Für unser Gesundheitssystem und unsere Volkswirtschaft sind starke und effiziente Spitäler wichtig. Wie der kürzlich von der OECD publizierte Länderbericht zeigt, sind wir weit von diesem Ziel entfernt. Als Ursache für das schnelle und überdurchschnittliche Ansteigen der Gesundheitskosten orten die Verfasser auch die stark ausgeprägten föderalistischen Strukturen. Vorgeschlagen wird der möglichst schnelle Abbau der kantonalen Barrieren, die den Wettbewerb unter den Leistungserbringern behindern.

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Die Schweiz weist im Vergleich zu allen führenden Industrieländern eine zu hohe Bettendichte und zu lange Spitalaufenthalte auf. Die hohe Bettenbelegung ist auf eine oft von Spitälern gesteuerte, künstliche Nachfrage zurückzuführen. Die kantonale Spitalplanung, die vor allem eine Abschottungspolitik zugunsten der eigenen öffentlichen Spitäler betreibt, hat total versagt. Das kommt uns teuer zu stehen: Jährlich finanzieren Steuer- und Prämienzahler die Spitäler mit durchschnittlich 1500 Franken pro Kopf.

Im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern wissen die Patienten in unserem Land auch nicht, was sie für dieses Geld erwarten dürfen. Es wird einfach behauptet, der Bevölkerung unseres Landes stehe ein qualitativ gutes Gesundheitswesen zur Verfügung, ohne dass dies belegt wird. Daten werden zwar emsig gesammelt, aber kaum veröffentlicht. Eine koordinierte Qualitätsmessung fehlt zur Gänze, und die Patienten suchen vergeblich nach aussagekräftigen Informationen, die ihnen die Wahl des für sie richtigen Spitals erleichtern würden. Damit stehen für wichtigste Entscheide keine objektiven Informationen zur Verfügung. Potenzielle Patienten sind vielmehr auf Insiderwissen und Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen. Aus dem Ausland wissen wir aber: Qualität ist messbar, unterscheidet sich und kann verbessert werden. In den Niederlanden, Deutschland oder den USA etwa gehört veröffentlichte Ergebnisqualität zum Alltag.

In den letzten zehn Jahren haben nur wenige Kantone echte Reformen vorgeschlagen. Vielfach sind diese nie realisiert worden, weil regionale und persönliche Interessen dies verhindert haben. Noch wichtiger ist aber der Interessenkonflikt, dem die Kantone als Eigentümer, Planer und Tarifgenehmigungsbehörde unterworfen sind und der sie gewollt oder ungewollt zu Richtern in eigener Sache macht. Diese ihnen aufgrund der heutigen Gesetzgebung zustehende Rolle nutzen die Kantone, indem sie dafür sorgen, dass in erster Linie die «eigenen» Betten belegt sind und das Geld nicht über die Kantonsgrenze und schon gar nicht in ein Privatspital fliesst. Dabei vergessen sie aber geflissentlich, dass sie im heutigen System gar nicht die alleinigen Finanzierer sind, sondern ein grosser Teil der Spitalkosten mit Prämiengeldern abgegolten wird.

Jährlich wird die obligatorische Krankenpflegeversicherung mit rund 7 Milliarden Franken zur Kasse gebeten, während die Zusatzversicherungen weitere 2,5 Milliarden beisteuern. Diese Beträge stehen einem Aufwand der öffentlichen Hand von 6,5 Milliarden Franken inklusive Lehre und Forschung gegenüber, notabene auch von der Bevölkerung mit Steuergeldern finanziert. Der von den Kantonen immer wieder in die Diskussion geworfene Grundsatz «Wer zahlt, befiehlt» ist also schlicht falsch. Noch schlimmer: Der Interessenkonflikt der Kantone widerspricht dem Grundsatz der Transparenz staatlichen Handelns sowie dem Diskriminierungsverbot. Soll die Forderung «Wer zahlt, befiehlt» ernsthaft umgesetzt werden, hat der Steuer- und Prämienzahler im Zentrum zu stehen. Seine Wünsche haben dann wegleitend zu sein. Im Rahmen des Gesundheitsmonitors, einer repräsentativen, jährlich durchgeführten Umfrage, zeigt sich ein gefestigter und klarer Trend zu mehr Markt auf der Angebotsseite. Auch die Grundwerte Qualität und Wahlfreiheit stehen bei den Stimmberechtigten unvermindert hoch auf der Prioritätenliste.

