Die Geschichte des Schweizer Detailhandels ist von Grossverteilern wie Migros und Coop geprägt. Abseits der breiten Retail-Erfolgsstrasse liegt ein Markenfriedhof mit Ladenketten und ihren Logos: Ruhet in Frieden ABM und EPA, goodbye Waro, Pick Pay, K3000.

Jetzt mehren sich die Anzeichen, dass eine andere sanft entschlafene Marke zu einem neuen Auftritt kommt. Usego wird wachgeküsst, wie ein Eintrag im Schweizer Markenregister zeigt. Verschiedene Logovarianten der Schweizer Retail-Marke aus dem 20. Jahrhundert sind von der jungen Betriebsverpflegerin Felfel übernommen worden. Anna Grassler, Geschäftsleiterin von Felfel, bestätigt die Übernahme der Markenrechte von Usego und sagt: «Brand und Logo sind emotional immer noch sehr stark aufgeladen.»  

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Das Zürcher Unternehmen Felfel stellt in Firmen Kühlschränke zur Betriebsverpflegung auf. Über 600 solcher Verkaufsautomaten stehen in der Schweiz. Im Dezember 2020 stieg die liechtensteinische THF Holding als strategischer Investor beim Unternehmen ein, das 2013 von Daniela und Emanuel Steiner gegründet und 2018 von EY zum Unternehmen des Jahres gekürt wurde. Seit Herbst 2021 führt Felfel auch eine eigene Kaffeemarke namens Gavetti.  

Usego-Projekt startet im zweiten Halbjahr 2022

Was genau Felfel mit Usego im Sinn hat, will Grassler nicht verraten. Nur so viel: «Wir freuen uns sehr, mit der Marke Usego ein spannendes Projekt zu starten.» Man wolle damit im zweiten Halbjahr 2022 beginnen, mehr Informationen gebe es dazu nicht, sagt die Felfel-Geschäftsleiterin.

Was Branchen-Profis vermuten: Felfel könnte unter der Marke Usego eine Art Inhouse-Laden für Produktionsangestellte betreiben oder Usego als neue Eigenmarke für Felfel-Produkte einführen. Kommentar der Felfel-Chefin: «Kein Kommentar.»  

Ein Relikt der Radio-Beromünster-Schweiz

Die Marke Usego, die auf Schweizerdeutsch wie ein lautmalerisches «Herausgehen» klingt, ist die Abkürzung für «Union Schweizerische Einkaufsgesellschaft Olten». Unter diesem Namen war das Solothurner Unternehmen über Jahrzehnte ein wichtiges zentrales Einkaufs- und Logistikunternehmen, das zeitweise bis 4000 selbstständige kleingewerbliche Läden in der Schweiz belieferte. Dies zum Teil auch mit Eigenmarken wie etwa dem bekannten Usego-Kaffee.

Usego Kaffee

Kein kalter Branding-Kaffee mehr: Die Marke Usego steht vor einem Comeback. 

Quelle: Verlag Hier und Jetzt

 

Die Historie des Unternehmens, das zum Schluss als Teil der Bon appétit Holding der deutschen Rewe-Gruppe gehörte, endete zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Wer nostalgisch veranlagt ist, sieht und fühlt in der Usego-Ära eine Schweiz, die vom Trio Eugster beschallt wurde, ein Land, das auf Möbel Pfister als offiziellen Heimausstatter baute und sich um die Mittagszeit im Multitasking übte: gleichzeitiger Verzehr von Roco-Dosenravioli und gebanntem Zuhören von Radio Beromünster.

 

Eine Ära auch, als die Swissair eine fliegende Bank war, die Sommerferien im ersten eigenen Wagen nach Rimini und Riccione führten und einkaufende Mütter ihre Kinderwagen samt Inhalt mit gutem Gefühl ungesichert vor dem Dorfladen stehen liessen. «Gute Ware billig», lautete der Firmen-Slogan in einer Zeit lange vor Aldi Suisse und Lidl Schweiz. Später dann wurde der Usego-Claim etwas abgesoftet in «Gut beraten, gut bedient».  

Usego in bester Wachküss-Tradition

Auch wenn die Usego-Ära in ihrer früheren Ausprägung längst zu Ende ist, stehen die Chancen immer noch gut, sich ein Stück jener Ära zu sichern. Auf Online-Plattformen wie Ricardo stehen immer mal wieder Trouvaillen aus jener Zeit zum Verkauf, etwa Poster, Emaille-Schilder oder – einst das Prunkstück eines jeden Kinderzimmers – der Usego-Krämerladen.  

Wenn nun Usego tatsächlich wachgeküsst und ins 21. Jahrhundert überführt wird, folgt das einer bewährten Strategie. Schon einst totgeglaubte Marken wie Vivi Kola oder Nabholz konnten im Zuge der Swissness-Bewegung ein Comeback feiern. Der späte Startvorteil dieser Brands: Sie müssen nicht bei null beginnen, sondern berühren ein angejahrtes Publikum beim Thema Nostalgie.

Oder anders gesagt: Usego, Vivi Kola, Nabholz und Co. leben vom Zinseszins der Vergangenheit.