Das demokratisch gewählte Parlament in Venezuela wehrt sich gegen seine Entmachtung. Nach Tagen der Schockstarre kamen die Abgeordneten zusammen und beschlossen einstimmig, dass das neue, von Staatschef Nicolás Maduro eingesetzte Parallel-Parlament illegitim sei. Damit seien auch alle Entscheidungen wie die Absetzung der kritischen Generalstaatsanwältin Luisa Ortega null und nichtig, hiess es an der Sitzung am Montag.

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Seit Freitag tagt die von Maduro ins Leben gerufene Versammlung, die eine neue Verfassung erarbeiten soll und als übergeordnete Staatsgewalt grosse Entscheidungsbefugnisse hat - sie steht über dem Parlament, in dem die Opposition nach ihrem Wahlsieg seit Anfang 2016 die Mehrheit hat.

Nur linientreue Anhänger der Sozialisten

Die Wahl der 545 Mitglieder wird von Betrugsvorwürfen überschattet. Maduro preist das Gremium als Vertretung des Volkes. Darin sitzen aber fast nur linientreue Anhänger der Sozialisten.

Mit grosser Sorge wird die erfolgte Einsetzung einer «Wahrheitskommission» verfolgt. Diese soll die Todesfälle bei den Protesten gegen Maduro aufarbeiten. Seit April starben über 120 Menschen.

Aufhebung der Immunität

Die Präsidentin der Versammlung, Ex-Aussenministerin Delcy Rodríguez, hat betont, dass «die Rechte» zur Rechenschaft gezogen werden solle. Die Immunität bisheriger Abgeordneter könnte aufgehoben werden, um Strafverfolgung zu ermöglichen, sagte der Oppositionspolitiker Henry Ramos Allup. «Das werden sie mit falschen Zeugen und fiktiven Beweisen versuchen.»

Zehn Fluggesellschaften fliegen Venezuela, das Land mit den grössten Ölreserven, nicht mehr an, ausländische Unternehmen ziehen Mitarbeiter ab. Der südamerikanische Staat wird von ausufernder Gewalt und einer tiefen Versorgungskrise erschüttert. Dutzende Staaten erkennen die neue «Volksversammlung» nicht an.

Hacker greifen Behörden-Seiten an

Nach der Attacke bewaffneter Dissidenten auf einen Militärstützpunkt in Valencia, 170 Kilometer westlich von Caracas, sagte Verteidigungsminister Vladimir Padrino, zehn Männer seien flüchtig. Sie haben laut Medienberichten rund 90 Gewehre erbeutet. Maduro hatte von «Söldnern und Terroristen» gesprochen, die von «ultrarechten Gruppen» angeheuert worden seien. «Die Rechnung wurde aus Miami und Kolumbien bezahlt», sagte Maduro.

Gleichzeitig wurden dutzende Websites vor allem von Behörden Ziel einer Cyberattacke. Ein Hacker-Kollektiv namens The Binary Guardians (etwa: Die Binären Wächter) griff am Montag unter anderem die Online-Auftritte der Regierung, des Obersten Gerichtshofs und der Wahlkommission an. Aber auch private Firmen wie die Telekomfirma Digital waren betroffen. Mit ihrer Aktion wollten die Hacker eine bewaffnete Gruppe unterstützen, die einen Armeestützpunkt angegriffen hatte.

(sda/ccr)