Zwanzig Jahre lang weibelte die Postfinance für mehr Freiheiten im Kreditgeschäft, zwanzig Jahre lange vergebens. Bis zum 5. September 2018, als der Bundesrat entschied, das Kreditverbot für die Post-Tochter aufzuheben und diese – wenigstens teilweise – zu privatisieren: Das ist das Resultat einer über dreijährigen Überzeugungsarbeit.

Den Prozess angestossen hatte, wohl eher ungewollt, die Nationalbank (SNB) mit der Einführung der Negativzinsen. «Wir hatten aufgrund des Kreditverbots schon immer einen Wettbewerbsnachteil gegenüber unseren Konkurrenten, der sich mit der 2008 einsetzenden Tiefzinsphase verstärkt hat», sagt Postfinance-Chef Hansruedi Köng. «Aber am 15. Januar 2015 wurde dieser von einem Tag auf den anderen um weitere 75 Basispunkte grösser.» Die Folge: Der Gewinn aus dem Zinsgeschäft erodierte (siehe Grafik unten).

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Spätestens seit 2015 wiederholte Köng jedem, der es hören wollte, dass es so nicht mehr weitergehe. Er suchte nach einfachen Anschauungsbeispielen und verglich seine Postfinance mit Dario Cologna, der ohne Stöcke ins Rennen steigen müsste. «Das mag im flachen Terrain oder in Abfahrten noch angehen, bei schwierigerem Terrain mit ruppigen Anstiegen dürfte das Unterfangen jedoch scheitern.» Doch hellhörig wurden die Politiker erst, als Köng ab 2016 mit Urs Schwaller ein Post-Präsident zur Seite stand, der weiss, wie die Berner Politikmechanik funktioniert. Und als die sonst so erfolgsverwöhnte Post-Tochter plötzlich einen deutlichen Gewinneinbruch fürs erste Halbjahr 2018 sowie den Abbau von 500 Stellen ankündigte.

Post Gewinne aus Zinsgeschäft
Quelle: Bilanz

Stark verändertes Umfeld

Noch im November 2015 hielt der Bundesrat auf eine Motion von Ständerat Roberto Zanetti fest, dass die Postfinance «sich auch ohne die Möglichkeit der Vergabe von Hypotheken und Krediten an Dritte als wettbewerbsfähiges Finanzinstitut zu behaupten vermag». Und die Regierung ergänzte, dass sie auch eine (Teil-)Privatisierungsdiskussion für verfrüht erachte. Die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) unter der Leitung von Serge Gaillard wäre gerne weiter gegangen. Doch damals gab es keine Mehrheiten – und vor allem noch nicht genug Druck.

Das ist jetzt anders: «Das Umfeld hat sich für Postfinance in den letzten Jahren stark geändert», halten Doris Leuthards Uvek und die EFV fest. Sie verweisen dabei vor allem auf schrumpfende Erträge aus dem Zinsdifferenzgeschäft, aber auch darauf, dass die Postfinance als «Too big to fail»-Finanzinstitut bis 2026 bis zu 2,2 Milliarden Franken an zusätzlichem Eigenkapital aufbauen müsse. Keine einfache Sache: «Der Unternehmenswert sinkt, und es wird schwierig, das erforderliche Eigenkapital aus eigener Kraft aufzubauen.»

Im November 2017 beauftragte der Bundesrat deshalb das Uvek und die EFV, gemeinsam eine «Auslegeordnung zu den Weiterentwicklungsmöglichkeiten» von Postfinance vorzunehmen. Das Resultat ist nun der bundesrätliche Richtungsentscheid vom 5. September, gegen den nur Justizministerin Simonetta Sommaruga rechtliche Bedenken vorbrachte.

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Saatlich verordnete Schrumpfkur als Alternative

«Weiter wie bis anhin» ist keine Lösung mehr. Die Alternative wäre eine staatlich verordnete Schrumpfkur für die Postfinance – respektive eine faktische Zerstörung von Volksvermögen. Mag sein, dass diese Alternativlosigkeit die anfänglichen Skeptiker bei der Finanzmarktaufsicht und der Nationalbank beruhigt hat. Auch wenn SNB-Präsident Thomas Jordan betont, dass ein allfälliger Markteintritt der Postfinance «sehr vorsichtig erfolgen» müsse.

Schnell geht es sowieso nicht: Laut Uvek dürfte die Vorlage voraussichtlich im Sommer 2019 in die Vernehmlassung gehen. Erst nach der Auswertung wird die Botschaft ans Parlament verabschiedet. Realistisch dürfte das Kreditverbot damit frühestens 2021 aufgehoben werden. Und auch dann würde die Postfinance nur sachte in den Hypothekarmarkt einsteigen, wie Köng verspricht. Sein mittelfristiges Ziel liegt bei einem Volumen von 30 bis 40 Milliarden Franken. Zudem kann er dieses gar nicht schneller aufbauen, selbst wenn er wollte: Denn pro 5 Milliarden Hypothekarvolumen müsste die Postfinance – je nach Risikogewichtung – zusätzliche Eigenmittel von 150 bis 200 Millionen Franken ausweisen.