Wichtig für ein erfolgreiches Krisenmanagement sind Durchhaltevermögen und ein klarer Kopf. Der Fokus liegt auf dem Funktionieren und nicht auf den Befindlichkeiten. Selbstverständlich haben Gefühle ihre Berechtigung, aber es gibt Zeiten, da stehen sie nicht im Vordergrund. Man tut sonst das Falsche und verliert unnötig Energie.

Nach unzähligen Kraftakten in den vergangenen Jahren war ich auf dem Weg in meine herbeigesehnte Auszeit. Dann kam der Anruf: Meine Schwester hatte einen Reitunfall erlitten und war mit angehender Querschnittslähmung im Krankenhaus. Schock! Mit dem Ohnmachtsgefühl kamen sofort Emotionen wie Angst, Entsetzen, Hilflosigkeit und Beklemmung auf. Stopp! Dafür war jetzt keine Zeit. Jetzt nicht innehalten und fühlen, sondern handeln und den Kopf einschalten. Diese Devise half mir als innerer Befehl, sofort wirksam zu werden.

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Es folgten drei Wochen Dauereinsatz bei der Pflege der Schwester, der Suche nach Arzt-Koryphäen, Wohnungsaus- und Pferdeumzug bis zu Elternmanagement und Versicherungsärger. Was lernen wir daraus?

Funktionieren ist weder Schwäche noch Unterdrückung. Funktionieren hilft im Krisenmanagement, wenn es darum geht, volle Leistung zu bringen – für sich und andere. In solchen Momenten braucht es in der Führung Klarheit, Stabilität sowie Gesamtsicht und Reaktionsschnelligkeit. Emotionen sind keine Feinde, stören aber in dem Moment. Sie behindern rationales Denken, wenn es den sogenannten kühlen Kopf braucht. Sie verhindern volle Fokussierung und Kraftentfaltung.

Die Gastautorin

Katja Unkel ist Gründerin der Firma Managing People AG, die Führungskräfte und Organisationen berät, coacht und trainiert.

Im Krisenmanagement zählen Fragen wie: Was braucht man jetzt von mir? Was ist die nächste Entscheidung? Was hat Priorität? Wie behalte ich den Fokus? Der Blick nach innen wird zurückgestellt zugunsten des Blicks nach vorne: Was gilt es zu tun? In solchen Extremsituationen zeigt sich, dass nur wer sich selber führen kann, auch andere führen kann. Zur Selbstführung gehört auch, die eigenen Emotionen steuern zu können. Man muss in der Lage sein, sie temporär zu ignorieren. Gefühle sind später dran. Dann bekommen sie ihren Raum – werden gespürt und angenommen.

Andere Disziplinen wie die Notfallmedizin oder der Katastrophenschutz machen es vor: In der Krisensituation hat Denken Vorrang. Auch Führung braucht manchmal Triage – nicht Therapie. Nicht alle Gefühle können gleichzeitig Raum bekommen. Nicht jede Selbstwahrnehmung ist jetzt relevant. Es geht darum, wer oder was jetzt (überlebens-)wichtig ist – und was warten muss.
Die Fähigkeit zur Selbstverzögerung ist bedeutend, damit man erfolgreich führen kann. Es hilft, sich in solchen Sondersituationen schlichtweg nicht zu fragen, wie es einem geht. Gemütszustände mit all ihren Facetten werden vertagt. Selbstverständlich soll sich niemand bis zum Umfallen aufopfern. Es ist unter keinen Umständen ein Dauermodus. Wer dauerhaft ignoriert, wie es einem geht, geht unter. Das bewusste Innehalten nach der Krise – oder nach einer erreichten Etappe – ist Teil professioneller Führung. Dann wird reflektiert, verarbeitet, gelernt, dann entwickelt man sich.

Stark sein ist kein Widerspruch zu Menschlichkeit. Entscheidend ist die bewusste Steuerung von Verstand und Gefühl. Alles zu seiner Zeit. Wer das schafft, wird besser führen – und erkennen, wie viel mehr man zu leisten imstande ist und wie sehr man über sich hinauswächst, wenn vermeintliche Grenzen keine sind – vor allem die mentalen Grenzen.