicht anderswo aufgestockt.

Damit der Plan aufgeht, braucht es Passagiere – was wird denn überhaupt gebucht?
Unser Angebot ist im Moment gerade im Hinblick auf die Herbstferien auf Familien ausgerichtet. Dazu kommen sogenannte Besuchsreisen, also Flüge, um Freunde und Verwandte zu besuchen. Der Geschäftsreiseverkehr dagegen ist noch auf tiefem Niveau – auch die Nachfrage auf den Interkontinentalstrecken ist noch meist sehr schwach.

Der Milliardenkredit an die Swiss ist an Auflagen geknüpft – können Sie diese einhalten?
Das werden wir. Zudem bezahlen wir ja auch Zinsen für den Kredit.

So hoch können die ja nicht sein im Zeitalter von Negativzinsen?
Wir bezahlen marktübliche Zinsen. Zudem werden wir den Kredit schnellstmöglich zurückbezahlen, es handelt sich nicht um ein Geschenk.

Sind schon Gelder geflossen?
Nein, wir haben noch kein Geld in Anspruch genommen. Wir werden erstmals im September eine Tranche ziehen. Unser Ziel ist, möglichst wenig des Kredits zu nutzen. Wie viel genau, das lässt sich nicht vor 2021 abschätzen.

Er sorgt dafür, dass Geld reinkommt

Bei der Swiss kümmert sich Tamur Goudarzi Pour (50) als Kommerzchef darum, dass Geld in die Firma fliesst. Das ist gerade in Zeiten von Corona – und in dieser Branche – eine Herkulesaufgabe. Zu Goudarzi Pours Aufgaben gehören unter anderem der Vertrieb und der Verkauf, die Festlegung der Preispolitik oder die kommerzielle Netz- und Flottenplanung. Der Deutsch-Iraner ist seit 2019 bei der Swiss. Davor war er seit dem Jahr 2000 in verschiedenen Funktionen für den Mutterkonzern Lufthansa tätig.

Trotzdem kommen die Passagiere nicht in Scharen zurück. Was braucht es noch, um wieder mehr Vertrauen ins Fliegen zu schaffen – den Mittelsitz frei lassen?
Das machen wir, wenn immer es möglich ist. Wer möchte, kann sich für seinen eigenen Komfort jederzeit auch einen leeren Nebenplatz dazukaufen. Aber nochmals: Wir sind überzeugt, dass jeder Sitzplatz sicher ist.

Die Swiss bietet seit kurzem an, jedes Ticket kostenlos und mehrfach umbuchen zu können. Ein Akt der Verzweiflung?
Aufgrund der Corona-Pandemie geht es derzeit darum, unseren Kunden grösstmögliche Stabilität und Flexibilität zu bieten. Dazu braucht es neue Angebote. Die ersten Reaktionen sind sehr positiv.

Wird künftig kostenloses Umbuchen zum Standard?
Im Moment ist die Massnahme begrenzt bis Ende Jahr. Je nach Situation entscheiden wir über die weitere Entwicklung.

Beim Thema Rückerstattung für stornierte Tickets hat sich die Swiss bislang nicht mit Ruhm bekleckert. Wie sieht das heute aus?
Für die Verzögerungen bei den Rückerstattungen möchte ich mich nochmals entschuldigen. Es gilt weiterhin: Jeder Kunde, der eine Rückerstattung beantragt, bekommt sein Geld zurück. Wir werden bis Ende September alle Rückerstattungsanträge abgearbeitet haben, die bis Ende Juli eingereicht wurden. Und wir werden sehr bald wieder die Fristen von vor der Corona-Krise erreichen.

Wie viel Geld haben Sie bis jetzt ausgezahlt?
Weltweit waren das seit Anfang Jahr über 400 Millionen Franken für über 700'000 Tickets – ein enormer Arbeitsaufwand! Die schiere Anzahl an Rückerstattungsanträgen hat verhindert, dass wir schneller auszahlen konnten. Inzwischen haben wir die Bearbeitungskapazitäten stark erhöht.

Welcher Betrag ist denn jetzt noch offen?
In der Schweiz haben wir noch einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag offen. Das sind Direktkunden und Reisebüros zusammen, für die Reisebüros allein ist es ein niedriger zweistelliger Millionenbetrag. Gerade für die Reisebüros hat sich die Situation deutlich verbessert, da wir für sie die Erstattungen wieder automatisiert haben. Wir haben nicht darauf gewartet, bis wir den vom Bund abgesicherten Bankkredit erhalten haben, sondern bereits vorher stetig ausbezahlt.

Ging es nicht darum, Liquidität im Unternehmen zu halten?
Liquidität ist ein wichtiges Thema für jede Airline. Dieser Kredit ist Sauerstoff für uns, der uns nach vorne trägt und das Wiederhochfahren des Flugbetriebs ermöglicht. Das Geld ist für unseren aktuellen Businessplan, der auch unvorhergesehene Entwicklungen berücksichtigt, ausreichend.

Sie ziehen die Sparschrauben an. Droht eine Massenentlassung?
Wir müssen rund 20 Prozent der Kosten einsparen. Dabei setzen wir nicht nur bei den Personalkosten an, sondern überall. Aber wir führen im Moment Gespräche mit den Sozialpartnern – auch über Teilzeitmodelle und Frühpensionierungen. Mit Kurzarbeit allein ist dieses Kostenziel nicht zu erreichen.

Aber mit Stellenabbau im grossen Stil?
Unser Ziel ist es weiterhin, möglichst alle Mitarbeitenden zu behalten. Das gilt aber nicht für jede Stelle. Abgänge werden bereits seit März nicht mehr ersetzt, Pensenreduktionen nicht anderswo aufgestockt.

Damit der Plan aufgeht, braucht es Passagiere – was wird denn überhaupt gebucht?
Unser Angebot ist im Moment gerade im Hinblick auf die Herbstferien auf Familien ausgerichtet. Dazu kommen sogenannte Besuchsreisen, also Flüge, um Freunde und Verwandte zu besuchen. Der Geschäftsreiseverkehr dagegen ist noch auf tiefem Niveau – auch die Nachfrage auf den Interkontinentalstrecken ist noch meist sehr schwach.

Der Milliardenkredit an die Swiss ist an Auflagen geknüpft – können Sie diese einhalten?
Das werden wir. Zudem bezahlen wir ja auch Zinsen für den Kredit.

So hoch können die ja nicht sein im Zeitalter von Negativzinsen?
Wir bezahlen marktübliche Zinsen. Zudem werden wir den Kredit schnellstmöglich zurückbezahlen, es handelt sich nicht um ein Geschenk.

Sind schon Gelder geflossen?
Nein, wir haben noch kein Geld in Anspruch genommen. Wir werden erstmals im September eine Tranche ziehen. Unser Ziel ist, möglichst wenig des Kredits zu nutzen. Wie viel genau, das lässt sich nicht vor 2021 abschätzen.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blick unter dem Titel: «Swiss fordert Tests statt Quarantäne»