Es ist schon ein bisschen seltsam, hier bei uns in der Schweiz: Diverse Unternehmen werden derart mythisch überhöht, dass jegliche Kritik an ihnen als Nestbeschmutzung gilt.
Beispiel Migros: Gerade zum 100-Jahr-Jubiläum stilisiert sich die Detailhändlerin wieder einmal zur Kämpferin fürs Allgemeinwohl und vergisst dabei, dass sie längst alle Merkmale eines kommunen Retailers übernommen und ihre Alleinstellungsmerkmale praktisch vollständig über Bord geworfen hat. Dann die SBB: Sie gelten vielen weiterhin als beste Bahn der Welt, dabei halten diverse Bahnen in Asien – nicht nur in Japan – locker mit ihr mit.
Die Post ist die ultimativ heilige Kuh der Schweiz
Und dann natürlich die Post, die ultimativ heilige Kuh Helvetiens. Wer ihr unrentable Filialen, die hochgetakteten Briefzustellungen oder ein paar Dutzend Arbeitsplätze wegnehmen will, wird gnadenlos aus dem guteidgenössischen Konsens exkommuniziert. Und warum? Weil im Land der Post-Apologeten jede minimale Änderung am hochgehaltenen Service public die Lebensader des Landes zu treffen scheint.
Ein mittwochs nicht zugestellter B-Post-Brief ist den Post-Apologeten ein Fanal des Jüngsten Tages.
Denn: Eine Postfiliale ist gemäss Politromantik Dorfplatz, Treffpunkt und Vitalitätsbrunnen der Gemeinschaft, ein mittwochs nicht zugestellter B-Post-Brief ein Fanal des Jüngsten Tages. Selbst reformwillige Politiker wie SVP-Bundesrat Albert Rösti tun aus lauter Ehrfurcht vor der gelben gewerkschaftlichen Bastion so, als brauche der Sonderling Post eine Sonderbehandlung.
Wie man weiss, strebt die Post aufgrund anhaltend schrumpfender Briefpostmengen und anhaltender Ideenlosigkeit beim einstigen internen Quersubventionierer namens Postfinance danach, neue Felder gelb zu bestellen. Felder, auf denen der Staatsbetrieb dem privaten Gewerbler und Unternehmer ins Gehege kommt. Zum Teil auch auf Feldern, deren Strategiekonformität mit den Vorgaben des Eigners – also uns allen – nicht einmal infrage gestellt werden muss. So überwachen Post-Firmen Baustellen mit Kameras oder sterilisieren Operationsbesteck für Spitäler.
Wir brauchen keine neue Wettbewerbshüterin
Doch anstatt gemäss parlamentarischem Auftrag der Post solches Krakengehabe magistral zu verbieten, will Rösti der heiligen Kuh einen Babysitter zur Seite stellen. Pardon: Der Bundesrat der eigentlich staatskritischen Partei will den Staat ausweiten und gleich eine ganz neue Behörde schaffen, die zum Einsatz kommt, wenn sich Vertreterinnen und Vertreter der Privatwirtschaft von der Post auf den Fuss getreten fühlen.
Wie viele Stellen die Behörde umfassen soll, hat Rösti nicht erwähnt. Das Gebilde aber dürfte – in gut helvetischer Tradition – bestens austariert sein und ergo alles andere als schlank ausfallen.
Ohnehin scheint eine Zusatz-Wettbewerbsbehörde reichlich überflüssig. Schliesslich haben wir bereits eine Wettbewerbskommission und ein Generalsekretariat im Uvek; beide könnten ohne Weiteres über den Krawall übervorteilter Post-Konkurrenten befinden, es gehörte – Spezialgesetzlichkeit der Post hin oder her – zu deren noblen, hoheitlichen Aufgaben.
Entweder wir behandeln die Post wie das Unternehmen, das zu sein sie selbst vorgibt. Oder wir gliedern sie gleich ganz in die Verwaltung ein.