Einerseits gibt es in der Wirtschaft Führungskräfte, die davon ausgehen, dass die Welt ohne sie nicht mehr funktionieren kann. Und auch Unternehmen denken, dass diese Personen wegen ihrer Erfahrungen und Beziehungen unentbehrlich sind. Anderseits ist es aus Sicht einer guten Unternehmensführung nicht zwingend logisch, dass eine Chefin nach ihrer Amtszeit nahtlos das Präsidium «ihrer» Firma übernehmen darf oder dass ein CEO gleichzeitig auch den Verwaltungsrat des gleichen Unternehmens präsidieren soll.

Selbstverständlich verfügen Geschäftsleitungsmitglieder und andere Führungskräfte über wertvolles, über Jahre angeeignetes Wissen. Selbstverständlich schätzen Kunden und Geschäftspartner Kontinuität auch auf der persönlichen Ebene. Und selbstverständlich können solche Konstellationen auch ihre positiven Seiten haben (zum Beispiel bei Familienbetrieben). 

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Oliver Schiltz ist Managing Partner Switzerland bei Heidrick & Struggles.

Grössere, international tätige und börsenkotierte Unternehmen prüfen in solchen Situationen aber von Vorteil mögliche Alternativen. So könnte die eingangs erwähnte Chefin zwischen ihrem Rücktritt als CEO und der Wahl zur VR-Präsidentin eine 12- oder 24-monatige Pause einlegen. Und zwar freiwillig, sind solche Cooling-off-Phasen in der Schweiz im Gegensatz zu beispielsweise Deutschland nämlich gesetzlich nicht vorgeschrieben.

Ex-Chefin als Beraterin der Geschäftsleitung

Eine andere Möglichkeit wäre, dass diese ehemalige Chefin zukünftig als Beraterin des Verwaltungsrates und allenfalls auch der Geschäftsleitung mandatiert wird, aber keine formale Funktion zum Beispiel als Mitglied des Verwaltungsrates hat. 

Diese proaktive Distanz soll vor allem dazu führen, dass sich der neue Konzernchef gut entfalten und seine eigenen Akzente setzen kann. Ein ehemaliger CEO, der nahtlos das Präsidium des Unternehmens übernimmt, ist unweigerlich in die Ernennung seiner Nachfolgerin, seines Nachfolgers involviert und beeinflusst diese entsprechend. Und er verfügt über beste Kontakte zu seinen ehemaligen Geschäftsleitungsmitgliedern, was ebenfalls zu Schwierigkeiten für den neuen CEO führen kann. 

Unabhängige Mitglieder im Verwaltungsrat

Zusätzlich können organisatorische Aspekte dazu führen, dass es zu keinen Konflikten kommt. So können Unternehmen in ihren Statuten festhalten, dass ausser in Krisensituationen eine CEO nur dann gleichzeitig auch VR-Präsidentin sein kann, wenn über die Hälfte der Mitglieder des Verwaltungsrates sogenannte unabhängige Mitglieder sind, also beispielsweise keine grossen Aktionäre vertreten. Doppelmandate lassen sich zudem zeitlich begrenzen. Oder man installiert im Verwaltungsrat in Form eines «Lead Independent Director» bewusst eine Gegenpartei mit weitreichenden Befugnissen zum Präsidenten, der gleichzeitig CEO ist.

Diese und weitere Überlegungen werden heute in Unternehmen täglich angestellt. Dies ist zwar erfreulich. Leider geht dabei folgende Frage immer wieder unter: Ist jemand automatisch ein guter Präsident, nur weil er ein erfolgreicher CEO war? Oder anders formuliert: Ist eine langjährige und erfolgreiche operative Führungskraft nicht nur willens, sondern auch fähig, sich in kurzer Zeit auf die strategische Ebene zu begeben und diese neue Position auch wirklich zu leben?

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