Eigentlich sollte heute Swiss-Chef Thomas Klühr einigermassen entspannt über das Jahresergebnis 2019 berichten, erzählen wie gut seine Airline aufgestellt ist, dann noch ein wenig über Politiker meckern, die sich für Klimaabgaben erwärmen.

Doch fürs Geschäft im Jahr 2019 interessiert sich niemand mehr: Es gab einen Gewinnrückgang auf 578 Millionen Franken, im Vergleich zu 636 Millionen in 2018, wegen hoher Treibstoffkosten und schwacher Weltwirtschaft.

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Nun steht wegen Corona die Welt Kopf. Airlines trifft es extrem hart. Die Branche lebt ohnehin stets mit einer knappen Marge und ruinösem Preiskampf. Doch alle anderen Krisen, seien es 9/11, Aschewolke oder Terroranschläge in Touristenregionen, sind nichts dagegen, was nun passiert. Also muss Klühr reden über: Staatshilfe, Kurzarbeit, enorme Verluste und die Frage, wo er seine Flieger parkt. Nämlich auch in Dübendorf.

Wie geht es weiter mit der Swiss?

Am Donnerstag berichtete Klühr übers Geschäft nur per Videokonferenz, kein persönliches Treffen wie sonst immer in Kloten.

Klühr sagte in der Konferenz:

  • «Wir schliessen die vorübergehende Einstellung des Flugbetriebs nicht aus.»
     
  • Der Flugplan werde auf 10 Prozent reduziert, das heisst konkret nur noch den Einsatz eines Langstreckenfliegers und fünf Maschinen für die Kurz- und Mittelstrecke. Der Langstreckenflieger werde in die USA, nach Newark, unterwegs sein. In normalen Zeiten hat die Swiss weltweit sonst rund 90 Flieger im Einsatz.
     
  • Ab Montag, 23. März bis Sonntag, 19. April, werden neben Newark noch folgende Ziele ab Zürich angeflogen: London (LHR), Amsterdam, Berlin, Hamburg, Brüssel, Dublin, Lissabon und Stockholm. Geplant sei, ab Genf nach London (LHR), Athen, Lissabon und Porto zu fliegen. Ab Genf wird es vorerst keine Langstreckenflüge mehr geben.
     
  • Zum Geschäftsrückgang sagte Klühr: Der Rückgang sei enorm und habe erhebliche Auswirkungen auf den Cashflow.
     
  • Swiss stehe in engem Austausch mit dem Bundesrat, Swiss brauche Unterstützung vom Schweizer Staat, weitere konrete Details zu den Gesprächen wollte Klühr nicht nennen.
     
  • Zur Debatte, ob sich der Staat an Swiss beteiligen solle, sagte Klühr: «Der Eigentümer, also die Lufthansa-Gruppe und der Staat müssen temporär helfen, die Liquiditätssituation zu überbrücken.»
     
  • Mehrfach betonte Klühr, dass Swiss allein, also ohne die Lufthansa-Gruppe, nicht überlebensfähig sei.
     
  • Laut Klühr sei die Situation nicht mit dem Swissair-Grounding zu vergleichen, nun gebe es wegen Corona einen «exogener Schock». Sonst sei Swiss gut aufgestellt.
     
  • Für das eigene Personal schloss Klühr vorerst Entlassungen aus. Kurzarbeit solle aber auf weitere Bereiche wie die Administration ausgeweitet werden.
     
  • Die Zusammenarbeit mit Helvetic Airways, die sonst viele Flüge für Swiss übernimmt, solle weiter bestehen. Man würde gemeinsam eine Lösung finden, so Klühr. Zuvor hatte Helvetic Mitarbeiter entlassen müssen.

Am Donnerstagmorgen hatte Swiss bereits per Mail über die Jahreszahlen berichtet und gemeldet, dass es nun «massive Ertragsausfälle» gebe, eine Ergebnisprognose sei nicht möglich. Es drohten Liquiditätsengpässe. «Es ist davon auszugehen, dass alle Airlines in Europa auf staatliche Unterstützung angewiesen sein werden», so Klühr. «Die Frage ist nicht ob, sondern wann.»

Zuletzt hatten sich die Ereignisse in der Aviatik überschlagen:

  • Nachdem der Flugverkehr nach China zusammenbrach, führte die US-Regierung einen Einreisstopp für Europäer ein –  auf der für Lufthansa und Swiss lukrativsten Strecke zwischen Europa und Nordamerika. Die EU machte später ebenfalls die Grenzen dicht, hier findet kaum noch Flugverkehr statt. Was noch läuft, sind Flüge, um irgendwo auf der Welt gestrandete Urlauber zurückzuholen.
     
  • Andere Lufthansa-Tochtergesellschaften wie Austrian Airlines und Brussels fliegen vorerst gar nicht mehr, Swiss-Schwester Edelweiss Air kündigte am Mittwochabend an, zwei der 16 Jets zu parken und Kurzarbeit fürs gesamte Personal zu beantragen.

Wie hoch ist der Verlust jeden Tag?

Die Swiss, stets eine Ertragsperle im Lufthansa-Konzern, ist eine gute und profitable Marke, dabei sehr eng innerhalb der Lufthansa-Gruppe vernetzt. Vieles läuft zentralisiert über die Gruppe. Entsprechend bizarr mutet daher für viele Experten die Debatte, die Swiss mit Schweizer Staatshilfe zu retten und wieder eigenständig machen zu wollen. Dieses Unterfangen dürfte wohl im finanziellen Desaster enden.

Die finanzielle Situation der Swiss ist jetzt kritisch: Wie viel Geld die Swiss jeden Tag verliert, will sie natürlich nicht vorrechnen. Branchenkenner argumentieren allerdings so: Derzeit würde sich die grobe Verlustschätzung auf etwa 4 bis 5 Millionen Franken pro Tag belaufen, vielleicht liesse sich bei harten Einschnitten der Verlust pro Tag auf etwa 2,5 bis 3,5 Millionen Franken eindämmen.

Es steht also viel auf dem Spiel: Nicht nur für die Mitarbeiter der Swiss, ebenfalls für die Passagiere, die sich an ein Flugangebot von Swiss, Edelweiss und Co. gewöhnt haben, das für ein vergleichsweise kleines Land wie der Schweiz ungewöhnlich umfangreich ausfällt und – bei aller Kritik an Lärm und Klimafolgen – auch für viel Wohlstand hierzulande sorgt.

Lufthansa: Brauchen Staatshilfe bei längerer Krise

Lufthansa-Chef Carsten Spohr hat in der Corona-Krise seinen Hilferuf an den Staat bekräftigt. «Je länger diese Krise andauert, desto wahrscheinlicher wird es, dass die Zukunft der Luftfahrt ohne staatliche Hilfe nicht gewährleistet werden kann», erklärte er am Donnerstag zur Vorlage der Bilanz des vergangenen Jahres.

Der Lufthansa-Konzern streicht sein Flugprogramm wegen der Coronakrise noch stärker zusammen als bisher bekannt. Bis 19. April fänden nur noch rund fünf Prozent der ursprünglich geplanten Flüge statt, teilte die Swiss-Muttergesellschaft mit.

Rund 700 von 763 Flugzeugen des Konzerns blieben vorläufig am Boden. Fernverbindungen bietet die Lufthansa vorerst nur noch ab Frankfurt und dreimal pro Woche mit der Tochter Swiss ab Zürich an. In München sollen nur noch Kurzstreckenflüge des Ablegers Cityline abheben. Die Maschinen sollen vorwiegend Deutsche aus dem Ausland zurückholen.

Tim Höfinghoff
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