Der Ständerat stellt allerdings die Interessen der kantonalen Bürokratien weiterhin über jene der Patienten: Anfang Jahr verabschiedete er ein Konzept zur Spitalfinanzierung mit dem, neben einigen positiven Elementen, vor allem die bereits erwähnte Planungshoheit der Kantone massiv verstärkt werden soll. Theoretisch werden zwar öffentliche und private Anbieter gleichgestellt. In der Realität ist diese von Bundesrat und Kantonen als liberal verkaufte Neuerung jedoch eine Farce: Mit der Ausdehnung der Planung kontrolliert der Kanton den Marktzugang vollständig. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass er diese Macht zu seinen Gunsten nutzen wird. Privatspitäler würden aus dem Markt gedrängt, da die Kantone diese nicht auf ihre Spitallisten aufnehmen werden. Ohne Wettbewerb durch ausserkantonale und private Spitäler führen solche staatlichen Monopolgebilde jedoch, wie auch der OECD-Bericht bestätigt, zu höheren Preisen und schlechterer Qualität.

Obwohl Patienten heute mit ihrem Krankenversicherer eine «ungesetzliche» Behandlung im Ausland problemlos vereinbaren können, verunmöglicht das Krankenversicherungsgesetz die Inanspruchnahme von stationären Gesundheitsleistungen ausserhalb des eigenen Wohnkantons. Die Grenzen sorgen aber auch für einen kostentreibenden «Aufrüstungswettbewerb» zwischen den einzelnen Kantonen bei Bauten, Einrichtungen oder Geräten. Da die dafür einzusetzenden finanziellen Mittel oft nicht einmal in der Betriebsrechnung eines öffentlichen Spitals erscheinen und sowieso vom Steuerzahler zu berappen sind, wird das Geld auch relativ leicht ausgegeben. Diese Finanzierungsmechanismen verunmöglichen eine Zusammenarbeit über die Kantonsgrenzen hinaus, wie etwa das Beispiel der Fusion von Männedorf ZH und Uznach SG zeigt. Noch schlimmer ist das beinahe schon exemplarische Planungsfiasko der Kantone bei der Spitzenmedizin.

In einem ersten, von fast allen Seiten unbestrittenen Schritt ist eine schweizweite einheitliche Tarifgrundlage für den Bereich der obligatorischen Grundversicherung anzustreben. Damit wird ein erster Schritt hin zu mehr Transparenz geschaffen, was eine Reduktion der Aufenthaltsdauer zur Folge haben und den Strukturwandel beschleunigen wird. Beides kann jedoch auch zu negativen Auswirkungen für den einzelnen Patienten führen. Namentlich dann, wenn der Ständerat die Tarife an den günstigen Spitälern, welche die «notwendige» Qualität erbringen, ausrichten will. Notwendig wird so zum dehnbaren Begriff, vor allem wenn er von den kantonalen Tarifbehörden definiert wird. Deshalb ist mit einer rasch folgenden zweiten Phase sicherzustellen, dass dem System die für die Patienten zentralen Grössen «Qualität und Effizienz» zugrunde liegen und nicht eine bürokratische, staatliche Planung.

Auf dieser Erkenntnis haben Experten gemeinsam mit den Nationalräten Gutzwiller, Bortoluzzi, Wehrli und Humbel ein Modell entwickelt, das die Kantonsgrenzen durch einen Binnenmarkt ersetzt. Spitalabteilungen, die bei Qualität und Kosten zu den schweizweit besten 90 Prozent (als Beispiel) gehören, unterstehen dem Vertragszwang. Qualitativ schlechte und/oder zu teure Abteilungen haben mit den Versicherungen zu verhandeln oder scheiden aus dem Markt. Die medizinischen Qualitätsindikatoren werden durch eine unabhängige Bundesstelle in Zusammenarbeit mit den Arzt- und Pflegeorganisationen sowie aufgrund ausländischer Erfahrungen bestimmt. Der Patient kann schweizweit zwischen den dem Vertragszwang unterstehenden Spitälern wählen. Als Grundlage dazu stehen ihm die veröffentlichten Qualitäts- und Kostenvergleiche zur Verfügung. Selbst wenn in erster Linie die Patienten die grössten Nutzniesser eines solchen Systems sind, werden dank beschleunigtem Strukturwandel auch die Steuer- und Prämienzahler davon profitieren.

Das Modell liegt gemeinsam mit dem vom Ständerat favorisierten Vorschlag bei der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit auf dem Tisch. In den kommenden Monaten wird sich entscheiden, ob unser Parlament bereit ist, einen Schritt in Richtung Markt zu gehen und den Anspruch der Patienten auf Wahlfreiheit und Qualitätswettbewerb zu akzeptieren, oder ob die von den Politikern stets als mündig bezeichneten Patienten weiterhin mit einem planwirtschaftlichen Gesundheitssystem bevormundet werden sollen.

Urs Brogli ist Leiter der Unternehmenskommunikation bei der Privatklinikgruppe Hirslanden, Präsident der gesundheitspolitischen Kommission der FDP des Kantons Zürich und Präsident der gesundheitspolitischen Kommission des Dachverbandes der Privatkliniken Schweiz (PKS).